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TV-Thriller "Dead Man Working"
Workaholic oder Zombie?

Vom Höhenflug in den tiefen Fall: Im ARD-Thriller "Dead man Working" gerät die Welt des Jungbankers Tom durch den Suizid seines Vorgesetzten vollkommen aus den Fugen. Mit seinem Film blickt Regisseur Marc Bauder tief in den gescheiterten Kulturwandel in der Finanzbranche.

Von Marco Müller | 31.10.2016
    Jochen Walther (Wolfram Koch, links) und Tom Slezak (Benjamin Lillie) im TV- Thriller "Dead Man Working" im Rahmen der ARD-Themenwoche "Zukunft der Arbeit"
    Jochen Walther (Wolfram Koch, links) und Tom Slezak (Benjamin Lillie) im TV- Thriller "Dead Man Working" (HR/Börres Weiffenbach)
    Filmszene Flughafen:
    "Final Call für Herrn Walther und Herrn Slezak!"
    Jochen Walther: "Gleich hat sie uns und du bist schuld – das schlechteste Pokerface im ganzen Universum."
    Stewardess: "Entschuldigung? Sind Sie Herr Walther und Herr Slezak?"
    Jochen Walter: "Eh-Warum?"
    Stewardess: "Sie wurden schon dreimal aufgerufen."
    Tom Slezak: "Ach – echt?"
    Stewardess: "Hier die Vip – Lounge: Das Boarding bitte noch mal öffnen. Die Herrschaften dürfen ihren Flug nicht verpassen."
    Geschichte von Verführung und Verführbarkeit
    Das Pokerface seines Vorgesetzten Jochen Walther fehlt Jungbanker Tom Slezack noch – so versnobt, um mit einer VIP-Card in der Lounge das Flugzeug auf sich warten zu lassen, ist er aber bereits. Mit treffenden Dialogen und fast grafischen Bildern von der Frankfurter Skyline führt der Film "Dead man working" den Zuschauer in den 12-24 Stunden Tage einer Großbank ein. Ehrgeiz und Stiefellecken sind hier der Kitt, der die Bank zusammenhält, Worthülsen wie Familien-und Teamgeist die Fassade, auf die Regisseur Marc Bauder Nachwuchsbanker Tom zunächst hereinfallen lässt.
    "Der Film erzählt auch eine Geschichte von Verführung und Verführbarkeit. Diese junge Figur Tom Slezack hat in Jochen Walter, diesem hochrangigen Investment Banker, eine Vaterfigur gefunden. Mit diesem Familiengedanken wird sehr stark in dieser Branche gespielt: Dass man einen Familienersatz, einen Mentor bekommt, an dem man sich orientieren kann. Für jemanden, der eine Struktur sucht, ist das ideal. Es gibt auch ganz klare Regeln und wenn ich das und das tue, bekomme ich eine Belohnung. Diese Firmen sind ziemlich schlau darin, Menschen zu führen."
    Die Belohnung fürs Buckeln lässt auch in "Dead man Working" nicht auf sich warten. Der charismatische Jochen Walther schickt Tom bei einem Termin in London vor die Tür, um dem Emirat Katar allein ein milliardenschweres Kreditangebot zu machen. Als Dank darf Tom den erfolgreichen Deal schließlich in Frankfurt auf seinem Konto verbuchen.
    Vom Höhenflug in den tiefen Fall
    Jochen Walther: "Gleich werden die Verlierer wissen, wer die Gewinner sind. Du schickst den Deal raus, Tom. Das ist sein erster großer Deal – über eine Milliarde."
    Der Moment danach, als Tom erstmals in den Rausch der Nullen hinter seinen Geschäftszahlen gerät, zeigt der Film jedoch ebenso in kalten Farben, wie Toms Mentor Jochen Walther, der im Stroboskopgewitter einer Disco abseits feiernder Banker ins Nichts starrt. Abrupt folgt im Film auf den scheinbaren Höhenflug auch schon der tiefe Fall:
    Nachrichten: "Wie soeben mitgeteilt wurde, hat sich Jochen Walther, Investmentbanker bei der Bank der Deutschen, in den frühen Morgenstunden das Leben genommen."
    Nachrichten: "Nach ersten Erkenntnissen schließt die Polizei Fremdeinwirkung aus."
    Direkt nach dem Triumph stürzt sich der Investmentbanker des Jahres vom Frankfurter Bankturm – und der Film macht eine 180 Grad Wende. Tom hat mit dem Mentor auch die Orientierung verloren. Wo zuvor Ersatzfamilie und Gewinn auf seinem persönlichen Kompass die Richtung vorgaben, dreht sich die Nadel nun im Kreis. Zugleich wirft Witwe Nora dem Vorstand der Bank, Bensen, vor, ihren Mann auf dem Gewissen zu haben. Tom beginnt mit der Suche nach dem Motiv für den Freitod seines Ersatzvaters – und der Film wird zum Thriller.
    - Tom Slezack: "Nora, bitte leg nicht auf wir müssen uns treffen. Jochen muss mit irgendjemanden telefoniert haben. Hat er dich angerufen?"
    - Nora: "Mmh."
    - Tom Slezack: "Bensen lügt mich an, aber ich weiß noch nicht warum. Es hat irgendwas mit unserem Deal in London zu tun. Und auf dem Dach war eine Kamera abmontiert – genau die, die Jochens Sprung aufgenommen hätte."
    Auf der Suche nach der Wahrheit beginnt Tom ein System zu durchschauen, durch das er seinem Vorbild zuvor blind gefolgt ist. Ist Jochen Walther vielleicht sogar umgebracht worden? Sind menschenverachtende Strukturen in seinem Arbeitsleben schuld an seinem Tod? Oder sind Diejenigen schuld, die sich solchen Strukturen bereitwillig oder blind unterworfen haben? Geschickt nutzt Regisseur Marc Bauder das Genre des Verschwörungsthrillers, um dem Zuschauer mit seiner Hauptfigur Fragen zu stellen, die über das Bankmilieu hinausweisen. Schwarz-Weiß-Antworten darauf gibt es jedoch nicht.
    Großartige Darsteller
    "Wir alle neigen sofort dazu, immer zu wissen, was gut und böse ist, dazu neigt auch der Zuschauer. Das Dilemma ist, die Realität ist komplexer. Und deshalb versuchen wir , Risse zu produzieren, beim Zuschauer – das Wissen darüber, dass das nicht die finale Wahrheit sein muss, sondern sich dahinter noch andere Ebenen auftun. Das finde ich ein interessantes, beim Thriller ja oft benutztes Werkzeug."
    "Dead Man Working" ist ein intelligenter und sogar bestens unterhaltener Thriller und Autorenfilm - mit großartigen unbekannten und bekannten Darstellern, gut getimter Dramaturgie, Orchesterfilmmusik wie in einem Hollywoodfilm und Stunts in der Frankfurter City. Marc Bauder und sein Team legen damit die fiktive Fortsetzung ihres vielfach ausgezeichneten Kinodokumentarfilms "Der Banker - Master of the Universe" vor und erweitern die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nach oben und nicht - wie so viele andere Produktionen - nach unten. Bleibt zu hoffen, dass in den Anstalten in Zukunft auch anderswo so erfolgreich an einer langweilig gewordenen Formatierung gekratzt wird.