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Tsipras reist nach Berlin
Reformvorschläge im Gepäck

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras reist mit einigen Reformvorschlägen im Gepäck nach Berlin zum Treffen mit Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin und auch Politiker aus Union und SPD erwarten einiges. Allerdings sorgt ein geplantes Treffen mit Linken-Fraktionschef Gregor Gysi für Zündstoff.

Von Frank Capellan | 23.03.2015
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras beim EU-Gipfel in Brüssel.
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras wird in Berlin erwartet. (AFP / Alain Jocard)
    "Missverstehen kann den Titel nur, wer ihn missverstehen will", meint "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Für Diskussionen sorgt das Blatt am Tag des Tsipras-Besuches allemal. Eine Fotomontage, die die Kanzlerin im Kreise von Wehrmachtsoffizieren zeigt, überschrieben mit der Schlagzeile "The German Übermacht". Solche Zuspitzungen mit Blick auf die deutsche NS-Vergangenheit gab es bisher meist nur in Blättern Griechenlands oder Großbritanniens.
    Die "Bild"-Zeitung hingegen geht heute überraschend auf Schmusekurs. Wochenlang hatte das Boulevard-Blatt eine Kampagne gegen die raffgierigen Griechen gefahren - heute heißt es in deutschen und sogar griechischen Buchstaben: "Willkommen in Deutschland, Herr Tsipras!" Um 17 Uhr soll der Premierminister mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt empfangen werden. Angela Merkel ist darum bemüht, die aufgeheizte Stimmung wieder auf Normaltemperatur zu bringen, lässt aber keinen Zweifel daran, dass sie einiges von Tsipras erwartet.
    "Die griechische Regierung wird Eigenverantwortung für die Reformen tragen und in den nächsten Tagen eine umfassende Liste spezifischer Reformen vorlegen."
    Gabriel hofft auf Neustart
    Gestern Abend bemüht sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier schon einmal, das Eis zu brechen. Der Sozialdemokrat empfing seinen Amtskollegen Nikos Kotzias. Von einem fruchtbaren Gespräch war danach die Rede. Offenbar konnte der Streit über deutsche Reparationszahlungen für NS-Zwangsanleihen entschärft werden. Kotzias spricht nun von einem Rat der Weisen, von Wissenschaftlern, die sich der Sache annehmen sollen. Eine Stiftung, eine verstärkte Förderung des deutsch-griechischen Jugendwerkes könnte für beide Seiten die Chance bieten, das Gesicht zu wahren.
    "Ich persönlich erwarte, dass wir einen wirklichen Neustart schaffen", so SPD-Chef Sigmar Gabriel vor dem Tsipras-Besuch in Berlin. Die Griechenland-Hilfen - von seiner Partei immer mitgetragen - hinterfragt er inzwischen auch öffentlich. "Es reicht nicht allein, Banken zu retten", betont der Vizekanzler. "Das Elend in Griechenland ist riesig." Aber ein neues Hilfsprogramm soll es nicht geben, meint auch SPD-Finanzexperte Carsten Schneider am Morgen im ARD-Fernsehen.
    "Was wir machen können, ist Griechenland bei den Zinszahlungen und bei den Tilgungen - wann sie wie viel zu zahlen haben - entgegenzukommen. Das sind die Stellschrauben, an denen man drehen kann und entscheidend ist jetzt wirklich, dass Griechenland Zahlen auf den Tisch legt, das wir wissen, wie fragil ist die Situation. Und dass sie sich zu Reformen bekennen, die letztendlich zu mehr Arbeitsplätzen führen."
    Vorschläge an Merkel
    Wie diese Reformen aussehen könnten, will sich Alexis Tsipras allerdings nicht vorschreiben lassen, und so betont Tsipras vor seiner Deutschland-Reise auch:
    "Es ist Sache der griechischen Regierung, jene Reformen zu formulieren, die wir für nötig halten, um voranzukommen."
    Tsipras dürfte Merkel heute also Vorschläge machen. Die Rede ist davon, die Rente mit 67 in Griechenland einzuführen, ein heikles Vorhaben, vor der Wahl hatte er versprochen, den Ruhestand ab 62 nicht anzurühren. Athen will zudem an Schwarzgeld heran, dass reiche Griechen ins Ausland geschafft haben. Eine höhere Mehrwertsteuer für Touristeninseln ist im Gespräch. Klare Ansagen in diese Richtung erwartet auch der Fraktionsgeschäftsführer der Union. Michael Grosse-Brömer fordert im Deutschlandfunk von Griechenlands Politikern:
    "Wenn wir euch helfen, was wir gerne tun, und wenn wir euch gerne im Euro halten wollen, dann müsst ihr aber auch nicht nur irgendwelche Sprüche machen, sondern dann müsst ihr auch was unternehmen, damit das gemeinsam gelingen kann. Und Vertrauen ist zerstört worden durch die griechische Regierung, das muss zurückgewonnen werden, und ich hoffe, dass das heute auch gelingen kann."
    Alexis Tsipras wird bis morgen in Deutschland bleiben. Einen Besuch in der Bundespressekonferenz hat er inzwischen abgesagt. Stattdessen will er den Fraktionschef der deutschen Linken, Gregor Gysi treffen. Zu ihm und dessen Partei pflegt der Grieche eine enge Freundschaft. Da ein solches Treffen im Rahmen eines Staatsbesuches erneut für Ärger sorgen könnte, soll offenbar nun nach Wegen gesucht werden, auch die Vorsitzenden der anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages zu treffen.