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Türkischer Kunstmäzen 1000 Tage in Haft
Warnung für liberale Szene

Der türkische Kunstmäzen Osman Kavala ist seit mehr als drei Jahren in Haft. Einer der Vorwürfe: Er soll Proteste im Gezi Park organisiert haben. Die türkische Regierung missbilligt sein Engagement. Denn er finanziert nicht nur spektakuläre Kunstmuseen, sondern auch kritische Kultureinrichtungen.

Ingo Arend im Gespräch mit Katja Lückert |
Anhänger von Osman Kavala reagieren fassungslos auf seine erneute Festnahme
Unterstützer des türkischen Kunstmäzens Osman Kavala protestieren gegen seine Haft (AFP / Ozan Kose)
Osman Kavala ist Mitglied eines millionenschweren Familienclans, der in der Türkei Kunst und Kultur fördert. Aus dem einfachen Grund, dass der Staat diesen Bereich kaum finanziell unterstützt. Kavala finanziert aber nicht nur gefällige Festivals und Biennalen, sondern auch Gruppen, die sich Tabuthemen und kritischen Fragen nähern und sich unter anderem mit armenischer Kultur und Geschichte beschäftigen.
Das sind die Schwerpunkte seiner 2002 gegründeten Stiftung Anadolu Kültür. Kavala unterhält neben seinem Depot-Kunstraum in Istanbul ein Büro im kurdischen Diyarbakir und er hat ein armenisch-türkisches Jugendorchester unterstützt. Außerdem arbeitet er mit dem Goethe-Institut zusammen.
Angst vor liberalen Ansätzen
"Mit seinen Projekten will er vor allem die Selbstorganisation der türkischen Zivilgesellschaft unterstützen", so Ingo Arend. Und genau das "ist natürlich ein Ansatz, der in der nationalistischen Türkei dem Staat suspekt ist." Kavalas Verhaftung vor drei Jahren war ein klares Signal an die liberale Bourgeoisie, es nicht zu weit zu treiben mit der Förderung kritischer Kunst, erklärte Arend. Er und auch andere türkische Intellektuelle wurden nicht wie zahlreiche Häftlinge wegen Corona amnestiert. Sie alle sind trotz der schwierigen Situation weiter im Gefängnis. "Seit den Verhaftungen wegen der Gezi Proteste schreiten die schleichenden Repressionen weiter voran", so Arend.
Düstere Aussichten
Wenn so jemand weiter in Haft bleibt und trotz Corona nicht frei gelassen wird, bedeutet dies für die kritische unabhängige Kulturszene düstere Aussichten, weil es ihren Spielraum weiter einengt. Die Zeiten des "Cool Istanbul" aus den 2000er-Jahren sind definitiv vorbei.