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Trump und die US-Demokratie
"Ich warne die Europäer, jetzt den Weltuntergang zu sehen"

Mit scharfen Worten hat der ehemalige US-Botschafter John Kornblum die Einreiseverbote von US-Präsident Donald Trump für viele Muslime kritisiert. Damit habe Trump politische und menschliche Grenzen überschritten, sagte Kornblum im DLF. Insgesamt könne der Präsident aber nur wenig allein machen und habe auch nur begrenzte politische Unterstützung.

John Kornblum im Gespräch mit Christiane Kaess |
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland (dpa / picture-alliance / Karlheinz Schindler)
    Höchstens 30 Prozent der Bevölkerung stünden hinter Trump, so Kornblum. Die Republikanische Partei sei alles andere als auf seiner Seite und die Demokraten seien "motiviert in richtiger Kampfesstimmung". Aus diesem Grund sei Trump gezwungen, sehr viele Dinge schnell durchzubringen um dann zu sehen, was daraus werde. Trump müsse aber mit dem Kongress und der öffentlichen Meinung zusammenarbeiten.
    Kornblum warnte aber insbesondere die Europäer davor, in den USA jetzt "den Weltuntergang" zu sehen. Vielmehr sollten die aktuellen Entwicklungen eine Motivation für Europa sein, aus seiner Stagnation zu kommen und gute Gegenargumente zu bringen, wenn man sie habe. Trump sehe sich als Disruptor und die einzige Möglichkeit, den Sumpf – wie er es nenne – zu ändern, sei nach Ansicht des US-Präsidenten eine totale Umstellung der Gesellschaft.
    Trumps Entscheidung, den konservativen Richter Neil Gorsuch für den Supreme Court vorzuschlagen, sei "aus Trumps Sicht eine sehr gute Ernennung." Gorsuch sei kein Revolutionär und auch kein Faschist, sondern ein sehr hoch angesehener Richter.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: In einer staatstragenden Live-Fernsehübertragung hat US-Präsident Trump seine Wahl für den vakanten Richterposten am obersten Gerichtshof angekündigt, ein Event, das an eine Reality Show erinnerte.
    Darüber sprechen möchte ich jetzt mit John Kornblum, ehemaliger amerikanischer Botschafter in Deutschland. Guten Morgen, Herr Kornblum.
    John Kornblum: Guten Morgen!
    Kaess: Wir haben es gerade gehört: Gorsuch gilt als Verfechter der Religionsfreiheit. Will Trump sein umstrittenes Einreiseverbot wiedergutmachen?
    Kornblum: Ich habe keine Ahnung. Ich glaube nicht. Ich glaube, Trump hat sein Programm und er wird sein Programm ziemlich unnachgiebig durchforsten. Gorsuch ist schon sehr bekannt, er ist auch schon sehr respektiert, und ich glaube, er war einfach aus Trumps Sicht eine sehr gute Ernennung.
    "Gorsuch ist wirklich kein Revolutionär und ist auch kein Faschist"
    Kaess: Und er gilt als Garant der Verfassung. Beruhigt Sie das?
    Kornblum: Ja, es beruhigt mich auf einer gewissen Weise. Ich bin dafür, dass die Verfassung stark wird. Es gibt aber natürlich eine Interpretation, was der Verfassung dient und was nicht. Aber Gorsuch ist wirklich kein Revolutionär und ist auch kein Faschist. Er ist ein sehr hoch angesehener Richter.
    Kaess: Und er ist ein Konservativer. Was bedeutet das denn jetzt für diese konservative Machtfülle, die wir jetzt haben, mit dem Präsidenten, der Mehrheit im Kongress und jetzt auch noch im Supreme Court?
    Kornblum: Erstens würde ich sehr dazu raten, gerade in Europa, eine gewisse Ruhe zu behalten und nicht auf einmal zu sagen, dass das alles mit der amerikanischen Demokratie zu Ende ist, wie ein Schriftsteller das einmal ausgedrückt hat. Heute Morgen sagt der "Spiegel" auch, Amerika ist jetzt ein totalitärer Staat geworden. Das ist natürlich alles nicht wahr. Sie sehen das an den Reaktionen in der Gesellschaft, nicht nur im Kongress. Zum Beispiel eine Sache, die in kaum einem anderen Land passieren würde: in der Beamtenschaft. Meine ehemaligen Kollegen im Auswärtigen Amt, aber auch in anderen Ministerien. Die amerikanische Demokratie ist sehr stark, aber wir haben es mit einem einzigartigen Präsidenten zu tun und das wird natürlich sehr viel Unruhe mit sich bringen.
