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Tschechien wehrt sich gegen deutschen Windstrom

Deutscher Ökostrom sorgt für Hochspannung in Tschechien. Ein Großteil der Windenergie aus Norddeutschland wird über das tschechische Stromnetz nach Bayern und Baden-Württemberg umgeleitet. Mit Folgen für die Versorgungssicherheit im Nachbarland.

Von Stefan Heinlein |
    Industrieminister Martin Kuba macht keinen Hehl aus seiner Empörung. Die deutsche Energiewende ist eine Bedrohung für Tschechien. Sein Land sei nicht länger bereit, das Risiko eines totalen Blackouts zu tragen:

    "Seit dem letzten Jahr ist die Überlastung unserer Stromnetze deutlich gestiegen. Das bedroht die Energiesicherheit unseres Landes. Wir müssen die Interessen der Tschechischen Republik schützen."

    Nun belässt es die Prager Regierung nicht länger bei Worten. In den kommenden Jahren wird in Nordböhmen unweit der Grenze zu Sachsen ein gigantisches Bollwerk gegen die grüne Stromflut errichtet. Ein Riesentransformator soll das eigene Stromnetz vor unerwarteten Stromschüben aus Deutschland schützen. Notfalls soll sogar das tschechische Stromnetz vollständig vom Nachbarland abgekoppelt werden. Die geplanten Baukosten von rund 80 Millionen Euro seien gut angelegtes Geld, meint der Chef des tschechischen Netzbetreibers CEPS, Vladimir Tosovsky:

    "Deutschland fördert die alternativen Energien und hat viele neue Windkraftwerke gebaut. Es fehlt aber das notwendige Übertragungsnetz, um den Strom sicher nach Süddeutschland zu transportieren. Wir schützen unser Stromnetz jetzt mit dieser technischen Lösung.""

    Das Fehlen eigener Nord-Süd-Stromautobahnen wird auch von deutscher Seite eingeräumt. Wenn an der Nordsee die Windkraftanlagen auf Hochtouren laufen, fließt der Strom für Bayern und Baden-Württemberg notgedrungen über Tschechien oder Polen. Dort droht deshalb regelmäßig die Sicherung herauszufliegen, erklärt die Energieexpertin Zuzana Solcova:

    "Ein totaler Blackout ist nicht ausgeschlossen. Diese Gefahr steigt von Jahr zu Jahr, weil immer mehr Ökostrom durch unser Netz fließt."

    Der Streit um den deutschen Ökostrom belastet das ohnehin gespannte energiepolitische Verhältnis der beiden Nachbarländer. In Prag wird die deutsche Energiewende mit wenig Begeisterung beobachtet. Alle im Parlament vertretenen Parteien halten den Berliner Atomausstieg für eine Kurzschlussreaktion. Die Regierung setzt unbeirrt auf den Bau neuer Kernkraftwerke. Das AKW Temelin wird in wenigen Jahren zwei weitere Meiler erhalten. Auch die Mehrheit der Bevölkerung stützt den Atomkurs der Regierung. In manchen Zeitungskommentaren wird dagegen die deutsche Ökostrompolitik mit der Gefahr eines Blackouts für Osteuropa als das größte Sicherheitsrisiko unserer Zeit beschrieben.

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