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TV-Gelder in der Bundesliga
Andreas Rettig: "Wichtig ist, dass wir als Liga insgesamt den Kurs ändern"

Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig fordert, die Verteilung von TV-Geldern an Bundesligavereine auch an Kriterien wie Nachhaltigkeit zu knüpfen. Profifußball verdiene Geld damit, in der Öffentlichkeit zu stehen und müsse daher "auch einer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden", sagte Rettig im Dlf.

Andreas Rettig im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Der Geschäftsführer des FC St. Pauli, Andreas Rettig, steht in den leeren Rängen des Millerntor-Stadions
Andreas Rettig war bis Ende September 2019 Geschäftsführer des FC St. Pauli - davor unter anderem Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, DFL. (dpa/picture alliance/Revierfoto)
"Hat der Klub ein Solardach? Was ist mit Elektro-Ladestationen?"
Wenn es nach Andreas Rettig geht, sollten solche Fragen zukünftig eine Rolle spielen, wenn es darum geht, wie die TV-Gelder unter den verschiedenen Bundesligavereinen aufgeteilt werden sollen. Der ehemalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) plädierte in der Sendung "Sport am Samstag" dafür, die Verteilung der TV-Gelder auch an Kriterien wie Nachhaltigkeit und andere gesellschaftsrelevante Aspekte zu knüpfen:
"Eine Branche wie der Profifußball, der letztlich deshalb so viel Geld verdient, weil er in der Öffentlichkeit steht und durch die Öffentlichkeit Geld verdient, muss auch einer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden", sagte Rettig im Dlf.
Beim Merchandise auf Fairtrade achten
Statt also bei der Verteilung der TV-Gelder wie bisher vor allem auf den Erfolg der verschiedenen Bundesligavereine zu schauen, zählt Rettig im Gespräch mit dem Deutschlandfunk andere Kriterien auf, die er sich vorstellen könnte:
"Was ist mit der Produktion von Merchandising-Artikeln - werden die Fairtrade gehandelt? Wie wird das Regenwasser genutzt? Was passiert mit den unzähligen Lebensmitteln, die pro Spieltag nach dem Spiel quasi weggeschmissen werden müssen, weil im Überfluss produziert wurde? Und und und..."
Alles in allem wünscht sich der 57-Jährige, der bis September 2019 Geschäftsführer beim Zweitligisten FC St. Pauli war, eine Kursänderung in der Bundesliga: Weg von der aus seiner Sicht zu starken Fixierung auf die Umsatzmaximierung. "Das ist der falsche Weg", so Rettig.
Daneben plädiert Rettig auch für eine Art der TV-Gelder-Verteilung, die die Bundesliga wieder spannender macht. Momentan kommen vor allem die Vereine in den Genuss großer Zahlungen, die große sportliche Erfolge vorweisen können - was es für kleinere, weniger erfolgreiche Vereine zunehmend schwieriger mache, sich im Wettbewerb gegen die großen, finanzkräftigen Klubs zu behaupten.
Aussage von Rummenigge "irreführend"
Vereine wie der FC Bayern München und Borussia Dortmund fordern hingegen, die jetzige Verteilung beizubehalten. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, meinte zum Beispiel: "In Deutschland gibt es eine sehr solidarische, ausgewogene Verteilung der TV-Gelder. Der Meister erhält doppelt so viel TV-Einnahmen wie der Tabellenletzte."
Rettig nannte diese Aussage "irreführend". Rummenigge beziehe sich mit seiner Aussage nur auf die Einnahmen der DFL aus der nationalen Vermarktung. Die Einnahmen aus der internationalen Vermarktung würden hingegen deutlich stärker den Top-Clubs zugutekommen. Dadurch erhalte Bayern München insgesamt das 3,8-fache an Einnahmen wie Vereine aus dem Tabellenkeller. "Wenn Sie das mal transportieren auf die Umsatzgrößen und die Entwicklungen der letzten Jahre und dann ein Club sechs-, sieben-, achtmal so viele Möglichkeiten hat, Kapital einzusetzen, dann kann er auch ein paar mehr Fehler machen", so Rettig.
Verteilung in England fairer
In der Tat ist die Spreizung in der Bundesliga im Vergleich zur Premiere League groß: In England bekommt Bestverdiener Liverpool nur das 1,6-fache von dem, was der Tabellenletzte bekommt. In Spanien und Italien hängt die Verteilung der Gelder zudem zu einem gewissen Teil davon ab, wie viele Fans der jeweilige Verein hat und wie viele Menschen am TV zuschauen.
Rettig sieht es aber als schwierig an, dieses Konzept auf Deutschland zu übertragen. Es mache große Unterschiede, ob ein Verein am Freitagabend oder Samstagabend spiele, sagte Rettig. "Das heißt, dadurch würde auch die DFL als spielleitende Stelle massiv Einfluss nehmen können auf Primetime-Zeiten. Ich denke, das wird ein ganz schwieriges Thema bei dieser Frage."
"Angriff auf die Solidarität des Fußballs"
Angesprochen auf die Warnung von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass man die Zugpferde der Liga im internationalen Vergleich nicht schwächen dürfe, erwiderte Rettich: "Ich würde dafür plädieren, den nationalen Wettbewerben immer Priorität einzuräumen. Der Fußball-Fan war auch schon vor der Champions-League da."
Es sei utopisch, mit Vereinen mithalten zu wollen, die von Scheichs oder chinesischen Konglomeraten unterstützt werden. Er kritisierte zudem die Gelder, die Top-Clubs international einnehmen. "Diese irrwitzigen Champions-League-Summen oder auch die Club-WM in China, das ist für mich ein kolossaler Angriff auf die Solidarität des Fußballs insgesamt. Das wird ganz sicher in die Sackgasse führen."
Financial Fairplay politisch unterstützen
Auch der Gedanke des Financial Fairplays sollte im Profifußball eine wichtige Rolle spielen, ginge es nach Andreas Rettig - auch wenn es in dieser Hinsicht zuletzt einen Rückschlag gab: Der internationale Sportgerichtshof CAS hob am Montag (13.7.) eine Entscheidung der UEFA auf, wonach der englische Profiklub Manchester City wegen Verstößen gegen die Financial-Fairplay-Regularien mit einer zweijährigen Europapokal-Sperre bestraft werden sollte.
Auf die Frage, ob Financial Fairplay damit gestorben sei, sagte Rettig: "Ich habe noch ein bisschen Resthoffnung, weil der Grundgedanke des Financial Fairplays ein richtiger, ein ehrenwerter und auch weiterhin zu verfolgender ist. Von daher finde ich schon, dass man alles dafür tun muss, dass man diesen ungezügelten Finanzbedarf, der eingeführt wird, auch reglementiert."
Dafür halte er allerdings Unterstützung aus der Politik für notwendig. "Man City hat unendlich viel Geld, braucht keine Gerichtskosten und keine Prozesse scheuen in der Frage. Wenn sie aber wüssten, dass auch die Politik dem Grunde nach hier Grenzen setzt, dann wird es schwer auch für einen solchen Club, ihr Interesse mit noch so viel Geld durchzusetzen."