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Treffen in Brüssel
Österreich versammelt Gegner der deutschen Pkw-Maut

Der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried hält es für möglich, dass Deutschlands Nachbarn und weitere EU-Staaten gemeinsam gegen die deutsche Pkw-Maut klagen. Das sagte er am Morgen in Brüssel, wo er sich mit Europaabgeordneten und Beamten verschiedener Länder trifft. Doch kraftvoll ist der Protest noch nicht.

Von Malte Pieper | 25.01.2017
    Fahrzeuge passieren am 05.01.2017 die Mautstation vor dem Warnowtunnel in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).
    Die Mautstation am Warnow-Tunnel in Rostock, der 2003 eröffnet wurde - als erstes privat finanziertes Straßenbauprojekt. (dpa/Bernd Wüstneck)
    Es war gleich bei ihrem ersten Auslandsbesuch in diesem Jahr. Eigentlich wollte Angela Merkel öffentlichkeitswirksam in Luxemburg auf die Suche nach dem Europäischen Geist gehen, im Geburtshaus von Robert Schuman der Grundidee unserer heutigen EU nachspüren. Doch kaum betritt sie bei der anschließenden Pressekonferenz das Podium, warten doch wieder nur so profane Dinge auf sie wie die geplante PKW-Maut.
    "Wird es da Sonderregelungen für Grenzregionen geben?", will ein luxemburgischer Journalist wissen. "Ich glaube nämlich, dass das die Luxemburger sehr betreffen würde, wenn wir nicht mehr so freizügig nach Deutschland reisen könnten …"
    Merkels Gastgeber, der luxemburgische Premier Xavier Bettel, beginnt zu lächeln, er schüttelt leicht den Kopf, schaut dann zur Kanzlerin und setzt nach:
    "Ich habe mit der Bundeskanzlerin darüber gesprochen und ihr unsere Ängste mitgeteilt. Für uns gehört Straßenverkehr zu den Freiheiten in Europa, und dass es auf jeden Fall nicht eine Diskriminierung geben darf zwischen EU-Bürgern und Nicht-EU-Bürgern."
    Merkel: österreichisch-deutscher Grenzverkehr nicht in sich zusammengebrochen
    Die angesprochene Kanzlerin setzt daraufhin ihren typischen Angela Merkel-Blick auf. Mundwinkel nach unten, möglichst keine Regung zeigen. Deutschland suche das Gespräch mit seinen Nachbarn:
    "Wir machen ja die Dinge so, dass möglichst wenig Kontroverse daraus entsteht, aber von der österreichisch-deutschen Grenze wissen wir, dass die Einführung der Maut in Österreich zumindest nicht dazu geführt hat, dass der österreichisch-deutsche Grenzverkehr in sich zusammengebrochen ist."
    Trotzdem sieht man das Ganze bei unseren südlichen Nachbarn bekannterweise bei weitem nicht so entspannt. Und das ist noch freundlich formuliert. Und so hat Österreichs sozialdemokratischer Verkehrsminister Jörg Leichtfried mit der überraschenden Einigung zwischen EU-Kommission und Bundesregierung Anfang Dezember sein Thema gefunden. Er versucht dem großen Nachbarn medienwirksam vor das Schienbein zu treten:
    "Ich denke schon, dass wir gute Argumente haben. Sollten diese Argumente nichts nützen und es wird beschlossen, dann werden wir natürlich prüfen, was an rechtlichen Maßnahmen sinnvoll ist, und die gegebenenfalls auch ergreifen."
    In Wien und nicht nur dort ist man stinksauer auf die EU-Kommission. Die hatte erst im vergangenen Sommer ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und gedroht, die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Dann führte man auf Betreiben von Kommissionspräsident Juncker monatelange Geheimgespräche, um am Ende den angeblich entscheidenden Durchbruch zu verkünden: Zwar erhalten weiterhin alle Deutschen ihre Maut über die KFZ-Steuer wieder zurück, wer aber ein besonders sauberes Auto fährt, soll darüber hinaus noch etwas obendrauf bekommen. Außerdem werde die so genannte Kurzzeitvignette, also die Gebühr für nur wenige Tage, billiger und auch hier gilt eine Öko-Komponente. Kommissionssprecher Jakub Adamowicz:
    "Nachdem wir uns mit Deutschland zusammengesetzt haben, haben wir eine Einigung erzielt, bei der tatsächlich keine Diskriminierung auf Grund des Kennzeichens besteht. Dass in Deutschland, wie in anderen EU-Staaten auch, eine gewisse Umverteilung, eine gewisse Kompensation, erfolgt, zum Beispiel auf Basis des CO2-Ausstoßes, das ist in Ordnung!"
    Französischer Einfluss in Berlin?
    Einige Wochen später haben die europäischen Mautgegner den Schock noch immer nicht verdaut:
    "Nein, ich stehe nach wie vor staunend vor dieser Entscheidung!", sagt etwa der belgische Europaabgeordnete Pascal Arimont. Er hat Kollegen aus zehn Ländern um sich versammelt, um per Parlamentsbeschluss Druck zu machen:
    "Wenn ich nach Frankreich fahre, zahlen die Franzosen gleich viel wie ich. Wenn ich nach Österreich fahre, zahlen die Österreicher gleich viel wie ich. Aber wenn ich nach Deutschland fahre, bezahle ich, aber der Deutsche nicht, und das stört mich!"
    Ein erstes deutliches Signal soll nun das Treffen der so genannten "Anti-Maut-Koalition" sein. Alle Nachbarländer Deutschlands sowie Vertreter Ungarns versammeln sich auf Einladung des österreichischen Verkehrsministers in Brüssel. Sie wollen beraten, was nun zu tun ist und was bereits getan werden kann. Denn der zwischen EU-Kommission und Bundesregierung ausgehandelte Kompromiss muss erst einmal in Berlin in Gesetzesform gegossen werden, muss dann Bundestag und Bundesrat passieren. Für die französische Europaabgeordnete Anne Sander ist das nun die Stunde ihrer eigenen Regierung – nämlich Einfluss in Berlin geltend zu machen. Öffentlichkeitswirksame Protestdemonstrationen hin oder her:
    "Ich erinnere nur an die entscheidende Rolle der deutsch-französischen Achse für Europa. Wir müssen uns auf dieser Ebene zusammenraufen und einen Kompromiss finden, bevor wir hier schwer aufeinanderprallen."
    Wie viel Spielraum offenbar auch noch die Regierungen in den anderen Hauptstädten Europas sehen, kann man an der Beteiligung des heutigen Anti-Maut-Treffens ablesen. Mitnichten reisen nämlich die zuständigen Minister nach Brüssel, lediglich die Botschafter der einzelnen Länder versammeln sich. Ein kraftvoller Protest sieht anders aus.