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Trump in Nordkorea
"Es geht darum, wie die Welt aufgeteilt wird"

Dass der US-amerikanische Präsident die Grenze nach Nordkorea überschreitet, sei ein symbolischer Schritt, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Dlf. Jetzt käme es darauf an, wie die nächsten Schritte aussehen würden. Die Volksrepublik China habe ein großes Interesse, indirekt an Gesprächen beteiligt zu werden.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 01.07.2019
Rolf Mützenich, SPD
Der kommissarische SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (dpa-Bildfunk / Bernd von Jutrczenka )
Jörg Münchenberg: Es sind historische Bilder, da besteht gar kein Zweifel. Angeblich völlig spontan hat US-Präsident Donald Trump auf seinem Rückweg vom G20-Treffen im japanischen Osaka Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un getroffen und dabei erstmals nordkoreanischen Boden betreten. Aber auch in Washington werden die Bilder, wird der Besuch zwiespältig bewertet.
Im Studio ist jetzt der kommissarische Fraktionschef und Außenpolitiker der SPD, Rolf Mützenich. Herr Mützenich, einen schönen guten Morgen!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
Münchenberg: Herr Mützenich, wie bewerten Sie das Treffen? Ein guter PR-Termin für den US-Präsidenten, der ja auch mal wiedergewählt werden will?
Mützenich: Ja, insbesondere wo die Medien in den USA eine so große Rolle spielen, werden die Bilder natürlich ihre Wirkung nicht verfehlen. Es ist aber auch ein symbolischer Schritt, wenn ein US-amerikanischer Präsident vor dem Hintergrund der koreanisch-amerikanischen Beziehungen, insbesondere zu Nordkorea, eine so befestigte, militärisch befestigte Grenze überschreitet. Aber es kommt jetzt darauf an, was werden die konkreten Schritte in der nächsten Zeit sein. Abrüstung ja, aber man muss natürlich auch erkennen: Nordkorea fühlt sich weiterhin von den USA bedroht, durch Truppen und letztlich auch durch eine bestimmte US-amerikanische auch Nuklearstrategie.
Münchenberg: Es heißt ja immer, auch persönliche Beziehungen in der Politik könnten helfen, das Eis zu brechen. Wenn man die beiden sich anschaut – sie sprechen eine unterschiedliche Sprache, sie sind sich dreimal begegnet -, kann man da schon von einer persönlichen Beziehung sprechen?
Mützenich: Na ja, es ist nicht unwichtig, persönliche Beziehungen. Ich wäre immer vorsichtig, bei solchen zwei Charakteren - die sind ja nun nicht unbedingt gleich, aber haben auch ihre eigene Geschichte - von einer freundschaftlichen Basis am Ende zu sprechen. Hier spielen Interessen eine Rolle, hier spielt insbesondere das Interesse der Volksrepublik China weiterhin eine Rolle, und ich muss schon sagen, für Europäer und insbesondere für Deutschland ist es schon verwirrend, wie der US-amerikanische Präsident auf der internationalen Bühne autokratische Herrscher als Freunde bezeichnet.
"Die Nordkoreaner können das sehr gut einschätzen"
Münchenberg: Wenn man sich noch mal die Strategie anschaut: Bislang haben die USA vor Trump es ja immer so gehandhabt, dass man gesagt hat, wir brauchen erst substanzielle Ergebnisse, dann gibt es als Belohnung ein Treffen, auch ein Treffen sogar im Weißen Haus, die internationale Anerkennung auch. Insofern gesehen, was Trump da macht: Wie groß ist das Risiko auch für den US-Präsidenten, dass er die Bühne bereitet für Kim Jong-un, aber am Ende mit leeren Händen dasteht?
Mützenich: Es ist sehr groß, weil er es zurzeit ja offensichtlich auch sehr stark bilateral versucht und im Grunde genommen auch über Bande letztlich spielt mit eigenen wahrscheinlich Wahlkampfinteressen, und die Nordkoreaner können das sehr gut einschätzen, was so eine Situation ist. Ich glaube auch, in dem Vorbeitrag ist ja erwähnt worden, zurzeit sehe ich keine Anzeichen, dass Nordkorea gänzlich auf Atomwaffen verzichtet, auch bedingungslos, wie es ja zuerst in der Strategie des US-Präsidenten und seiner Administration gewesen ist.
Münchenberg: Es heißt auch immer, es ist eine Überlebensgarantie für das Regime.
