Unfalltod bei Ironman-EM
Ironman nennt Rennfortsetzung "beste Lösung", Sportler fordern Änderungen

Die World Triathlon Corporation, der die Marke Ironman gehört, hat nach dem Unfalltod eines Motorradfahrers die Fortsetzung des Rennens als "beste Lösung" bezeichnet. Sportler fordern Änderungen für mehr Sicherheit.

Von Chaled Nahar | 06.06.2023
Mit Gegenverkehr: Die Unglücksstelle beim Triathlon in Hamburg.
Mit Gegenverkehr: Die Unglücksstelle beim Triathlon in Hamburg. (Georg Wendt / dpa / Georg Wendt)

Wo und wie hat sich der Unfall zugetragen?

Der Unfall ereignete sich in Hamburg-Ochsenwerder am Spadenländer Hauptdeich. Es ist eine gerade Strecke, die gut einsehbar ist. Allerdings ist die Straße nicht sehr breit. Und wie an mehreren anderen Teilen der Strecke kommen sich die Fahrer und die begleitenden Fahrzeuge wie die Motorräder nach dem Wendepunkt der Strecke entgegen.
Ein Videomitschnitt legt nahe, dass der Motorradfahrer in den Gegenverkehr fuhr und dort mit dem Triathleten zusammenstieß. Der genaue Hergang ist allerdings noch nicht geklärt. "Zur Unfallursache liegen noch keine weiteren Erkenntnisse vor", teilte die Polizei Hamburg mit.
Der 70 Jahre alte Motorradfahrer starb noch am Unfallort. Der 26 Jahre alte Triathlet wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht und ein 50-jähriger Fotograf muss mit einem Schock ebenfalls ins Krankenhaus.

Wer hat die Strecke genehmigt?

Ein Sprecher der Stadt Hamburg teilte dem Deutschlandfunk mit, dass das Hamburger Bezirksamt Mitte unter Berücksichtigung von Stellungnahmen von "Fachdienststellen anderer Behörden" und auch in Zusammenarbeit mit der Polizei das Sicherheitskonzept und die Strecke genehmigt habe. Der Veranstalter habe "feststehende Szenarien im Sicherheitskonzept entwickelt, um beispielsweise in Unfallsituationen unmittelbar handeln zu können".
Der deutsche Triathlet Jan Frodeno kritisierte das Rennen in der ARD als "Farce". "Es war einfach so unfassbar eng, da dürfen keine Motorräder sein", sagte Frodeno. Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU), sagte im Deutschlandfunk, dass die Strecke seit 2017 unverändert sei, es habe dort keine schweren Unfälle gegeben. Er schränkte aber ein: "An der Stelle ist es objektiv gesehen eng." Grundsätzlich nahm Engelhardt die Organisatoren in Schutz: "Das kann bei jedem Wettkampf passieren. Das kann auch bei uns passieren. Es gibt andere Wettkämpfe, wo es auch Todesfälle gegeben hat, beim Triathlon."
Hamburg ist erfahren mit solchen Veranstaltungen. Seit 1996 findet in Hamburg jährlich das Straßenradrennen Cyclassics statt. Die Triathlon-EM, bei dem es zu dem Unfall kam, wird von "Ironman Germany" veranstaltet und wurde 2017 erstmals in Hamburg gestartet. "Ironman Germany" ist auch Veranstalter eines anderen Rennens. Der Hamburg Triathlon, der über die olympische Distanz und die Sprintdistanz ausgetragen wird, findet seit 2002 jährlich statt.

Warum wurde das Rennen nicht abgebrochen?

