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Türkei
Prozess gegen Can Dündar geht weiter

In Istanbul ist ein weiterer Prozess gegen den türkischen Journalisten Can Dündar gestartet - in seiner Abwesenheit. Ihm wird die Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen. Mit im Gerichtsaal ist seine Frau Dilek, die das Land seit zwei Jahren nicht verlassen darf.

Von Karin Senz | 10.10.2018
    Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung «Cumhuriyet», der türkische Journalisten Can Dündar, hält am 21.01.2018 im Thalia Theater in Hamburg eine Rede zur Eröffnung der Hamburger Lessingtage. Foto: Georg Wendt/dpa | Verwendung weltweit
    Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet", der türkische Journalisten Can Dündar (dpa)
    Der Fall des türkischen Journalisten Can Dündar hat den Staatsbesuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin Ende September dominiert. Für Erdogan ist er ein Spion. Er verlangt, dass Deutschland Dündar, wo er im Exil lebt, ausliefert. Die Bundesregierung hat sich nicht nur für Dündar eingesetzt, sondern auch für seine Frau Dilek, die die Türkei nicht verlassen darf. Heute wird gegen Can Dündar in Istanbul weiter verhandelt – in seiner Abwesenheit. Aber seine Frau wird im Gerichtssaal sein.
    "Um zu gewinnen, muss ich stark sein und immer lächeln"
    Dilek Dündar sitzt in einem gut besuchten Straßencafé direkt am Taksim-Platz im Zentrum von Istanbul. Sie sticht heraus, denn sie strahlt über das ganze Gesicht – das Lachen lässt sie sich nicht nehmen, trotz allem, was sie und ihr Mann Can Dündar in den letzten Jahren erlebt haben:
    "Weil wir uns dafür entschieden haben, uns zu wehren. Ich glaube fest, dass ich das genau so machen muss. Wenn ich down bin, dann bringt das nichts. Dann habe ich das Gefühl, ich verliere den Krieg. Um zu gewinnen, muss ich stark sein und immer lächeln."
    Wie stark Dilek Dündar ist, hat sie beim Attentat auf ihren Mann gezeigt. Sie griff nach der Waffe des Täters und schützte so Can Dündar. Letzte Woche verurteilte ein Istanbuler Gericht den Attentäter zu zehn Monaten Haft - wegen illegalen Waffenbesitzes – nicht wegen der Schüsse, erzählt sie. Ihr Mann floh kurz nach dem Attentat nach Deutschland. Ihr Pass wurde einbehalten. Das ist zwei Jahre her. Ihren Sohn hat sie schon drei Jahre nicht mehr gesehen. Er lebt in London und meidet die Türkei:
    "Wir telefonieren zwei, drei Mal am Tag, manchmal skypen wir auch zu dritt. Dann reden wir über Filme, zu welchen Konzerten wir gehen, was wir grade lesen. Wir versuchen ein normales Leben zu führen wie damals, als wir alle zusammen zuhause gelebt haben. Wir weinen nicht am Telefon, und fragen uns, warum sie das mit uns machen. Wir versuchen nur zu überleben und stark zu sein."
    Aber die Frau mit den roten Locken wirkt nicht nur stark, sondern vor allem warmherzig. Bei Erdogans Staatsbesuch in Deutschland haben sich sowohl Kanzlerin Merkel als auch Bundespräsident Steinmeier dafür stark gemacht, dass sie die Türkei verlassen darf:
    "Mein Land hält mich als Geisel"
    "Das macht mich einerseits irgendwie traurig. Denn mein Land hält mich als Geisel. Und es ist nicht gut für die internationale Politik, dass sie sich mit mir beschäftigt. Also was das angeht ist das wirklich traurig. Aber anderseits reden mächtige Regierungen über mich. Das macht mich natürlich fast ein bisschen stolz oder verlegen. Aber ich weiß nicht so recht, ob das wirklich was bringt."
    Ihr Mann Can Dündar steht im Vordergrund. Die Türkei will seine Auslieferung. Erdogan selbst nennt ihn einen Spion. Erol Önderoglu von der Organisation Reporter ohne Grenzen in der Türkei ist wenig optimistisch: "Solange Dündar für Erdogan ein Feind ist, brauchen wir, glaube ich, von der Justiz keine Wunder erwarten."
    Dündar soll eine Terrororganisation unterstützt haben, gemeint ist die Gülen-Bewegung. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Es wird in seiner Abwesenheit verhandelt, aber in der Anwesenheit seiner Frau: "Ich will ihnen zeigen, dass wir die Geschädigten sind. Ich gehe hin, um sie wissen zu lassen, dass sie einen Fehler gemacht haben."
    Es wäre eine Gelegenheit für die Türkei, einen Schritt in Richtung Rechtsstaatlichkeit zu gehen, wie es die Bundesregierung fordert. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen in Deutschland sieht zumindest eine kleine Chance dafür. Dilek Dündar wagt gar nicht davon zu träumen, dass sie die Türkei bald verlassen darf. In letzter Zeit seien ihre Träume nie in Erfüllung gegangen. Sie vermisst ihren Mann und ihren Sohn, sagt sie und versteckt ihre Traurigkeit hinter einem Lachen: "Ich glaube, dass wir wieder zusammenkommen und alle darüber lachen, über das, was wir erlebt haben - das hoffe ich zumindest!"