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Trumps Rede zum Atomabkommen
"Die Lage ist schwierig"

US-Präsident Donald Trump habe mit seiner Rede zum Atomabkommen mit dem Iran ein "schwieriges und gefährliches Zeichen" gesetzt, sagte der deutsche Außenminister Sigma Gabriel im Dlf. So würden sich nun womöglich viele andere überlegen, ob sie sich nicht vielleicht besser selbst atomar bewaffnen sollten.

Sigmar Gabriel im Gespräch mit Stephanie Rhode | 14.10.2017
    Außenminister Sigmar Gabriel (SPD)
    Sollten die USA das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen, dann würden "unsere Enkel und Kinder" in einer ganz gefährlicheren Welt aufwachsen, sagte Sigmar Gabriel im Dlf. (imago / photothek)
    Stephanie Rohde: Es ist laut dem amerikanischen Präsidenten der schlechteste Deal überhaupt, trotzdem hat Donald Trump das Iran-Abkommen gestern nicht aufgekündigt. Stattdessen weigerte er sich zu bestätigen, dass Iran die Vereinbarung aus dem Abkommen einhält. Damit verschiebt Donald Trump das Problem jetzt in den Kongress, der über das Schicksal des Abkommens entscheiden soll, zusätzlich wird es weitere Sanktionen geben.
    Was kann die Bundesregierung in diesem Fall tun, darüber will ich jetzt sprechen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel. Guten Morgen!
    Sigmar Gabriel: Guten Morgen!
    Rohde: Herr Gabriel, Sie haben ja vorgestern in dramatischen Worten von einer unmittelbaren Kriegsgefahr gewarnt. Wie viel unsicherer ist die Welt seit gestern tatsächlich?
    Gabriel: Ich glaube schon, dass das ein schwieriges und gefährliches Signal ist, das gestern der amerikanische Präsident gesetzt hat, denn schauen Sie, wir versuchen gleichzeitig, mit Nordkorea ein Abkommen zu erzielen, auch die Amerikaner versuchen das, jedenfalls der amerikanische Außenminister, um sie zu überzeugen, dass man Sicherheit erreichen kann, auch ohne dass Nordkorea sich eine atomare Waffe besorgt. Was werden die Nordkoreaner wohl denken, wenn sie sehen, dass das einzige existierende Beispiel, dass so etwas gelingen kann, nämlich dieses Abkommen mit dem Iran, zeitgleich zerstört wird.
    Meine große Sorge ist, dass das, was gerade im Iran oder mit dem Iran aus Sicht der USA passiert, nicht nur ein iranisches Thema bleibt, sondern dass viele andere in der Welt sich überlegen werden, ob sie angesichts solcher Zerstörung von Abkommen sich nicht vielleicht auch selbst atomar bewaffnen sollen, und dann werden unsere Kinder und Enkel in einer ganz gefährlichen Welt aufwachsen.
    Rohde: Lassen Sie uns darauf schauen, was Sie jetzt tun können. Es ist ja denkbar, dass der Kongress weitere Sanktionsmechanismen hinzufügt, neben dem reinen Umgang mit nuklearem Material auch Irans Raketenprogramm in den Blick nimmt und da eine Wiederaufnahme der Sanktionen rechtfertigen will.
    Herr Gabriel, Sie haben ja immer wieder darauf verwiesen, dass man Irans Raketenprogramm durchaus kritisch sehen muss, würden Sie also erweiterte Sanktionen der Republikaner mittragen als deutscher Außenminister?
    Gabriel: Jedenfalls nicht im Zusammenhang mit dem Nuklearabkommen. Schauen Sie, das Ganze ist ja über zehn Jahre verhandelt worden, und natürlich ist die Rolle des Iran in der gesamten Region, vom Jemen bis zum Libanon, hoch problematisch und auch nicht akzeptabel. Das alles hat in diesen Verhandlungen ja bereits eine Rolle gespielt, und in diesen über zehnjährigen Verhandlungen haben wir festgestellt, es ist möglich, das Schlimmste zu verhindern, nämlich eine nukleare, eine atomare Bewaffnung des Iran, aber die anderen Felder sind jedenfalls nicht in dieses Abkommen hineinzubringen, sondern darüber muss man separat mit dem Iran verhandeln.
    Und wenn jetzt der amerikanische Präsident einen Vorschlag macht, der letztlich heißt, wir sollen das ganze Abkommen neu verhandeln, ist doch eins klar: Der Iran wird dabei nicht mitmachen, denn der Iran hat ein kräftiges Argument auf seiner Seite: Er hält das Abkommen ein. Die internationale Atomenergiebehörde ist ja zuständig für die Überwachung des Abkommens, und der Chef dieser Behörde hat gestern noch mal gesagt, er ist nie irgendwo gehindert worden, Anlagen zu besichtigen, zu kontrollieren. In sieben Überprüfungsberichten ist klargestellt worden, der Iran hält das Abkommen ein.
