Nach Todesfall bei Ironman-EM
Großes Interesse, aber wenige Sicherheits-Regeln

Nach dem tödlichen Unfall beim Ironman in Hamburg wird viel über die Sicherheit von Radstrecken diskutiert. Regeln gibt es dafür kaum – dafür ein immer größeres Interesse. Das wird auch für einige Athletinnen und Athleten zum Problem.

von Christian von Stülpnagel |
Triathleten fahren auf dem Rad an der Unglückstelle auf dem Gaueter Hauptdeich vorbei. Die Stelle ist mit gelber Farbe markiert.
Triathlon-Europameisterschaft in Hamburg: Die Athleten fahren auf dem Rad an der Unglückstelle auf dem Gaueter Hauptdeich vorbei. (Georg Wendt / dpa / Georg Wendt)
Eine gerade Strecke mit weiter Sicht, immer hinter dem Hamburger Elbdeich entlang. Wie es an dieser Stelle vor einer Woche zu dem tödlichen Unfall beim Hamburg-Ironman kommen konnte, ist noch immer unklar.
Denn auch wenn auf der Straße die Athlet*innen in beide Richtungen unterwegs waren und die Straße recht schmal war – das Streckenkonzept war mit allen Verantwortlichen abgestimmt, betont Oliver Schiek von Ironman Germany, dem Veranstalter des Rennens.
Es hätten „Experten bei uns aus dem Haus von Anfang an in Abstimmung mit den Behörden, sprich der Polizei und Verkehrsbehörde, das Konzept erarbeitet. Das Konzept wird dann auf Herz und Nieren geprüft, befahren, mit dem Auto, mit dem Fahrrad.“

Kaum Regeln für das Sicherheitskonzept einer Strecke

Und in mehreren Schritten von der Verkehrsbehörde überprüft, überarbeitet und mit der Veranstaltung final genehmigt. Und auch Andrew Messick, Chef der in Amerika ansässigen Muttergesellschaft Ironman-Group, betont im Podcast des Triathlon-Magazins Slowtwitch: "Wenn es nicht sicher wäre, würden wir kein Rennen fahren."
Aber wenn es um die Sicherheit auf den Strecken bei Triathlons geht, spielt immer auch das Bauchgefühl eine Rolle. Denn handfeste Regeln, wie etwa die Radstrecke aussehen darf, gibt es nicht. Keine Gradzahl für die Schärfe von Kurven, keine Mindestbreite für die Fahrbahn.
„Wir schreiben eigentlich nur, dass eine Pulkbildung der Teilnehmer nicht begünstigt werden soll, also breite Straßen, anspruchsvolle Topographie. Dann Teil- oder Vollsperrung der Strecke und das ist eigentlich auch schon alles, was wir dazu sagen", erklärt Jan Philipp Krawczyk, der sich bei der Deutschen Triathlon Union um das Veranstaltungswesen kümmert.

Zusammenarbeit mit Behörden funktioniere gut

Zwar sei nicht die DTU, sondern das privatwirtschaftliche Unternehmen Ironman für den Triathlon in Hamburg zuständig gewesen. Aber das Konzept, vor Ort mit den Behörden die Strecken zu entwickeln, funktioniere: „Zusammen mit dem Veranstalter, der in der Regel auch eine große Expertise besitzt, und den Behörden, die dann die Rahmenbedingungen kennen, zusammen die Strecke zu erarbeiten, hat sich in meinen Augen auf jeden Fall bewährt.“
Ähnlich beschreibt es auch Felix Walchshöfer, der Organisator der „Challenge Roth“. Der weltweit bekannte Triathlon in der Nähe von Nürnberg soll in zwei Wochen starten. Und  für Walchshöfer spielt auch die Fairness beim Thema Sicherheit eine Rolle:
„Die Athleten müssen einen Abstand von 12 Metern haben, aber ein Windschatteneffekt geht natürlich auch von den Motorrädern aus, sodass wir beschlossen haben, die Anzahl der Pressemotorräder um vierzig zu reduzieren, um für ein noch faireres Rennen zu sorgen. Und mit dem Aspekt Fairness geht natürlich immer auch der Aspekt Sicherheit einher.“

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Schon bei der WM hatte es einen schweren Unfall gegeben

Beim Rennen in Hamburg wurde auch das bemängelt: Zu viele Motorräder bei der Spitzengruppe. Ähnliches ist auch dem Triathleten Andreas Dreitz schon zum Verhängnis geworden, vor einem Jahr, bei der Ironman-WM in Utah:
„Im Endeffekt waren es drei Motorräder, die stark gebremst haben. Vor allem in einer schnellen Abfahrt, wo man sich eigentlich drauf verlässt, okay: Hier geht’s nur geradeaus. Da stand ich voll auf der Bremse, konnte aber natürlich nicht rechtzeitig anhalten und bin auf das Motorrad drauf gefahren.“
Dreitz erleidet eine schwere Muskelverletzung, bangt zwischenzeitlich sogar um seine Leistungssport-Karriere. In zwei Wochen möchte er aber in Roth am Start stehen. Die wachsende Popularität im Triathlon kann laut ihm eine Herausforderung sein:
„Es gibt natürlich schon Tendenzen, dass das Medieninteresse größer geworden ist, dadurch ist die Anzahl der Motorräder größer geworden. Dass die Rennen dichter geworden sind, also dass die Athleten dichter beieinander da sind, und das führt natürlich zu engeren Verhältnissen, oder dass man einfach mehr Vorsicht walten lassen muss, weil Vorher mehr Platz da war.“

Abwägung zwischen Vermarktung und Sicherheit

Das findet auch auch Laura Philipp, amtierende Europameisterin auf der Triathlon-Langdistanz. "Wir brauchen ganz klare Regeln, wann Motorräder neben Athleten fahren dürfen, wie lang sie daneben fahren dürfen, wo es Engstellen gibt, wo Motorräder komplett von der Strecke verschwinden müssen."
Und Philipp ergänzt: „Das gesteigerte Medieninteresse ist für unseren Sport natürlich toll, und das ist auch mir als Athletin natürlich super wichtig, weil es auch dazu beiträgt, dass auch ich mich super vermarkten kann. Aber es darf eben nicht zu Lasten der sportlichen Fairness oder natürlich auch der Sicherheit von Athleten gehen.“
Für Felix Walchshöfer von der Challenge Roth ist die wachsende Popularität der Rennen aber kein Problem, solange die Sicherheit an erste Stelle stehe: "Wir sind sicher, dass wir dem gesteigerten Interesse dem Triathlon-Sport gegenüber Rechnung tragen können, aber das Ganze eben sicher."
Trotzdem soll bald über die Sicherheit von Radstrecken bei Triathlons diskutiert werden – bei einem Meeting am Rande der Weltmeisterschaft über die Sprintdistanz im Juli, wieder in Hamburg. Ein Termin, bei dem es eigentlich um Triathlon allgemein gehen sollte und der schon vor dem Unfall geplant war – der jetzt aber an Brisanz gewonnen hat.