    Kaess: Und da fragen wir uns, Herr Kornblum, wo konkret wird sich das denn auswirken? Wenn Sie das nicht so hoch hängen wollen, aber es wird ja wahrscheinlich dennoch Konsequenzen haben, zum Beispiel gesellschaftlich.
    Kornblum: Ja, es wird große Konsequenzen haben. Das wollte ich nicht sagen.
    Kaess: Können Sie Beispiele nennen? Was können Sie sich vorstellen?
    Kornblum: Trump sieht sich als - das ist ein neues deutsches Wort - Disruptor, Disruption. Er ist ein Mensch, der meint, die einzige Möglichkeit, wie soll ich das sagen, um den Sumpf, wie er das nennt, zu beenden, ist die totale Umstellung der Gesellschaft. Das würde bedeuten, dass er zum Beispiel Sachen wie Gesundheitspolitik, Gesellschaftspolitik, aber auch zum Beispiel Menschenrechtsgesetzgebung, die es gegeben hat, etc., viele Dinge, die sozusagen die liberale Ordnung sind, in Frage stellen wird. Und dann werden wir sehen, wie die Prozesse im Lande sind. Das kann er selber alleine nur sehr wenig machen. Was er bis jetzt getan hat, sind einige Dinge, die ein Präsident per Dekret machen kann. Aber im Endeffekt kann er nicht sehr viel alleine machen. Er muss mit dem Kongress, aber auch mit der öffentlichen Meinung zusammenarbeiten.
    Kaess: Aber das ist jetzt genau die Frage. Sind diese Checks and Balances stark genug, um sich dieser konservativen Machtfülle, um sich der entgegenzusetzen, wenn sie ihre Grenzen überschreiten sollte?
    Kornblum: Das werden wir sehen. Es ist eine Herausforderung für die Gesellschaft, ohne Frage. Aber Sie sagen konservative Machtfülle. Das ist natürlich schon ein Urteil aus Ihrer Sicht. Es gibt viele Leute in Amerika, die meinen, das ist genau die Richtung, die wir nehmen müssen. Nicht ich, aber es gibt viele.
    "Er hat bestimmt die politischen und menschlichen Grenzen überschritten"
    Kaess: Nichts desto trotz, glaube ich, sind wir uns darüber einig, dass die Konservativen jetzt in der Mehrheit sind in den wichtigen Ämtern.
    Kornblum: Ja, natürlich! Aber ich würde - das habe ich schon mal auch im Deutschlandfunk gesagt - die Europäer davor warnen, jetzt den Weltuntergang zu sehen und zu sagen, dass alles aus ist. Das sollte eine Motivation für Europa sein, auch aus seiner Stagnation zu kommen und auch zusammen richtige Gegenargumente zu bringen, wenn man sie hat.
    Kaess: Den Weltuntergang wollen wir heute Morgen nicht sehen, aber wir wollen uns zumindest fragen, wo die Grenzen sind und ob die vielleicht schon überschritten worden sind. Hat Trump die Grenzen schon überschritten, zum Beispiel mit diesem Executive Order der Einreisesperren. Viele glauben ja, das war nicht rechtlich gedeckt.
    Kornblum: Er hat bestimmt die politischen und menschlichen Grenzen überschritten. Ich bin nicht fähig genug zu sagen, ob er die rechtlichen Grenzen überschritten hat, aber es war ein Schritt, der einfach unmenschlich war, und den hätte er nicht machen sollen. Aber Sie sehen, er weiß, dass er eigentlich nur eine begrenzte politische Unterstützung im Land hat. Er hat, man schätzt, vielleicht 30 Prozent, vielleicht höchstens 30 Prozent der Bevölkerung steht hinter ihm. Die Republikanische Partei ist alles andere als auf seiner Seite. Die Demokraten sind jetzt motiviert in richtiger Kampfesstimmung. Das heißt, ich nehme an, dass er meint, ich muss sehr schnell viele Sachen durchbringen, wenn möglich auf meine eigene Nummer sozusagen, und dann wird er sehen, was daraus wird.
    Kaess: Aber wenn Sie gerade schon auf die Anhänger verweisen, dann gucken wir doch mal auf die andere Seite. Denn Trumps Anhänger, die jubeln ja tatsächlich, und Trump hält ja auch Wahlversprechen ein. Muss man vielleicht nicht fragen, ob er bisher der konsequenteste und ehrlichste Präsident ist?