Die Polizei sperrte die Rennstrecke ab, und leitete die Teilnehmenden um. Sie mussten ihre Räder über einen Deich tragen. Das Rennen wurde aber bis zum Ende durchgezogen. Christoph Holstein, Hamburger Staatsrat für Inneres und Sport, sagte im NDR, dass die Entscheidung über einen Abbruch beim Veranstalter "Ironman Germany" liege. Neben der Ironman-EM der Profis - die von keinem Verband als solche legitimiert ist - findet das Jedermann-Rennen als rein kommerzielle Veranstaltung statt. Dabei zahlen die Sportlerinnen und Sportler mehr als 600 Euro Startgebühr. Im Vorfeld waren 3.000 Teilnehmende angekündigt worden.
Holstein sagte, dass der Veranstalter in einem Dilemma gesteckt habe. "Er muss auch die Interessen der Sportlerinnen und Sportler im Auge haben, die sich teilweise jahrelang vorbereitet haben." Die Polizei könne eine solche Veranstaltung nur abbrechen, wenn akut weiter "Gefährdung für Leib und Leben gibt", sagte Holstein. Ansonsten könne die Polizei nicht eingreifen, sagte Holstein.

Wer hat diese Entscheidung getroffen und warum?

Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU), sagte im Deutschlandfunk, dass die Entscheidung durch "das Team um Oliver Schiek", dem Chef von "Ironman Germany", in Hamburg getroffen worden sei. Die Veranstalter hätten aber eine Verantwortung für die Sicherheitslage gehabt. "Das wäre relativ unkalkulierbar geworden, nach der Aussage der Organisatoren." Ein Zusammenhang der Entscheidung zur in Florida ansässigen World Triathlon Corporation, der die Marke Ironman gehört, habe nicht bestanden, so Engelhardt.
Die World Triathlon Corporation antwortete am späten Montagabend auf eine Anfrage des Deutschlandfunks. Die Entscheidung, die Veranstaltung fortzusetzen, sei in Absprache mit den örtlichen Behörden und den Rennleitern getroffen worden. "Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Vorfall an einer Stelle auf der Strecke ereignete, an der ein Abbruch des Rennens zu weiteren Sicherheitsrisiken und Herausforderungen hätte führen können, war man sich voll und ganz darin einig, dies zuzulassen." Angesichts der Umstände sei es "die beste Vorgehensweise" gewesen. Es sei auch die respektvollste Lösung für die Athleten gewesen, weil viele von ihnen schon vor Monaten mit den Vorbereitungen begonnen hätten.

Welche Konsequenzen folgen aus dem Ereignis?

Vom 13. bis 16. Juli findet der Hamburg Triathlon statt. Dort gibt es Rennen über die olympische Distanz und die Sprintdistanz, die im Einzel und in der Staffel ausgetragen werden. Über den Teil der Strecke, auf dem der Motoradfahrer starb, führen die geplanten Radrennen nicht. Allerdings sind auch dort wieder Abschnitte mit Gegenverkehr nach dem Wendepunkt im Rennen vorgesehen. Staatsrat Holstein kündigte an, dass Hamburg sich "unter Sicherheitsaspekten die Gesamtplanung nochmal ansehen" werde. Das gelte auch für zugelassene Zahl von Motorrädern. Die Stadt Hamburg teilte dem Deutschlandfunk mit: "Aufgrund der tragischen Vorkommnisse wird eine zeitnahe Neubewertung für sportliche Großveranstaltungen hinsichtlich der Streckenführung und Sicherheitsvorgaben vorgenommen."
In Deutschland steht am 25. Juni im mittelfränkischen Roth ein weiterer Triathlon an. Die Veranstalter dort betonten, es keine Strecken mit Gegenverkehr gebe. "Wir versuchen, immer breite Straßen zu wählen", sagte Geschäftsführer Felix Walchshöfer dem Bayerischen Rundfunk. Zudem seien dort grundsätzlich weniger Motorräder im Einsatz.
"Wir brauchen Änderungen - und zwar sofort!", schrieb die deutsche Triathletin Laura Philipp bei Instagram. Der französische Traithlet Denis Chevrot schrieb: "Dieses Drama darf nicht sinnlos bleiben."