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"Über die Chemiewaffen wird man nicht viel regeln können"

Die Kontrolle von Chemiewaffen sei wegen der Kämpfe in Syrien schwierig, meint Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Die größten Erfolgsmöglichkeiten sehe er in politischen Verhandlungen zwischen Russland und den USA.

Michael Brzoska im Gespräch mit Friedbert Meurer | 12.09.2013
    Meurer: Der frühere UNO-Inspekteur Hans Blix heute Morgen bei den Kollegen in Deutschlandradio Kultur zu den Schwierigkeiten, Chemiewaffen in Syrien zu kontrollieren. – Michael Brzoska ist Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Guten Tag, Herr Brzoska.

    Michael Brzoska: Guten Tag!

    Meurer: C-Waffen in Syrien unter Kontrolle stellen, ist das ein fast unmögliches Unterfangen?

    Brzoska: Es kommt darauf an, wie man das im Einzelnen politisch verhandelt. Es gibt ja dieses Chemiewaffen-Abkommen. Das ist der russische Vorschlag, dass die syrische Regierung das unterschreibt. Das sieht zunächst erst mal nur vor, dass Syrien erklärt, was es an Chemiewaffen hat. Das ist für Syrien relativ leicht, das können sie wahrscheinlich machen aufgrund der Informationen, die sie selber haben. Die Frage ist, ob man das akzeptiert. Wenn man das akzeptiert, dann kann man, glaube ich, auch relativ leicht die Chemiewaffen zum Beispiel erst mal außer Landes bringen.

    Meurer: Würden Sie sagen, Herr Brzoska, das soll man akzeptieren?

    Brzoska: Nein. Ich würde auch sagen, dass im Fall Syrien wie auch in anderen Fällen natürlich man auch dann hinterfragen muss, ob denn diese Deklaration Syriens hinreichend ist, ob das wirklich alles umfasst, was man an Chemiewaffen hat, und dann wird es kompliziert. Nach der Konvention hat man auch das Recht, als irgendein Staat, der auch diesen Vertrag unterzeichnet hat, Inspektionen zu verlangen. Diese Inspektionen müssten dann von der Organisation für die Nonproliferation von Chemiewaffen in Den Haag durchgeführt werden. Das können die aber de facto natürlich nicht. Die können ja nicht irgendwo in Syrien im Kriegsgebiet jetzt nach Chemiewaffen suchen, denn es wird ja gekämpft. Das heißt, es kommt sehr stark darauf an, ob jetzt auf westlicher Seite man bereit ist, erst mal die Erklärung zu akzeptieren, und vielleicht noch mal ein paar andere Basen, wo wirklich die syrische Regierung die Kontrolle hat, Inspektionen durchzuführen, oder ob man sagt, Nein, das reicht uns nicht. Dann wird es nicht gelingen, über die Chemiewaffen-Konvention diesen Konflikt zu lösen.

    Meurer: Was genau, Herr Brzoska, ist jetzt der Weg, um an die Waffen heranzukommen?

    Brzoska: Wie gesagt, die syrische Regierung wird erklären, die Waffen wird man wahrscheinlich auch relativ leicht unter internationale Kontrolle stellen können, indem man vor allen Dingen sie außer Landes schafft in Nachbarländer, Jordanien, Türkei, möglicherweise Irak. Aber dann ist die Frage, wie viel Vertrauen hat man denn, dass man damit schon wirklich den Großteil der Chemiewaffen hat. Wenn man dieses Vertrauen nicht hat, wird es nicht gelingen, über diese Chemiewaffen-Sache alleine diesen Konflikt wirklich weiterzubringen.

    Meurer: Das heißt schon, dass dem Westen gar nichts anderes übrig bleibt, als den Syrern es zu überlassen, bringt die C-Waffen außer Landes und da werden sie dann vernichtet?

    Brzoska: Ich denke, dass die Initiative, die russische Initiative weniger geeignet ist, jetzt über diese Frage der Kontrolle über die Chemiewaffen eine Lösung des Konflikts zu befördern, als über die politische Öffnung, die es gibt, dass jetzt Russen und Amerikaner verhandeln darüber, wie kann es weitergehen, und möglicherweise damit das, was ja eigentlich für diesen Konflikt notwendig ist – Sie hatten ja auch zurecht noch mal einen Beitrag, der sagt, der Krieg geht ja weiter -, nämlich den politischen Lösungsprozess, dass der befördert wird. Das ist eigentlich das, was ich als die größte Erfolgsmöglichkeit im Moment ansehe. Über die Chemiewaffen wird man nicht viel regeln können.

    Meurer: Es gibt ja jetzt bei der UNO-Resolution oder bei den Gesprächen, die es heute Abend in Genf geben wird, offenbar eine ganz entscheidende Meinungsverschiedenheit zwischen Moskau und Washington. Washington will auf jeden Fall, dass in der Resolution drinsteht, wenn Syrien nicht kooperiert, bleibt es bei der Androhung einer Militärintervention. Das genau will Russland verhindern. Das käme überhaupt nicht infrage, diese Drohung in der Resolution zu lassen. Wie will man da eine Einigung finden?

    Brzoska: Ich denke, man wird auf dieser Basis keine Einigung finden. Es gibt ja Kompromissvorschläge, aber ich glaube, die sind wiederum für den Westen nicht akzeptabel, nämlich keine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta zu machen, sondern nur nach Kapitel VI, oder sogar nur ein sogenanntes Presidential Statement. Das sind alles relativ schwache Instrumente, die jedenfalls nicht nach der UN-Charta als Begründung für ein militärisches Eingreifen benutzt werden können. Aber das ist nicht im Interesse des Westens. Wie gesagt, ich sehe da wenig Kompromissmöglichkeiten.

    Meurer: Also muss man den Punkt weglassen aus der Resolution?

    Brzoska: Ja, und ob das wiederum für den Westen akzeptabel ist? Denn das ist natürlich das Problem, dass, wenn Syrien die Chemiewaffen-Konvention unterschreibt – wir haben es bereits diskutiert -, man nicht weiß, ob es wirklich alle Chemiewaffen sind, die dann erfasst sind.

    Meurer: Eine Lösung könnte vielleicht sein, die Russen wollen, dass die USA quasi einen Verzicht auf einen Militäreinsatz erklären. Könnte die Lösung sein, dass man den Punkt einfach offen lässt, das steht nicht in der Resolution, aber jeder weiß, die Amerikaner behalten sich diese Möglichkeit vor.

    Brzoska: Ja, aber auch da ist nach den Erfahrungen, die die Russen im Irak gemacht haben – damals gab es ja die Resolution vor dem Irakkrieg, wo es offengehalten wurde; die Amerikaner haben sie dann später trotzdem zur Legitimation benutzt -, eher unwahrscheinlich, dass die Russen noch einmal eine solche Resolution verabschieden würden. Ich denke mal – und es ist ja auch nicht so, dass man eine Resolution braucht, um Syrien dazu zu bringen, die Chemiewaffen-Konvention zu unterschreiben; das kann Syrien aus freiem Willen machen. Wir können durchaus uns ein Szenario vorstellen, wo Syrien erklärt, wir werden Mitglied der Chemiewaffen-Konvention und wir legen jetzt unsere Chemiewaffen offen. Das muss man ja nicht unbedingt durch eine Resolution des Sicherheitsrates machen.

    Meurer: Die politischen Verhandlungen zwischen Russland und den USA sind immerhin schon einmal ein erster Erfolg, meint Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg. Er ist der Direktor dieses Instituts. Herr Brzoska, danke schön und auf Wiederhören!

    Brzoska: Auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.