    Kornblum: Aus seiner Sicht würde er das sagen. Aber die Frage, ob er seine Wahlversprechen durchhält, ist nicht eine Sache von ein paar Wochen, sondern eine Sache von ein paar Jahren. Was er jetzt getan hat ist, sehr demonstrativ einige Dinge zu machen, die er mehr oder weniger eigenhändig machen kann. Ob er tatsächlich mehr Arbeitsplätze kreieren wird, ob er tatsächlich das amerikanische Handelsdefizit ändern wird, ob er tatsächlich Frieden mit Russland und anderen schließen wird, das bleibt wirklich das Urteil. Dafür bleiben wirklich noch einige Jahre.
    Kaess: Ich möchte mal eine Interpretation eines seiner Anhänger hier anbringen zu dem umstrittenen Einreiseverbot, das Sie jetzt gerade, wenn ich Sie richtig verstanden habe, als unmenschlich bezeichnet haben. Ralph Freund von den Republicans Overseas, die Trump im Wahlkampf unterstützt haben, der hat im Deutschlandfunk zu diesen Einreiseverboten gesagt, das ist eigentlich eine Entwicklung von dem sogenannten Profiling in den USA. Da haben ja auch ethnische Merkmale eine Rolle gespielt. Das sei erfolgreich gewesen und jetzt sei dieses Einreiseverbot davon abgeleitet. Das greife ein bisschen früher, das sei schon als Prävention zu verstehen, sei vielleicht in seiner apodiktischen Art etwas zu überzogen, aber dieses Profiling bei der Einreise findet er letztendlich realistisch.
    Kornblum: Na ja, das kann ich natürlich überhaupt nicht teilen. Erstens: Profiling ist in Amerika sehr, sehr umstritten, wie auch in Europa. Es gibt Profiling auch in Europa. Sehr umstritten! - Amerika ist ein Land, das aus vielen, vielen verschiedenen Nationalitäten gemacht worden, zusammengestellt worden ist, und diese Nationalitäten sind alle Teile der Gesellschaft. Profiling wird von vielen eigentlich als antiamerikanisch gesehen. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, die 60 Prozent muslimische Bevölkerung jetzt hat, und ich habe extra natürlich die Presse angeschaut. Da gibt es eine einstimmige Unterstützung der muslimischen Mitbürger von allen, von Christen, von Weißen, von Schwarzen, von allen. Herr Freund fühlt sich wahrscheinlich genötigt, ein bisschen Trump zu unterstützen, aber in diesem Fall stimmt das nicht.
    "Wir in Amerika brauchen eine konkrete und sachkundige Unterstützung von unseren europäischen Freunden"
    Kaess: Gut, er ist eine Stimme seiner Anhänger. - Herr Kornblum, schauen wir noch auf diese Frage, die sich viele in den letzten Tagen gestellt haben: Wo bleibt eigentlich der Widerstand gegen Trump? Der Kongress ist mehrheitlich republikanisch und bisher kam daher wenig Widerstand. Wird das so bleiben?
    Kornblum: Erstens: Es kam sehr viel Widerstand aus dem Kongress.
    Kaess: Haben wir nicht wahrgenommen.
    Kornblum: Haben Sie nicht wahrgenommen. Aber das ist, wenn ich das sagen darf, ein längerfristiges Problem in Europa, dass man die richtigen Zustände in Amerika nicht wahrnimmt. Der Widerstand im Kongress nicht nur unter den Demokraten, sondern bei den Republikanern ist sehr stark. Viele Republikaner haben Trump kritisiert für seine Einreiseverbote. Viele Republikaner kritisieren ihn für seine Sicherheitspolitik. Und die Demokraten sind jetzt voll organisiert zum Beispiel, um diese Ernennung zum obersten Gerichtshof zu blockieren.
    Kaess: Glauben Sie, das wird passieren?
    Kornblum: Es kann sein. Ja, die haben genug Stimmen, das zu tun, wenn sie das wollen. Er braucht zehn Stimmen von der demokratischen Seite, um diese Nominierung durchzukriegen. Vielleicht kriegt er sie, vielleicht nicht. Aber das Problem, das man jetzt hat in einer solchen Phase, ist zu glauben, dass jetzt alles aus ist, und es ist wirklich nicht alles aus. Aber es bedeutet, dass die Kräfte, die gegen eine solche Politik sind, zusammenarbeiten müssen. Und das heißt auch, ich habe das auch geschrieben in der Presse, wir in Amerika brauchen eine konkrete und sachkundige Unterstützung von unseren europäischen Freunden.
    Kaess: … sagt John Kornblum, ehemaliger amerikanischer Botschafter in Deutschland. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Kornblum.
    Kornblum: Ich bedanke mich auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.