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Twitter
Wenn die Polizei Nutzer ausschließt

Fast jede Polizeibehörde ist mittlerweile auf Twitter aktiv, um schnell informieren zu können. Dabei werden teilweise auch Nutzer blockiert - beispielsweise Internet-Trolle oder Bots. Ein Verein will möglicherweise aber einige Fälle juristisch prüfen lassen.

Von Klaus Martin Höfer | 28.05.2018
    Das Internet? - Ein Fall für das Social Media Team der Polizei
    Die Polizei blockiert teilweise Twitter-Nutzer. (dpa-Zentralbild)
    Hauptkommisarin Yvonne Tamborini erklärt, wo auf dem Monitor ihres Computer die blockierten Twitter-User zu sehen sind.
    "Wir gucken uns das jetzt mal an, wir sind jetzt auf unserem Twitter-Account 'Polizei Berlin'. Und wenn wir jetzt hier einfach mal auf die Einstellung und den Datenschutz schauen, sieht man hier links blockierte Accounts."
    Bots werden blockiert
    Tamborini leitet seit 2016 die damals neu geschaffene Abteilung "Social Media Management" der Berliner Polizei. Sie gibt unumwunden zu, dass Accounts blockiert sind.
    "Und dann gucken wir mal rein. Jetzt zählen wir mal durch. Im Augenblick sind es eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs Accounts, die wir bei 417.000 Followern derzeit noch blockiert haben.
    Darunter auch ein Account mit einem Portraitbild von Adolf Hitler.
    "... so einen Account dulden wir einfach nicht bei uns als Follower."
    Und dann sind da noch Bots, automatisierte Accounts, die entweder standardisierte Antworten auf Tweets abgeben, ohne konkreten inhaltlichen Bezug. Oder es sind Bots, die andere Tweets in die Timeline des Polizei-Accounts weiterleiten, also re-tweeten.
    "Wir haben hier einen. Da kann man schon mal sehen, dass das ein Troll, ein Spam-Account ist. Der hat 58.800 Tweets schon abgelassen, der zerstört die Kommunikation. Ein klassischer Internet-Twitter-Troll."
    "Reines Nerven müssen wir aushalten"
    Dass nur solche User blockiert werden, bezweifelt allerdings Ulf Buermeyer, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Er hat andere Erfahrungen gemacht, zumindest mit anderen Polizeidienststellen. Der Verein hatte Journalisten und andere User aufgefordert, sich zu melden, wenn sie von der Polizei blockiert worden waren.
    "In den Beispielsfällen, die uns geschildert worden sind, gab es typischerweise keine echte Eskalation, sondern es schien so, dass Behörden quasi auf ersten Zuruf kritischer Fragen teilweise schon Menschen blockieren."
    Hauptkommisarin Tamborini sieht sich mit ihrem Blockier-Vorgehen im Reinen. Festgelegt sind die Regeln dafür in der Netiquette - so handhaben dies andere Polizeibehörden auch. Dass Follower blockiert werden, weil nur weil sie eine polizeikritische Meinung haben oder sie aus Sicht der Polizei unsachliche oder nervige Tweets absetzen, schließ Tamborini für Berlin aus.
    "Reines Nerven müssen wir aushalten. Wir können nicht beleidigt werden, uns kann man auch nicht nerven. Diesen Diskurs halten wir auf unseren Kanälen aus. Da wird niemand blockiert."
    In vielen Fällen Blockaden zurückgenommen
    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hatte angekündigt zu klagen, sollten Behörden Nutzer aus ihrer Sicht ohne Grundlage blockieren. Sie beruft sich dabei auch auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Allein schon durch Blockieren würden Nutzer, insbesondere Journalisten, vom einfachen Meinungsaustausch abgeschnitten, heißt es dort. Etwa 15 blockierte Nutzer haben sich mittlerweile mit einem von der Gesellschaft entworfenen Musterschreiben an die jeweilige Polizei gewandt. Ulf Buermeyer:
    "Die allermeisten Behörden haben nach unserer bisherigen Übersicht eingesehen, dass Twitter-Blockaden rechtswidrig sind und in vielen, vielen Fällen Twitter-App Blockaden zurückgenommen."
    Sind Netiquette-Regeln ausreichend?
    Zum Beispiel schreibt das Polizeipräsidium Frankfurt auf Anfrage, zum 1. April seien alle Blockierten entsperrt worden, darunter sei auch ein Journalist gewesen. Ein Zusammenhang mit dem Gutachten des Bundestages beziehungswiese der Klageandrohung wird dabei nicht hergestellt, stattdessen heißt es, es gebe keine Stellungnahmen zu "strategische Ausrichtungen und Taktiken". Ebenso wie die Berliner Polizei verweisen auch die in Hamburg und Frankfurt sowie die Bundespolizei auf die eigenen Netiquette-Regeln. Für Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrecht ist dies zu wenig.
    "Netiquette ist eine schöne Regel, die kann natürlich das Handeln der Beamten intern ein bisschen strukturieren eine Anleitung geben, aber für Grundrechtseingriff reicht keine Netiquette, sondern da braucht es ein formelles Gesetz, das vom Parlament beschlossen wird."
    Eine Klage, mit der dann auch die Rechtfertigung der Polizei hinterfragt würde, sei deswegen immer noch nicht vom Tisch, sollten sich weitere Betroffene melden.