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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
"Für die gesamte Nation beschämend"

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Jackson Janes ist bestürzt über die Unruhen in Washington und das gewaltsame Vorgehen der Trump-Anhänger. Die Frage sei nun, wie man Trumps Unberechenbarkeit in den letzten zwei Wochen seiner Amtszeit kontrollieren könne, sagte Janes im Dlf.

Jackson Janes im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Das US-Kapitol in Washington.
Anhänger von US-Präsident Donald Trump stürmten am Mittwoch das Kapitol in Washington (imago images | UPI Photo )
Am Mittwoch (06.01.2021) hatten Anhänger von US-Präsident Donald Trump zunächst vor dem Kapitol in Washington demonstriert und es dann gestürmt. Vier Menschen kamen bei den Unruhen ums Leben. Journalisten wurden attackiert. In Washington wurde am Abend eine Ausgangssperre verhängt. Das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung für Washington ausgesprochen.
United States President-elect Joe Biden delivers remarks from the Queen Theatre in Wilmington, Delaware on the unrest in and around the US Capitol in Wilmington, Delaware on Wednesday, January 6, 2021. In his remarks Biden condemned Trump for inciting the violence. Credit: Biden Transition via CNP
Ausschreitungen in Washington - "Joe Biden hat die Aufgabe, die Nation zu befrieden"
Die Publizistin Constanze Stelzenmüller ist sich sicher, dass die Unruhen in den USA noch nicht vorbei sind. Der noch amtierende US-Präsident Donald Trump zeige keine Einsicht und Teile der republikanischen Partei ständen noch immer hinter ihm, sagte sie im Dlf.
Hintergrund der Unruhen ist die Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden, der sich im November knapp gegen den amtierenden Präsidenten Donald Trump durchsetzen konnte. Trump hatte den Demokraten nach der Wahl Betrug vorgeworfen und war gegen Ergebnisse in einzelnen Bundesstaaten rechtlich vorgegangen – ohne Erfolg. Anlässlich der Amtseinführung des demokratischen Kandidaten Joe Biden zweifelten Teile der republikanischen Partei immer noch die Rechtmäßigkeit einzelner Wahlergebnisse an und machten das bei einer Sitzung zur Zertifizierung der Wahlergebnisse zum Thema.
Vor den Unruhen in Washington hatte Trump mehrfach zu seinen Anhängern gesprochen. Ein Tweet, in dem er später dazu aufrief "wieder nach Hause zu gehen" wurde von den Betreibern der Plattform gelöscht.

Einfluss Trumps nach Präsidentschaft

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Jackson Janes sieht die politische Lage in den USA sehr kritisch und macht sich auch Sorgen, um die Zeit nach Donald Trumps Präsidentschaft und dessen weiteren Einfluss auf die republikanische Partei. Im Dlf sagte Jackson: "Trump hat diese Partei beschlagnahmt." Die Frage sei nun, ob er er diese Macht noch ausüben könne, wenn er nicht mehr Präsident ist.

