Samstag, 20. April 2024

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Trump vor der UNO
"Eine Absage an eine geordnete Welt"

Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin hat die Rede von US-Präsident Donald Trump vor den Vereinten Nationen kritisiert. Trump habe das System der UNO, welches auf Kooperation beruhe, nicht verstanden, sagte Trittin im Dlf. Trump scheine Konflikte eher militärisch als diplomatisch austragen zu wollen.

Jürgen Trittin im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 20.09.2017
    Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen)
    Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Tobias Armbrüster: Es war ein lang erwarteter Auftritt, Donald Trump gestern vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, sein erster Auftritt dort. Vertreter von allen 193 UNO-Mitgliedsländern waren da und der Präsident hat wie erwartet ausgeteilt, vor allem gegen den Iran und gegen Nordkorea, und er hat allen anwesenden Staats- und Regierungschefs einen Tipp gegeben. So wie er "America first" sagt, genauso sollten alle Politiker auf der Welt vor allem ihr eigenes Land immer zuerst sehen.
    Am Telefon ist jetzt Jürgen Trittin von den Grünen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen.
    Jürgen Trittin: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Trittin, hat Trump da recht? Sollten auch deutsche Politiker häufiger mal sagen, Deutschland zuerst?
    Trittin: Das ist eine Absage an eine geordnete Welt. Donald Trump hat nicht verstanden, was das System der Vereinten Nationen ist. Dieses beruht auf Kooperation. Das ist übrigens mal gegründet worden unter anderem von den Vereinigten Staaten von Amerika. Von dieser Tradition hat sich Donald Trump komplett verabschiedet mit einer, wie ich finde, teilweise bizarren Rede.
    Weltfrieden durch Kooperation
    Armbrüster: Aber trifft er nicht vielleicht zumindest einen Kern, dass sich viele Menschen häufiger wünschen, dass Politiker in ihren Ländern vielleicht weniger, vielleicht nicht ganz so viel an internationale Organisationen denken, sondern häufiger auch mal an zum Beispiel Bedürftige in ihren eigenen Ländern?
    Trittin: Es ist immer richtig, dass man nur international handeln kann, wenn man die eigene Gesellschaft zusammenhält. Aber es ist auch notwendig, dass man ehrlich ist, und zur Ehrlichkeit gehört, dass keines der großen Probleme dieser Welt, vom Klimawandel über die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln, über die Frage Kampf um unterschiedliche Ressourcen, dadurch zu lösen ist, dass eine Nation sich über andere stellt, sondern genau der Weltfrieden nur zu erhalten sein wird, wenn alle diese Nationen bei der Bewältigung dieser Herausforderung von Klimawandel über Aufrüstung tatsächlich miteinander kooperieren. Dem setzt er aber eine Absage entgegen. Deswegen ja auch seine bizarre Auflistung, dass der Iran in einer Liste des Bösen auftaucht.
    Armbrüster: Über den Iran können wir gleich noch sprechen. Aber diese Absage, die habe ich zumindest nicht so richtig gehört. Er hat ja im Gegenteil eher die Vereinten Nationen gelobt, auch für ihre Ziele und dafür, dass ihre Arbeit durchaus richtig ist.
    Trittin: Er hat auf der einen Seite ein paar nette Floskeln für die Vereinten Nationen gebracht. Er hat auch gesagt, sie müssten sich anstrengen. Er hat aber gleichzeitig ein Prinzip verankert, genau in der von Ihnen zitierten Passage, was abzielt, dass jeder sich erst mal um sich selber kümmert, und dann ist für alle gesorgt. Das ist eine Ideologie, nach der genau solche Probleme nicht zu lösen sein werden, und das ist übrigens ja auch der Hintergrund, warum er aus dem Klimaabkommen der Vereinten Nationen, wo sich Staaten verabredet haben, miteinander bestimmte Ziele zu verabreden, ausgestiegen ist.
    Liste der Schurkenstaaten willkürlich
    Armbrüster: Aber grundsätzlich hält er ja daran fest, dass die UNO internationale Probleme lösen kann und lösen soll.
    Trittin: Er hält daran fest, dass die Vereinten Nationen diese lösen können und sollen, aber unter der Voraussetzung, dass sie so funktionieren, dass sie seinem Prinzip "America first" nicht widersprechen.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns über diese sogenannten Schurkenstaaten sprechen. Da sagt Donald Trump ja durchaus das, was viele denken: Nordkorea, Iran, Kuba und Venezuela, das sind Staaten, die ihre Bürger unterdrücken und die eigentlich, so wie er es sagen würde, eine Schande für die Menschheit sind. Was ist daran falsch, das auszusprechen?
