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"Trotz Doppelspitze am Ende für beide die ganze Verantwortung"

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast hat sich überzeugt geäußert, dass die Parteibasis die Entscheidung für ihre gemeinsame Spitzenkandidatur mit Jürgen Trittin bei der Bundestagswahl 2009 unterstützt. Es gebe seit "Wochen und Monaten auch den Wunsch aus der Basis", eine Doppelspitze aufzustellen, sagte Künast.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Heinlein: Aufbruch zu neuen Ufern mit alten Namen. Renate Künast und Jürgen Trittin sollen als Doppelspitze die Grünen in die Bundestagswahl 2009 führen. So will es die Parteispitze. Eine Urabstimmung findet nicht statt. Stattdessen soll ein Parteitag im Herbst das letzte Wort haben. Ein Duett soll also künftig den Weg der Grünen weisen. Noch ist die Richtung offen. Während in Wiesbaden ein breites linkes Bündnis offen diskutiert wird, könnte in Hamburg erstmals ein schwarz/grünes Experiment gewagt werden. Hier links blinken, dort rechts abbiegen; die neue Strategie der Grünen bleibt abzuwarten, zumal seit gestern klar ist: der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer wird im Herbst sein Amt aufgeben.

    Viele Aufgaben also für Fraktionschefin Renate Künast als wahrscheinlicher Teil der Doppelspitze. Guten Morgen Frau Künast!

    Künast: : Guten Morgen Herr Heinlein!

    Heinlein: Haben Sie und Jürgen Trittin ihren Parteivorsitzenden aus dem Amt getrieben?

    Künast: : Reinhard Bütikofer hat seit vielen Jahren gezeigt, dass er sich sehr interessiert für internationale und europäische Politik. Er war entsprechend auch viel unterwegs, hat mitgearbeitet an entsprechenden Konzepten. Europa hat ihn immer gereizt und wir alle wissen, dass die europäische Politik wichtiger ist für das Nationale als oftmals angenommen. Nach zwei, drei Ansätzen und Anläufen will er es diesmal noch mal ernsthaft versuchen und dann im Januar auf dem Parteitag für das Europäische Parlament kandidieren.

    Heinlein: Ist es denn ein Zufall, dass Reinhard Bütikofer seinen Abschied just an dem Tag ankündigt, an dem die neue Doppelspitze installiert wird?

    Künast: : Ihre Berufsgruppe, nämlich alle Journalistinnen und Journalisten, hätten ihn sicherlich an dem Tag gelöchert "Und was ist mit dem Parteivorsitzenden?", also ihn und Claudia Roth gelöchert. Insofern glaube ich ist es zeitlich logisch, es an dem Tag zu sagen, nach den erfolgten Landtagswahlen und als sagen wir mal klare Aussage, weil ab jetzt ja diese Kandidatenfragen für den Bundesvorstand losgehen.

    Heinlein: Wird denn Claudia Roth künftig allein die Partei führen, oder steht fest, dass es auch dort künftig eine Doppelspitze geben wird?

    Künast: : Also ich sehe keinen, der jetzt die Doppelspitze für den Bundesvorstand in Frage stellt und das gibt uns ja insgesamt auch die Möglichkeit, eine Mischung hinzukriegen, nämlich von erfahrenen Personen. Und denken Sie daran: Wir haben auch das Ziel, wieder grüne Politik in einer Bundesregierung umzusetzen. Da macht es schon Sinn, sowohl erfahrene Personen auch mit viel Berufspraxis auch als Minister zu haben und auf der anderen Seite ebenso ein Stück Verjüngung zu haben. Also die Mischung macht's!

    Heinlein: Haben Sie Angst, dass die Grünen grau werden ohne diese Erneuerung?

    Künast: : Du meine Güte! Jetzt fangen wir doch bitte schön nicht an, in dieser Gesellschaft so zu tun als sei das Alter von 50 ein graues Alter, an dem das Leben endet. Ich glaube der Trend geht gerade umgekehrt herum. Wir sind eine Mehr-Generationen-Partei. Wir haben viele junge Leute bei uns.

    Ich muss mal sagen kein Mensch fragt uns, ob Angela Merkel 2009 wieder kandidieren darf, weil sie schon so lange in der Bundespolitik ist und schon über 50. Also lassen wir die Kirche im Dorf! Aus jeder Generation müssen Leute dabei sein, sind Leute dabei, tragen im Bund und in den Ländern Verantwortung. Da haben wir das jugendliche Ungestüme. Manche sind so alt, dass sie auch schon wieder ungestüm sind, und mittendrin ist Erfahrung. So ein Land kann man auch nur mit Erfahrung umbauen.

    Heinlein: Welches junge Gesicht, Frau Künast, haben Sie denn zu bieten? Es muss ja ein Realo sein. Tarek Al-Wazir oder Boris Palmer? Mehrere Namen sind ja im Gespräch.

    Künast: : Jetzt muss ich Ihnen, Herr Heinlein, mal ein Beispiel dafür geben, was politische Erfahrung heißt. Das ist ein klassischer Punkt, an dem ich sage, ich führe nicht mal ein Selbstgespräch aus Sorge, abgehört zu werden. Ich rate dazu, jetzt mal in aller Ruhe, weil Reinhard Bütikofer ist noch Parteivorsitzender, intern sich Gedanken über das Thema zu machen und jetzt nicht sämtliche Pferde irgendwie scheu zu machen, insbesondere wenn verschiedene Leute Ämter haben. In der Ruhe liegt die Kraft.