Tobias Armbrüster: Was geht Ihnen durch den Kopf oder was ist Ihnen durch den Kopf gegangen bei diesen ganzen Bildern, die da seit gestern aus dem Regierungsviertel in Washington gekommen sind
Jackson Janes: Ehrlich gesagt ein Satz von Christian Morgenstern: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Irgendwie strömen diese Leute durch das Haus und auch durch die Senatsräumlichkeiten. Wo normalerweise ich versucht hätte reinzukommen, wurde gecheckt von hinten bis vorne, dass sie frei herumgelaufen sind mit welchen Ausrüstungen wie auch immer, vielleicht mal mit einem Gewehr, das war mir unheimlich vorstellbar. Es war eigentlich dann für die gesamte Nation beschämend.
"Wir wussten, dass die kommen"
Armbrüster: Was ist Ihre Analyse, was sind das für Menschen, die das Kapitol da gestürmt haben, die es stundenlang besetzt haben?
Janes: Natürlich war das eine Masse von Leuten, die Trump-Anhänger waren, und die waren schon am Tag vorher da. Die Tatsache, dass sie da hingegangen sind, das hätte eigentlich dann schon besser vorbereitet werden müssen, aber auf jeden Fall waren das eigentlich die Trump-Anhänger, die angekündigt waren. Wir wussten, dass die kommen. Dann die Richtung, die sie eingeschlagen haben aufs Kapitol, das war unmittelbar nach einer Veranstaltung mit Trump. Trump hat die irgendwie so aufgepeppt, um zu sagen, sie müssen stark bleiben, sie müssen hin, sie müssen dort Stärke zeigen, und das haben sie als bare Münze genommen.
"Das hat mich enorm geärgert und bestürzt"
Armbrüster: Jackson Janes, Sie haben jetzt schon Christian Morgenstern zitiert, es gibt viele, die sagen, so etwas hat es in Living Memory nicht gegeben, in der gemeinsamen Erinnerung der Menschheit, das ist eigentlich etwas völlig Unvorstellbares. Deshalb vielleicht die etwas persönliche Frage auch an Sie: Was geht Ihnen da als Amerikaner durch den Kopf, als Bürger der USA, wenn Sie solche Szenen sehen?
Janes: Das ist eine große Verlegenheit für das Land, dass wir eigentlich dann so uns darstellen, als ein Ort der Demokratie und ein Leuchtturm gewesen sind, auch gerade für Deutschland übrigens, dass wir eigentlich das erlauben oder dass das zustande kommt, ein Einbruch in ein Heiligtum, das Kapitol, das ist für mich unvorstellbar. Die Tatsache, dass das gemacht wurde, mit Fahnen mit dem Namen Trump drauf, nicht amerikanische Fahnen, sondern Fahnen alle genannt nach Trump, das hat mich dann enorm geärgert und bestürzt.
"Was ist die Zukunft der republikanischen Partei?"
Armbrüster: Machen Sie sich Sorgen um Ihr Land?
Janes: Ja. Ich meine, die Tatsache ist, dass dieser Mann, der so unberechenbar gewesen ist in den letzten vier Jahren und noch zwei Wochen hat, bevor er nicht mehr im Amt ist, hätte eigentlich dann andere Möglichkeiten, die er eventuell vielleicht auf den Weg bringen könnte. Wer weiß, was das ist. Aber ich meine, auf der anderen Seite, auch wenn er nicht mehr im Amt ist, mache ich mir Sorgen, weil er wird nach wie vor an diese 74 Millionen Wählerstimmen denken und versuchen, von diesen Leuten nach wie vor irgendwas zu holen – sei es für sich selber, vielleicht ihn 2024 wieder mal als Kandidat aufzustellen, aber auf jeden Fall die Partei im Griff zu behalten. Und da ist eigentlich eine große Frage, was passiert nicht nur mit der gesamten Nation, aber was ist zum Beispiel die Zukunft der republikanischen Partei?
"Trump hat eine ganze Menge Macht"
Armbrüster: Lassen Sie uns zunächst mal auf die kommenden zwei Wochen blicken. Da haben wir jetzt heute Morgen schon in mehreren Berichten gehört, in Washington wird darüber diskutiert, Donald Trump doch noch, auch in diesen letzten Tagen, des Amtes zu entheben. Was ist von solchen Berichten, von solchen Debatten zu halten?
Janes: Es wird dann dringend von manchen Leuten gefragt ((gefordert)) oder zumindest vorgeschlagen, da er Commander-in-Chief ist und eine ganze Menge Macht hat in seiner Hand. Ich glaube, es wird sehr, sehr schwer, das zu organisieren. Es war sowieso schwer letztes Jahr, als wir das [unverständlich] in diesem Impeachment-Verfahren durchgezogen haben. Es ist, nun, kompliziert. Auf der anderen Seite aber ist die Frage, was kann man tun, um diese Unberechenbarkeit zu kontrollieren, und da ist eigentlich das Problem für die Partei, für den Kongress. Und vor allen Dingen komme ich noch mal drauf auf die republikanische Partei: Welchen Einfluss hätten sie auf diesen Mann noch, ihn irgendwie abzuhalten von irgendwas, was wir uns gar nicht mal vorstellen könnten, was ebenfalls heute nicht vorstellbar war.
"Leute, die nach wie vor von Trump hypnotisiert sind"
Armbrüster: Wie sehen Sie die aktuelle Lage bei den Republikanern? Die Sitzung im Senat läuft ja, wir haben schon einige Worte gehört von Republikanern, die sich ganz öffentlich von Trump lossagen. Ist das der Beginn einer Kehrtwende bei den Republikanern, oder ist es zu früh, das zu sagen?
Janes: Es ist zu früh zu sagen, aber es ist auf jeden Fall so, dass die Partei in sich so fragmentiert ist, dass man nicht genau weiß, was dann am Ende rauskommt. Tatsache ist, dass Trump diese Partei beschlagnahmt hat, und er hatte dann in diesen vier Jahren enorm Macht angeholt ((angehäuft)). Aber die Frage ist, nachdem er nicht mehr Präsident ist, kann er nach wie vor diese Macht ausüben, oder wird das dann von anderen Leuten vielleicht doch mal irgendwie als eine Möglichkeit für sich selber irgendwie zu benutzen. Und daher, heute Abend – nur als Notiz – haben nach wie vor eine ganze Menge Republikaner in dem Haus – nicht in dem Senat, sondern in dem House of Representatives – mit abgestimmt, dass die Ergebnisse von vier verschiedenen Bundesländern nicht anerkannt werden sollten, weil sie offensichtlich betrügerisch waren. Also, da sind nach wie vor Leute, die nach wie vor hypnotisiert sind von Trump, und die Frage ist, wie lange hält das dann noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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