Mützenich: Das ist richtig. Es ist eine Überlebensgarantie einmal in Richtung, dass man das innere System dadurch natürlich auch absichert, und auf der anderen Seite hat es auch etwas mit der Volksrepublik China letztlich zu tun, aber dann auch mit der Bedrohung der USA. Und das ist ja ohnehin das Problem in der internationalen Politik, dass Atomwaffen-Mächte, wenn sie mit aufstrebenden Atomwaffen-Mächten verhandeln, offensichtlich ja gar nicht bereit sind, auf die Dinge zu verzichten, über die sie bei anderen letztlich verzichten wollen. Das ist sozusagen auch ein Punkt, wo ich nicht weiß, wie es am Ende ausgehen wird. Ich glaube nicht, dass man die Nordkoreaner, ähnlich genauso wie die palästinensische Regierung, wird einkaufen können.
"Das ist keine gute Aussicht für die nächsten Monate"
Münchenberg: Ist es überhaupt vorstellbar, dass es hier einen bilateralen Deal gibt, den Trump ja sicherlich gerne anstreben würde? Denn der chinesische Staatspräsident Xi war erst ja kurz davor in Nordkorea, und China ist ja weiterhin auch ein maßgeblicher Akteur in diesem Konflikt.
Mützenich: In der Tat, und genau das ist auch, glaube ich, der entscheidende Punkt, der in einem zeitlichen Zusammenhang ist. Man ruft nicht mal einfach an, um irgendwo hinzufahren, sondern ich glaube schon, dass der Besuch von Präsident Xi in Nordkorea eindeutig darauf hindeutet, dass die Volksrepublik China ein massives Interesse daran hat, in diesen Gesprächen indirekt auch beteiligt zu sein, seine eigenen Sicherheitsinteressen durchzusetzen. Und man muss sehen: Der Handelsstreit, aber auch die Seidenstraßen-Initiative der Volksrepublik China, das sind alles zurzeit große Auseinandersetzungen. Es geht letztlich nicht darum, wie einzelne Waren bewertet werden, sondern wie die Welt aufgeteilt wird, und das spielt insbesondere in Asien zurzeit eine große Rolle.
Münchenberg: Lassen Sie uns den Blick ein bisschen weiter zurückwerfen. Trump kam ja vom G20-Treffen in Osaka. Da hieß es dann letztlich, man habe das Schlimmste verhindern können aus europäischer Sicht, wenn man zum Beispiel auf das Pariser Klimaschutz-Abkommen schaut. Immerhin 19 haben das mitgetragen, einer eben nicht, das waren die USA. Jetzt stellt sich schon die Frage: Wenn das das Resümee ist nach solchen Veranstaltungen, man habe das Schlimmste verhindern können, was bringen solche Treffen?
Mützenich: Ja, das ist offensichtlich auch die Bitterkeit, die man zurzeit mitnehmen muss in einer internationalen Welt, die offensichtlich nicht alleine nur aus den Fugen geraten ist, sondern auch mit Potentaten und auch letztlich mit in demokratischen Wahlen gewählten Präsidenten bevölkert ist, wo wir eher davon ausgehen müssen, wir brauchen solche Konferenzen, um Schlimmeres zu verhindern. Zurzeit sehen wir aus Europa, zumindest die Staaten, die an Multilateralismus und an geregelten Beziehungen auch interessiert sind, keine wirklichen Bündnispartner außerhalb einer bestimmten Form, und das ist ja auch das Problem gerade in den Vereinten Nationen, eigentlich die Institution, die nach dem Zweiten Weltkrieg als die Regelungsinstanz vorgesehen war auch für solche Konflikte wie mit Nordkorea – damals haben die Vereinten Nationen ja im Grunde genommen Krieg auch geführt in Korea und wären auch heute Beteiligter -, dass sie außen vor bleiben. Und ich muss oder wir müssen damit umgehen, dass Schlimmstes verhindert worden ist. Das ist aber keine gute Aussicht für die nächsten Monate.
"Kühnert ist ein großes Pfund innerhalb der SPD"
Münchenberg: Lassen Sie uns von der großen Weltpolitik in die Niederungen der Parteipolitik heruntersteigen. Sie sind ja kommissarischer Fraktionsvorsitzender, haben das Amt erst vor ein paar Wochen übernommen nach dem Abtritt von Andrea Nahles. Ganz kurz: Wie würden Sie den Zustand der SPD im Augenblick beschreiben?
Mützenich: Wir sind auf jeden Fall in einer Situation, wo wir uns – und ich hoffe, das passiert in Fairness und auf der anderen Seite auch mit Kompetenz – auf der einen Seite auf eine Wahl im Dezember auf dem Bundesparteitag vorbereiten, aber insbesondere, dass wir Menschen einbeziehen, insbesondere natürlich die Parteimitglieder, in Regionalkonferenzen verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten bewerten wollen. Ich finde, das ist schon ganz interessant, auf der einen Seite eine Öffentlichkeit herzustellen, aber auf der anderen Seite auch zu betonen, am Ende ist es die SPD, die darüber entscheidet, die Delegiertinnen und Delegierten. Und wir werden sehen: Es kommt sehr stark darauf an, wer wird sich in den nächsten Tagen und Wochen um letztlich auch die Positionen bewerben. Ich bin ganz zuversichtlich, wenn ein Wettbewerb einer demokratischen Partei auch in dieser Fairness passiert, kann das ganz erfolgreich sein.