    Wenn dieses Abkommen jetzt von einem Partner wie den USA gekündigt werden sollte oder die Sanktionen gegen den Iran erneut mit Blick auf das Abkommen in Kraft gesetzt werden, dann wird das im Iran natürlich Folgen haben, dann werden sich die durchsetzen, die schon immer dagegen waren, mit dem Westen zu verhandeln, die das schon immer für einen Fehler gehalten haben, mit uns Verabredungen zu treffen. Und dann wird möglicherweise dort ein Rückfall stattfinden in die Entwicklung von nuklearen Waffen, Israel wird sich das nicht gefallen lassen, und wir sind wieder genau da, wo wir vor zehn, zwölf Jahren waren – bei einer Kriegsgefahr in relativer Nähe zu Europa. Und deswegen glauben wir ...
    "Die Welt wird nicht sicherer, wenn wir zeitgleich das Abkommen zerstören"
    Rohde: Jetzt ist es allerdings so, dass Trump die Europäer ja massiv unter Druck gesetzt hat mit dieser neuen Iran-Strategie. Sie wollen jetzt nach Washington fahren, um dort vorzusprechen, wäre es nicht an der Stelle besser, klar sich gegen die USA zu positionieren und zu sagen, wir stehen fest bei dem Deal und wir lassen uns nicht von Trump treiben?
    Gabriel: Genau das haben gestern die drei Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs getan, das tun wir übrigens seit Wochen, das hat die Europäische Union getan. Wir haben klar gesagt, dass wir zu diesem Abkommen stehen, dass wir es nicht zerstören werden und dass wir auch keinen Weg beschreiten werden, bei dem am Ende nur die Zerstörung dieses Weges steht.
    Das Problem haben Sie vorhin in Ihrer Anmoderation übrigens schon gesagt, dass wir eigentlich nicht über Außenpolitik reden, sondern dass der amerikanische Präsident scheinbar die Absicht hat, im Wesentlichen eines zu tun: Alles rückabzuwickeln, alles sozusagen zunichte zu machen, was sein Vorgänger im Amt, der damalige Präsident Obama, jemals gemacht hat – von der Gesundheitsreform über den Klimapakt und jetzt das Iran-Abkommen. Er entwickelt ja keine eigene Strategie, wo er sagt, so wollen wir das in Zukunft machen, sondern er zerstört erst mal das, was bisher stattgefunden hat.
    Wir werden den USA anbieten und haben das auch längst getan, dass wir natürlich mit ihnen gemeinsam eine Plattform schaffen wollen, um mit dem Iran über das ganz schwierige Verhalten des Iran – ich hab's eben schon gesagt – vom Jemen bis zum Libanon zu reden. Vor allen Dingen im Jemen ist es eine Katastrophe, was da stattfindet, das ist die größte menschliche Katastrophe weltweit, und dort müsste es eigentlich gelingen, dem Iran Wege zu zeigen, wie er das sein lässt. Er ist übrigens nicht der Einzige in der Region, der diese Katastrophe zu verantworten hat.
    Das werden wir tun, aber wir haben ihnen gesagt, die Welt wird nicht sicherer, wenn wir zeitgleich das Atomabkommen zerstören, und wir werden merken, dass Nordkorea und andere Länder, mit denen wir ähnliche Probleme bekommen, sagen werden, na ja, es nützt ja gar nichts, mit dem Westen zu verhandeln, am Ende sind Verträge nichts wert. Und das ist die Position, die wir haben.
    "Wir können uns die Welt ja nicht malen"
    Rohde: Aber Herr Gabriel, was bedeutet das denn jetzt für die deutsch-amerikanische Beziehung? Sie sprechen von einem Erfolg Deutschlands, dass das Abkommen nicht gekündigt wurde von Donald Trump, das heißt, Sie bemessen den Erfolg der deutschen Außenpolitik daran, wie viel von Trumps Politik verhindert werden kann. Ist das nicht eine Bankrotterklärung für die transatlantische Kooperation?
    Gabriel: Das ist erst mal jedenfalls besser, als wenn er gestern bereits das Abkommen gekündigt hätte, also wir können uns ja die Welt nicht malen. Der amerikanische Präsident ist gewählt.
    Rohde: Man könnte aber sagen, man agiert stärker gegen die USA, also man positioniert sich stärker gegen die USA.
    Gabriel: Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, das müssen Sie erklären, denn das, was wir tun und sagen, ist genau das. Was sollen wir sonst sagen ...
    Rohde: Ich meine, dass man ein einheitliches Signal senden könnte aus Europa, zum Beispiel könnten Sie ...
    Gabriel: Das haben wir getan, Entschuldigung, dass ich unterbreche.
    Rohde: ... den Präsidenten Rohani einladen nach Deutschland ...
    Gabriel: Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche ...
    "Wir haben uns absolut eindeutig positioniert"
    Rohde: ... das wäre ein klares Signal, zu zeigen, man steht auf der iranischen Seite und biedert sich nicht an an Donald Trump.
