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Trevor-Roper
Hitler war sein Schicksal

Das Buch über "Hitlers letzte Tage" wurde ein Weltbestseller und begründete den internationalen Ruf des britischen Historikers Hugh Trevor-Roper, der vor hundert Jahren geboren wurde. Viel von diesem Renommee verlor er später allerdings: Als der "Stern" 1983 die "Tagebücher" des deutschen Diktators vorstellte, bezeugte Trevor-Roper zunächst ihre Echtheit, ehe er eingestehen musste, auf eine Fälschung hereingefallen zu sein.

Von Peter Hölzle | 15.01.2014
    Der britische Historiker und Hitler-Experte Hugh Trevor-Roper (links) und der amerikanische Geschichtsprofessor Gerhard Ludwig Weinberg sitzen während der Pressekonferenz des Hamburger Magazins "Stern" am 25. April 1983 hinter einem Tisch auf dem mehrere Mikrofone stehen.
    Hitler-Experte Hugh Trevor-Roper (links) 1983 bei einer Pressekonferenz des "Stern": Da hielt er die gefälschten Tagebücher noch für echt. (picture-alliance / dpa)
    "Im Februar 1945 war jede Hoffnung geschwunden, und selbst Hitler musste es zugeben. Durch den nicht abgesprochenen Angriff auf Griechenland hatte der um Hilfe rufende Mussolini Hitler zum Eingreifen auf dem Balkan gezwungen und auch noch zu einem fünfwöchentlichen(!) Aufschub des Russlandfeldzuges. 'Dieser idiotische Griechenlandfeldzug' rief er. 'Wenn es bei einem von Deutschland, und nicht von der Achse, geführten Krieg geblieben wäre, würden wir am 15. Mai 41 in der Lage gewesen sein, Russland anzugreifen. Weil unsere Heere nichts als Siege kannten, hätten wir den Feldzug vor Winteranfang beenden können.'
    Selbst am Tage vor seinem Tode in seinem Berliner Bunker schickte er eine Botschaft an die Wehrmacht. In dem letzten Satz heißt es: 'Die Aufgabe ist und bleibt, für das deutsche Volk Raum im Osten zu gewinnen.'“
    Als Hugh Trevor-Roper am 29. November 1959 vor Studenten der Münchner Universität über Hitlers Kriegsziele sprach, war der Oxford-Professor für Neuere Geschichte längst eine weit über den angelsächsischen Raum hinaus bekannte Koryphäe. Berühmt gemacht hatte ihn ein 1947 erstmals erschienenes Buch, das inzwischen zu einem in viele Sprachen übersetzten und in mehreren Auflagen vorliegenden Weltbestseller avanciert war. "The last days of Hitler"- "Hitlers letzte Tage", so der deutsche Titel, ist im Wesentlichen die detailgenaue und spannend erzählte Chronik des Lebens im Führerbunker der Reichskanzlei während der zweiten Aprilhälfte des Jahres 1945 bis zu Hitlers Selbstmord am 30. April.
    Den kriminalistischen Scharfsinn des Spionageabwehroffiziers verbindet Trevor-Roper mit der eleganten, bisweilen sarkastisch zuspitzenden Feder, die britische Historiker nicht selten auszeichnet. Anlass für sein Standardwerk über die Auflösung des Dritten Reiches bot eine Diktatorenlaune. Entgegen bereits vorliegenden Rechercheergebnissen russischer Offiziere bezweifelte Stalin Hitlers Tod und suggerierte sein Untertauchen im Westen. Trevor-Roper dazu in der Einleitung seines Buches:
    "Im September (1945) gingen die Russen (…) noch weiter. Sie beschuldigten die Engländer, Hitler und Eva Braun in der britischen Zone zu verbergen. Zu diesem Zeitpunkt beschloss der britische Nachrichtendienst in Deutschland, alles erreichbare Beweismaterial zu sammeln und, wenn möglich, die Wahrheit zu ermitteln (…). Zur Durchführung dieser Aufgabe bestimmte man mich. In der britischen Zone wurden mir alle möglichen Erleichterungen gewährt, und die amerikanischen Behörden in Frankfurt boten mir (…) sofort an, von ihrem gesamten Material Gebrauch zu machen."
    Hatte Trevor-Roper dank dieser Hilfestellung ideale Arbeitsbedingungen für seinen späteren spektakulären Bucherfolg, der ihn zu einem reichen Mann und in Fachkreisen hochangesehenen Gelehrten machte, so war ihm mit Hitler auf Dauer kein Glück beschieden. Als am 25. April 1983 das Magazin "Stern" mit Hitlers "Tagebüchern" eine "Weltsensation" präsentierte, bezeugte der zum Gutachter bestellte Brite zunächst die Echtheit der Tagebücher, ehe er einräumen musste, dass er einer Fälschung aufgesessen war:
    "Der Grund, aus dem ich meine Meinung geändert habe … ist einfach der, dass ich nicht mehr glaube, … dass die Herkunft der Dokumente tatsächlich etabliert worden ist."
    Den Makel dieses Fehlurteils, nicht des einzigen in einem langen Gelehrtenleben, ist Hugh Trevor-Roper bis zu seinem Tod 2003 nicht mehr losgeworden. Auch deshalb nicht, weil einige seiner Kollegen, die einstmals Opfer seiner ätzenden, mitunter bösartigen Kritik geworden waren, jetzt voller Schadenfreude zurückschlugen. In der Tat war der am 15. Januar 1914 in Glanton/Northumberland geborene Sohn eines Landarztes ein streitbarer Professor, als Rezensent genauso gefürchtet wie als Debatter. Aber, er war auch ein glänzender Essayist und Meister der kleinen Form. Nur das große Werk über England im 16. und 17. Jahrhundert, seinem eigentlichen Spezialgebiet, das die Fachwelt von ihm erwartete, hat er nie geschrieben.