    Mich interessiert jetzt als nächstes, wie wir weiter unsere Schwerpunkte aufbauen, wie wir klar zeigen, dass wir den Umbau in die solare Gesellschaft vorbereiten, für den eben nicht nur das Gerede über Klimaschutz und Energiesicherheit ausreicht, sondern dass man sich auch wirklich ranbewegen muss, dass man alte Strukturen aufbrechen muss. Denken Sie mal an das Desaster, das die Regierung gerade in Brüssel erlebt mit E.On. Die kämpfen dort noch darum, dass es keine Trennung von Netz und Produktion gibt, kümmern sich nicht um die Endverbraucherpreise - und E.On macht es plötzlich doch und sagt, sie verkaufen. Darin liegt doch die Spannung. Darin liegen Arbeitsplätze und unser aller Lebenshaltungskosten. Darum geht es doch!

    Heinlein: Frau Künast, dann beantworten Sie mir als erfahrene Politikerin doch vielleicht die Frage, warum es an der Parteispitze eine Verjüngung geben muss, aber Sie für die Bundestagswahl 2009 nun mit einer Doppelspitze antreten? Da sind ja mit Ihnen und Jürgen Trittin nur alte Namen im Gespräch.

    Künast: : Ich habe nicht gesagt "an der Parteispitze geben muss", sondern dadurch, dass Reinhard Bütikofer gesagt hat, er kandidiert nicht wieder, ist hier diese Möglichkeit offen. Ansonsten sage ich Ihnen gerne noch mal: Ich glaube, dass es richtig ist, dass Jürgen Trittin und ich als sage ich mal sehr erfahrene Personen mit unterschiedlichen Schwerpunkten auch vorne stehen und helfen können, im Dienste der Gesamt-Grünen zu ziehen. Ich mache dieses Alter-Thema ehrlich gesagt nicht mit. Es geht um die Frage, dass Leute Erfahrung haben, dass sich Grüne damit identifizieren können.

    Heinlein: Sind Sie denn froh, Frau Künast, dass sie als Doppelspitze nur die halbe Verantwortung tragen müssen? Es halten sich ja hartnäckig die Gerüchte, dass Sie es lieber alleine gemacht hätten.

    Künast: : Ich glaube trotz Doppelspitze ist es am Ende für beide die ganze Verantwortung. Es ist jetzt so! Ich finde es ist für die Grünen eine richtige Entscheidung, weil wir dann nämlich nicht uns mit der Frage beschäftigen und darauf konzentrieren müssen, uns erst mal sozusagen auseinander zu dividieren, um uns darzustellen, sondern uns jetzt mit der Frage beschäftigen können, was sind die grünen Antworten als Alternative auf die Antworten, die die anderen Parteien geben.

    Heinlein: Warum haben Sie sich denn nicht dem Votum der Basis gestellt? Ist die Basisdemokratie für die Grünen auch nicht mehr so wichtig wie in der Vergangenheit?

    Künast: : Wenn wir uns das mal genau anschauen, höre ich seit diversen Wochen und Monaten auch den Wunsch aus der Basis, hier zum Beispiel zu einer Doppelspitze zu kommen und das gemeinsam zu machen. Ich sehe und höre das quer durch. Ich war viel unterwegs in den Landtagswahlkämpfen und im bayerischen Kommunalwahlkampf, wo wir auch gefragt waren, also Jürgen Trittin und ich gefragt waren und die Leute gesagt haben sie kommen zu uns, weil ihr steht auch als Personen für etwas, vor allen Dingen auch glaubwürdig dafür, dass ihr das, worüber ihr redet, auch umsetzen könnt an der Stelle. Ich glaube das ist schon mal etwas, was uns im wahrsten Sinne des Wortes tragen wird.

    Heinlein: Eine der strategischen Grundfragen Ihrer Partei ist die künftige Zusammenarbeit mit der CDU. Sind Sie denn bei schwarz/grün mit Jürgen Trittin einer Meinung?

    Künast: : Wir sind einer Meinung, dass es auf den Inhalt ankommt. Das sage ich ganz klar. Wenn die Wählerinnen und Wähler zum Beispiel ein Fünf-Parteien-System offensichtlich konstant wählen, stellen sich im wahrsten Sinne des Wortes andere Fragen. Es stellt sich ja insbesondere auch auf der anderen Seite hinsichtlich der Partei Die Linke die Frage und genau da kommt es darauf an und ich glaube die Grünen sind eigentlich da sehr weit vorne. Wir sind eingestellt. Wir zuckeln nicht hin und her auf dem Punkt, dass es dieses Fünf-Parteien-System gibt. Das können Sie daran erkennen, dass nicht wir, sondern andere diejenigen sind, die sich in Hessen schwer tun. Und dass wir auch in Hamburg sagen, das Parlament ist jetzt so wie es ist und man kann den Wählern nicht ständig über Neuwahlen helfen, deshalb wird es dort Gespräche mit der CDU geben. Das ändert nichts daran, dass unsere Präferenz immer eine rot/grüne wäre.

    Heinlein: Und wenn es nicht reicht, können Sie sich schwarz/grün oder Jamaika auch für den Bund vorstellen? Können Sie sich vorstellen, mit Guido Westerwelle gemeinsam an einem Kabinettstisch Platz zu nehmen?

    Künast: : Es geht ja gar nicht darum, wie rege meine Fantasie an der Stelle wäre, Herr Heinlein. Jamaika wäre immer das aller, aller schwierigste, weil dann natürlich die neoliberale FDP noch dabei wäre. Da komme ich an die Grenzen meiner Fantasie. Aber ich glaube, dass diese ganze Farbenlehre am Ende eine Kaffeesatzleserei ist. Sie können bestimmte Dinge nicht ausschließen, aber der Kern ist doch, dass ein grüner Inhalt drin ist.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk die Fraktionschefin der Grünen Renate Künast. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Künast: : Auf Wiederhören!