    Trittin: Es ist richtig, dass es in diesen Ländern - übrigens in sehr unterschiedlicher Weise - Situationen gibt, wo die Menschenrechte nicht gewahrt sind. Da fallen mir noch ein paar andere ein, die in dieser Liste nicht auftauchen. Und die Liste ist auch, was die Bedrohung des Weltfriedens angeht, außerordentlich willkürlich zusammengestellt. Kuba und Venezuela finden sich da, glaube ich, noch aus den Zeiten des Kalten Krieges entsprechend wieder, der Iran aus innenpolitischen Gründen dort. Warum nicht Saudi-Arabien, was jeden Freitag Leute köpft und einen menschenrechtswidrigen Krieg im Jemen veranstaltet? Und völlig zurecht natürlich Nordkorea. Aber selbst wenn Sie Nordkorea und Iran vergleichen: Dem Iran ist gerade bescheinigt worden von der Internationalen Atomenergiebehörde, dass er sich an die Verabredung, die sie getroffen haben zur nuklearen Abrüstung, hält, während Kim Jong-un jeden Tag beweist, dass er diese Verabredung und die Beschlüsse der Vereinten Nationen nicht einhält. Also diese Liste ist eine willkürliche Liste. Das scheint so ein bisschen aus der alten Tradition, wie gesagt, des Kalten Krieges und des George W. Bush in die neue Zeit hineingeschwappt zu sein.
    Konflikte militärisch lösen
    Armbrüster: Oder verstößt das vielleicht einfach gegen die guten Sitten bei den Vereinten Nationen, dass man so was nicht offen aussprechen darf?
    Trittin: Ich finde, man muss die Dinge offen aussprechen. Wir würden uns gelegentlich wünschen, dass das in den Vereinten Nationen offen ausgesprochen wird. Aber diese Liste ist eine, die sich jedenfalls in der Konsistenz nicht erschließt. Das gilt im Übrigen auch für Nordkorea. Glaubt denn jemand ernsthaft, dass der Konflikt um und mit Nordkorea durch ein militärisches Vorgehen gelöst wird? Ich glaube das nicht.
    Armbrüster: Die Vereinten Nationen - wir haben die Klagen immer wieder gehört - sind ein Club, der teilweise etwas verschlafen ist, der es mit Reformen nicht ganz so ernst nimmt, der etwas eingerostet ist im Laufe der Jahrzehnte. Tut in so einer Situation nicht ein Mann wie Donald Trump gut, der möglicherweise mit etwas stark provokanten Tönen aber immerhin doch die Zuhörer wachrüttelt und daran erinnert, was die eigentlichen Ziele der Vereinten Nationen sein sollten?
    Trittin: Ich glaube, dieser Erinnerung hätte es nicht bedurft. Da spricht Herr Guterres und andere auch so. Ich ganz persönlich hätte mir gewünscht, …
    Armbrüster: Er bekommt aber bei weitem nicht die Aufmerksamkeit wie Donald Trump selbst.
    Prioritäten Trumps untergraben die Rolle der Vereinten Nationen
    Trittin: Das ist richtig. Ich hätte mir gewünscht, dass Frau Merkel die Rolle eingenommen hätte, die Herr Macron auf dieser Generalversammlung eingenommen hat. Er hat Donald Trump sehr deutlich und sehr nachhaltig widersprochen, gerade da, wo die Vereinten Nationen etwas geleistet haben, nämlich im Fall Iran, daran zu gehen, diese Leistung herabzuwürdigen und auf eine Stufe zu stellen mit dem Vorgehen Nordkoreas. Diese Rolle, tatsächlich für Multilateralismus, für Vereinbarungen hin zu nuklearer Abrüstung zu streiten, die Herr Macron eingenommen hatte, die hätte ich mir von der deutschen Bundeskanzlerin gewünscht. Und im Übrigen: Es macht ja auch keinen Sinn, bei den Vereinten Nationen freundlich zu reden, was die inneren Strukturen angeht, aber gleichzeitig die Fähigkeit der Vereinten Nationen, diese Probleme tatsächlich anzugehen, systematisch zu schwächen. Die USA haben mit dazu beigetragen, dass in einem zentralen Bereich, wo die Vereinten Nationen tatsächlich eine wichtige und nicht ersetzbare Rolle spielen, nämlich bei den Friedensmissionen, erst mal 600 Millionen gekürzt worden sind. Die Fähigkeit der Vereinten Nationen, solche Konflikte zu beenden, ist dadurch eher beschädigt und geschwächt worden.
    Armbrüster: War das denn eine Rede, an die wir uns noch lange erinnern werden?
    Trittin: Das glaube ich nicht, weil dahinter steht natürlich eine Haltung, die im Kern sagt, wir wollen die Konflikte eher militärisch lösen. Sie wissen: Donald Trumps Haushaltsansatz sieht vor eine massive Steigerung der Rüstungsausgaben, während all die Mittel für friedliche Zusammenarbeit, nämlich des State Departements, des Außenministeriums, um mehr als ein Drittel gekürzt werden sollen. Das zeigt die wahren oder die wirklichen Prioritäten von Donald Trumps Außenpolitik, und das ist eher etwas, was die Rolle der Vereinten Nationen untergräbt und nicht stärkt.
    Armbrüster: Live hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin. Danke schön!
    Trittin: Guten Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.