Münchenberg: Nun startet ja heute am 1. Juli die Bewerbungsphase. Kevin Kühnert, ist der ein heißer Anwärter auf den Parteivorsitz?
Mützenich: Wir haben viele Mitglieder in der SPD, …
Münchenberg: Aber er wird gehandelt!
Mützenich: Ja, die etwas zu sagen haben. Und wenn er sich das zutraut, muss er sich letztlich entscheiden. Das ist immer schwer, wenn nur über einen gesprochen wird. Irgendwann wird er wahrscheinlich gar nicht umhin können, auch zu sagen, ob er bereit ist. Aber er ist ein großes Pfund innerhalb der SPD und stellt auch letztlich die Breite der SPD dar. Von daher muss er das für sich selbst am Ende bewerten, mit wem er dann auch zusammen antritt. Wir wollen ja zurzeit auf diese Teamlösung letztlich setzen. Ich glaube, in der jetzigen Situation ist das das Richtige. Aber ich sehe auch gerade – und das ist auch mein Wunsch – Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Als ich in den 70er-Jahren der SPD beigetreten war, waren wir eine große kommunalpolitische Partei, die aus dieser Stärke auch Kraft geschöpft hat, und ich glaube, wir werden noch manche Überraschung sehen.
"Wir haben auch junge Leute in unseren Reihen"
Münchenberg: Noch mal zu Kevin Kühnert. Der ist heute 30 Jahre alt geworden, hat der Korrespondent uns vorhin gesagt. In dem Alter und auch von dem, was er mitbringt, hätte er das Zeug zum Parteivorsitz?
Mützenich: Ich glaube, man kann es nicht vom Alter her abhängig machen, ob jemand – und es ist ja insbesondere ein Team, was letztlich antritt – auch eine wirklich historische, bedeutende Partei immer noch (und wir sehen es ja auch zurzeit in Europa auch; Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kommen zurück in Regierungsverantwortung, vielleicht sogar in Verantwortung in der Europäischen Union), dass auch viele junge Menschen eine Partei führen können. Wenn ich mich in meinem Wahlkreis in Köln umschaue, da führen zurzeit 30jährige große Ortsvereine an, Studentinnen und Studenten, die in Verantwortung stehen.
Münchenberg: Aber ein Ortsverein ist was anderes als die SPD.
Mützenich: Ja, nein, aber es ist auch die SPD. Das darf man nicht unterschätzen und ich glaube ja, auf der Bundespartei werden am Ende andere Entscheidungen getroffen. Aber wir haben ein großes Potenzial und es ist nun mal so, dass wir auch junge Leute in unseren Reihen haben, und das ist gut.
Münchenberg: Wie ist es mit Ihnen selbst? Sie haben den Fraktionsvorsitz der SPD kommissarisch übernommen. Könnten Sie sich auch vorstellen, das als Fulltime-Job zu machen?
Mützenich: Wir werden das in den Gremien letztlich besprechen und meine Aufgabe.
Münchenberg: Das sagt man dann immer gerne.
Mützenich: Aber da gehört es auch letztlich hin. Ich meine, ich bin ja Mitglied einer Partei, und ich glaube, es muss auch verstanden werden, dass diejenigen, die einen unterstützen, unabhängig von mir, auch letztlich zuerst hören, was möglicherweise Kandidatinnen und Kandidaten denken. Wir haben jetzt in den letzten drei Wochen zusammen in der Fraktion eine Stabilisierung geschafft. Wir mussten ja auch zweite und dritte Lesung für Gesetze mit auf den Weg bringen. Im September wird es die ersten Klausuren in der SPD geben und in den Wochen, die davor liegen, werde ich mir das eine oder andere an Gedanken machen, aber auf der anderen Seite auch Wahlkampf jetzt in Ostdeutschland ab heute Abend führen.
Mützenich: Aber die Noten für Sie sind schon mal sehr positiv, die aus der Fraktion kommen.
Mützenich: Ja! Aber wissen Sie, wenn ich mich nach Noten allein entscheiden würde, glaube ich, wäre das ein falsches und es wäre ein Wagnis. Man muss das dann auch auf der Strecke sehen. Sie haben eben von 30 und von 60jährigen gesprochen. Mal gucken, wie es weitergeht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.