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Treffen in Warna
Mühsamer Brückenbau zwischen der Türkei und Europa

Der Militäreinsatz in Nordsyrien und die Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien haben eine EU-Mitgliedschaft der Türkei in weite Ferne gerückt, stellte die EU auf dem europäisch-türkischen Treffen im bulgarischen Warna klar. In einem anderen Punkt gab es aber eine konkrete Zusage.

Von Kai Küstner | 27.03.2018
    (L-R) Der bulgarische Ministerpräsident Boyko Borissov, EU-Präsident Donald Tusk, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan and EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker auf der gemeinsamen Pressekonferenz beim EU-Gipfel in Varna am 26. März 2018.
    Bulgariens Ministerpräsident Boyko Borissov (von links), EU-Präsident Donald Tusk, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel in Warna (AFP / Dimitar Dilkoff)
    Sie reden miteinander – aber sie reden in vielerlei Hinsicht auch aneinander vorbei. Das ist die nüchterne Bilanz dieses EU-Türkei-Gipfel-Treffens im bulgarischen Warna:
    "Wenn Sie mich fragen, ob wir Lösungen oder Kompromisse erzielt haben – dann lautet meine Antwort: Nein."
    Seit 1963 läuft die EU-Kandidatur der Türkei
    Mit diesem unzweideutigen Satz fasst EU-Ratspräsident Donald Tusk das Ergebnis der Begegnung zusammen. Im Verlauf der Abschluss-Pressekonferenz wurde schnell klar, dass beide Seiten sich beim Abendessen – unter anderem gab’s Steinbutt aus dem Schwarzen Meer – sich gegenseitig eine lange Liste von Wünschen und Sorgen vorgetragen hatten – ohne dass die meisten davon in absehbarer Zeit Aussicht auf Erfüllung hätten:
    "Unsere Kandidatur für unsere EU-Mitgliedschaft wurde im Jahr 1963 begonnen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2018. Und wir sind immer noch nur Kandidat. Wir würden gerne schneller Fortschritte in Richtung des Beitritts-Ziels machen."
    Forderte der türkische Präsident Erdogan. Doch die EU-Beitritts-Gespräche liegen praktisch auf Eis – und dass sich daran bald etwas ändert, ist kaum zu erwarten. Auch die EU-Seite hatte einen langen Forderungskatalog mitgebracht. Unter anderem verlieh sie Erdogan gegenüber ihre Sorge über die Militär-Offensive der Türkei gegen kurdische Kämpfer im Nordirak Ausdruck, wie EU-Kommissionschef Juncker im ARD-Interview bestätigte:
    "Wir denken, dass die Intervention der Türkei außerhalb des türkischen Territoriums in Konformität mit internationalem Recht und mit den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats zu passieren hat – er hat dies zur Kenntnis genommen."
    Auch den Demokratie-Abbau in der Türkei sprach die EU-Seite an. Nach dem Putsch-Versuch und Terror-Angriffen habe Ankara das Recht, sich um seine Sicherheitsinteressen zu kümmern, meinte Ratspräsident Tusk, aber:
    "Uns treibt die Sorge um, dass einige der Methoden, die benutzt werden, die Grundrechte und den Rechtsstaat unterminieren."
    Drei Milliarden Euro für den Flüchtlingspakt
    Immerhin in einem Punkt gab es eine konkrete Zusage: beim Flüchtlingspakt. Die Europäische Union hat die Auszahlung der zweiten Rate von abermals drei Milliarden Euro zur Unterstützung der Syrien-Flüchtlinge in der Türkei fest zugesagt. Den Deal am Leben zu erhalten, ist eines der Hauptanliegen der Europäischen Union.
    "Das ist Beschluss der Kommission. Wir stehen bereit, drei weitere Milliarden für die nächsten zwei Jahre in Aufstellung zu bringen."
    Bestätigte Juncker im ARD-Interview. Das war es dann aber auch mit konkreten Zusagen: Weder beim Ausbau der Zollunion noch bei der Visa-Freiheit – zwei türkischen Herzensanliegen - kann Erdogan in naher Zukunft Bewegung erwarten. Was beide Seiten sich jedenfalls nicht vorwerfen können, ist: Zu wenig Klartext geredet zu haben. Immerhin: Man wird weiter miteinander sprechen. Und hat vor, sich wieder zu treffen: Nach Angaben der bulgarischen Gastgeber bereits im Juni. Denn eins wissen beide Seiten: Sie brauchen einander – auch wenn der Brückenbau über den Graben, der EU und Türkei im Moment trennt, mühsam ist.