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Treibhausgas aus Kläranlagen reduzieren
Lachgas energetisch nutzen

Kläranlagen setzen klimaschädliches Lachgas frei. Ingenieure haben nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem das unerwünschte Klärgas in die Biogas-Verwertung eingeschleust werden kann. Damit lässt sich nicht nur der Treibhauseffekt minimieren.

Von Volker Mrasek | 31.05.2019
Ein Mitarbeiter der Zentralkläranlage in Büttelborn/ Hessen geht über eine Brücke, die über ein Klärbecken führt
Lachgas ist laut Umweltingenieur Weißbach für rund 80 Prozent der Klimabelastung durch den Klärwerksbetrieb verantwortlich (picture alliance/ dpa/ Frank Rumpenhorst)
Der hohe Gehalt von Stickstoff im Urin - und später dann auch im Abwasser - ist das Problem. In der Kläranlage landet er in Form von Ammoniumsalzen. Die werden von Bakterien stufenweise ab- und umgebaut. Am Ende sollte daraus eigentlich nur harmloser molekularer Stickstoff entstehen, wie er auch in der Luft vorkommt. Doch bei der biologischen Reinigung entweicht auch Lachgas. Nicht viel, aber die Substanz ist ein Treibhausgas und gut dreihundertmal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.
"Das kann man nicht pauschalieren für alle Kläranlagen der Welt. Aber ist es ist wohlbekannt: Eine schlecht eingestellte Kläranlage kann Betriebsbedingungen haben, wo sehr viel Lachgas freigesetzt wird."
Lachgas energetisch nutzen
Jörg Drewes möchte das per se vermeiden. Der Umweltingenieur ist Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der TU München. An seinem Lehrstuhl wurde jetzt ein alternativer biologischer Reinigungsprozess entwickelt. Dabei wird das Lachgas nicht nur zurückgehalten, sondern auch noch energetisch genutzt.
Normalerweise oxidieren die bakteriellen Putzkolonnen das Ammonium im Abwasser zunächst zu Nitrat, und das wird dann von anderen Mikroben in Luft-Stickstoff umgewandelt. Das Münchener Verfahren läuft anders: Es arbeitet mit einer abgewandelten Prozesskette und Bakterien-Sorten, die Ammonium am Ende ganz gezielt in Lachgas umwandeln:
"Das kitzeln wir hier raus, wo man natürlich erstmal denkt: Na, das kann ja nicht gut sein! Aber wenn wir dieses Lachgas vollständig aus diesem Wasser herausbekommen, dann kann man das sehr gezielt abziehen. Dann hätten wir einen konzentrierten Strom von Lachgas, den wir in die Biogas-Verwertung einschleusen können. Und das haben wir auch zeigen können, dass das funktioniert."
Biogas! Viele Kläranlagen produzieren es schon heute, in großen Faulgas-Behältern. Darin tummeln sich ebenfalls Bakterien. Sie vergären den ganzen Schlamm, der in Kläranlagen anfällt. Dabei entsteht Methan, ein Energieträger. Man nutzt ihn als Brennstoff in Blockheizkraftwerken. Jörg Drewes‘ Plan ist es, das Lachgas aus den Abwasserströmen in die Biogas-Verwertung einzuschleusen – als Oxidationsmittel, das die Energieausbeute erhöht.
Dreifache Nutzung durch den neuen Klärprozess
"Wenn Sie Lachgas nehmen, dann haben Sie eine Energieausbeute, die ungefähr 38 Prozent höher liegt, als wenn Sie Sauerstoff nehmen zur Verbrennung."
Durch den neuen Klärprozess ließen sich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen, sagt Max Weißbach, bis vor kurzem Doktorand an der TU München und inzwischen Planungsingenieur beim Ruhrverband in Essen:
"Ich bereite mein Abwasser auf. Ich generiere Energie. Und ich eliminiere diese Treibhausgas-Emissionen, das heißt es ist ein Alleinstellungsmerkmal, was so bisher auch nicht verfügbar ist, in keinem Prozess."
Auch Weißbach ist Umweltingenieur. Das neue Verfahren erprobte er in einem Laborreaktor. Dabei zeigte sich: Man kann das Lachgas sehr gut aus dem Abwasser herausbekommen, mit Hilfe gasdurchlässiger Membranen. Und: Man braucht keine exotischen Bakterien! Sie sind schon heute in Kläranlagen vorhanden. Man muss sie nur richtig dressieren. Dabei halfen den Ingenieuren Mikrobiologen der Stanford University in den USA.
Als nächsten Schritt plant Jörg Drewes jetzt eine Pilotanlage im größeren Maßstab:
"Es ist noch nicht spruchreif, aber wir sind im Gespräch mit verschiedenen Betreibern in Nordrhein-Westfalen, die da Interesse angemeldet haben."
Die vielleicht größte Hürde ist aber schon genommen, wie Max Weißbach andeutet. Man habe zeigen können, dass das Verfahren sicher und stabil laufe:
"Aus betrieblicher Sicht kann man sagen, dass die Prozessstabilität natürlich eine sehr große Rolle spielt. Ich könnte mir vorstellen, dass es konkurrenzfähig ist. Gerade aufgrund der Betriebssicherheit."
Laut Weißbach ist Lachgas im Schnitt für 80 Prozent der Klimabelastung durch den Klärwerksbetrieb verantwortlich. Auch das ist ein Argument für das neue Verfahren der TU München, sollte es sich im größeren Anlagenmaßstab bewähren. Selbst wenn dafür zusätzliche Investitionen nötig sein dürften: Letztlich müssen alle Industriezweige von ihren Treibhausgas-Emissionen runter.