    Gabriel: Entschuldigung, dass ich Sie noch mal korrigiere.
    Rohde: Klar, können Sie machen.
    Gabriel: Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Präsident Macron in Frankreich, die britische Premierministerin Theresa May, das sind die drei Länder, die das Abkommen verhandelt haben zusammen mit der EU, China und Russland. Wir haben uns absolut eindeutig positioniert, und zwar nicht nur die Außenminister, sondern gestern die Staats- und Regierungschefs. Natürlich sind wir diejenigen gewesen, die in den letzten Jahren im Iran waren, die Vertreter des Iran bei uns hatten, aber worum es jetzt geht, ist, dem amerikanischen Kongress klarzumachen, lasst euch nicht auf ein innenpolitisches Spiel ein, am Ende gefährdet ihr auch die Sicherheitslage eurer Verbündeten und damit eure eigene Sicherheit. Es nützt jetzt nichts, starke Sprüche zu machen, wenn ich das mal so offen sagen darf, wir wollen ja nicht genauso agieren wie der amerikanische Präsident. Wir werden ...
    Rohde: Lassen Sie uns darauf schauen, was passiert für den Fall, dass der Kongress aus diesem Atomabkommen aussteigt, das heißt, dass Ihre Vermittlungsbemühungen in Washington nicht fruchten. Wird Deutschland dann unter anderem mit Russland und mit China dieses Abkommen weitertragen, und sind das inzwischen verlässlichere Partner als die USA?
    Gabriel: Jedenfalls sind die Vereinigten Staaten in der Lage, die Sanktionen wieder einzuführen gegen den Iran, das allerdings würde dann im Iran natürlich Folgen haben, denn eine der Verabredungen war ja: Dafür, dass ihr keine Atomwaffen entwickelt, werdet ihr wirtschaftliche Vorteile haben, indem nämlich die Sanktionen gegen euch aufgehoben werden.
    Wenn das der Fall ist, dass die Sanktionen wieder eintreten, wenn es keine wirtschaftliche Entwicklung gibt, dann wird das erst mal Folgen im Iran haben, dann werden dort die Hardliner zu Wort kommen.
    Wir werden – wie Sie das eben schon gesagt haben – natürlich genau mit den Briten und den Franzosen und auch China und Russland am Abkommen festhalten, daran gibt es keinen Zweifel. Weil wenn Sie sehen, wo das eigentliche Problem von Sanktionen liegt, nämlich dass die Amerikaner in der Lage sind, dann im Bankensektor gegen jedes Land Sanktionen durchzuführen, das Kontakte zum Iran unterhält, dann würde das dazu führen, dass quasi die wirtschaftlichen Versprechen für den Iran nicht eintreten, dann haben wir eine verheerende Lage im Iran.
    "Was anderes als mit den Amerikanern reden können wir nicht"
    "Was anderes, als mit den Amerikanern reden, können wir nicht"
    Rohde: Genau das ist nämlich das Problem, Donald Trump hat ja gestern schon Sanktionen gegen die Revolutionsgarden wieder angekündigt, die sind in fast jedem Industriezweig im Iran beteiligt. Was sagen Sie denn jetzt deutschen Unternehmen, die befürchten, dass ihre Geschäftspartner auf der Sanktionsliste stehen – sie sollen ab jetzt lieber nicht mehr im Iran investieren?
    Gabriel: Nein, das ist überhaupt nichts Neues, sondern es gibt eine ganze Reihe von Mitgliedern der Revolutionsgarden, die bereits heute gelistet sind. Er hat gestern etwas nicht gemacht, was er vorher angedroht hat, nicht die gesamten Revolutionsgarden im Iran, die dem Militär gleichgestellt sind, sozusagen auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Das war ursprünglich mal die Befürchtung, das ist gestern nicht passiert, und das ist auch ein Zeichen, dass er sich jedenfalls auch nicht alles getraut hat in den USA zu tun.
    Deutsche Unternehmen wissen sehr genau, mit wem sie im Iran operieren. Es ist nicht die Frage von Sanktionslisten, da stehen heute schon Leute drauf, es ist die Frage, gibt es Banken, die überhaupt bereit sind, im internationalen Geschäftsverkehr mit dem Iran deutsche Unternehmen, französische, britische, spanische zu begleiten, oder haben diese Banken alle Angst davor, dass wenn sie das machen, eines Tages die USA Sanktionen gegen sie unternehmen werden und nicht nur gegen den Iran, sondern gegen jedes Unternehmen, das bereit ist, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Das ist die Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlage auch für deutsche Unternehmen, und da haben wir den Amerikanern gestern und in den letzten Wochen gesagt, dass wir natürlich nicht akzeptieren können, dass wir unsere eigenen Unternehmen gefährden durch innenpolitisches Handeln der USA – aber die Lage ist schwierig, gar keine Frage, aber was anderes, als mit den Amerikanern reden, können wir nicht.
    Rohde: Das sagt der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel von der SPD. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben heute Morgen!
    Gabriel: Gerne, alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.