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Über "Fake News" - Vierter Teil
Hat Donald Trump denn wirklich immer Unrecht?

"Ihr kritisiert immer nur Donald Trump, dabei hat er oft Recht" und "Warum wird immer nur der amerikanische Präsident angegriffen?". Auch das sind Stimmen einiger Hörer und Nutzer. Dazu der vierte Teil unserer Betrachtung aus der Nachrichtenredaktion zum Thema Fake News.

Von Marco Bertolaso | 14.03.2017
    Nun twittert er auch unter @potus. Mit der Amtsübernahme am 20. Januar 2017 übernimmt Donald Trump auch den Account des US-Präsidenten.
    Donald Trump - Twitter ist Teil seines Regierungsstils, und ein Teil seiner Tweets sind "Fake News". ((c) dpa)
    Von Marco Bertolaso

    Donald Trump bringt es nach einer Zählung der "Washington Post" pro Tag auf mehr als drei Lügen oder zumindest Aussagen, die in die Irre führen. Die Untersuchung ist auf die gesamte Amtszeit angelegt. Die Kollegen vom "National Public Radio" haben sich erst recht eine Herkulesaufgabe vorgenommen: sie veröffentlichen eine kommentierte Ausgabe der Tweets des 140-Zeichen-Präsidenten. Vielleicht versteht man sein Weltbild besser, wenn man sich Trumps Twitter-Timeline anschaut, also seine Nutzung, des Kurznachrichtendienstes, die CNN für alle sichtbar nachgebaut hat.
    Kein Lügen-Monopol bei Trump und Co.
    Natürlich haben Donald Trump und seine Leute kein Monopol auf Lügen und Propaganda in den USA. Gelogen und unterstellt wird mit oder ohne Absicht von vielen Seiten. Nehmen Sie die Debatte um die Zuschauer bei Trumps Amtseinführung. Es war völlig richtig, die Lügen des Präsidentensprechers und das von Trump-Beraterin Conway eingebrachte Konzept der "Alternativen Tatsachen" entschieden zurückzuweisen.
    Doch die ursprünglich veröffentlichte Gegenüberstellung der Bilder von Trumps großem Tag und Obamas Einführung 2009 war ohne Einordnung ebenfalls nicht redlich. Denn jeder weiß, dass im Großraum Washington die Demokraten stark in der Mehrheit sind. Man hätte dies dazuschreiben sollen oder die Bilder von Trumps Feier mit der der beiden Präsidenten Bush vergleichen können.
    Oder am Abend nach der Amtseinführung Trumps: zahlreiche Medien meldeten, Minuten nach dem Machtwechsel seien Themen wie der Klimaschutz oder die Rechte von Lesben und Schwulen von der Internetseite des Weißen Hauses getilgt worden. Trump habe sofort wichtige Anliegen von Vorgänger Obama einkassiert, so die Interpretation. Tatsächlich wurde einfach die Homepage neu aufgesetzt. Auch viele andere Unter-Seiten waren gelöscht, zum Beispiel die zu Wirtschaft und die zur inneren Sicherheit, beides Themen, die Trump sicher nicht vernachlässigen will. Hier haben manche Nachrichtenmedien zu schnell reagiert.
    Dieser Tage hat ein Artikel in "The Atlantic" beschrieben, wie das leichtfertige Weitergeben ungeprüfter Informationen bei progressiven Kräften in den USA zunimmt. Und Alan Rusbridger hat jüngst für die BBC das Verhältnis zwischen der Regierung Trumpmund den Medien untersucht. Dabei fand er auch manches Fragwürdige auf Seiten der großen Zeitungen und TV-Sender an.
    Diktaturen und autoritäre Regime
    Das Ganze ist selbstverständlich kein auf die USA beschränktes Phänomen. Ganz vorne sind Diktaturen und autoritäre Regime – und diese agitieren nicht nur zur Machtabsicherung im Inneren. Ein Beispiel: über die "aktiven Maßnahmen", also die Propaganda, mit denen sich Russland in die amerikanischen Wahlen eingemischt hat, hat der "New Yorker" einen beeindruckenden Artikel veröffentlicht. Hier wird auch berichtet, warum Präsident Obama nicht früher reagiert hat und warum das Clinton-Lager darüber frustriert ist.
    Dass nun soviel die Rede vom amerikanischen Präsidenten und seiner Entourage ist, das hat auch mit der verzerrten Gewichtung in der Weltinformationsordnung zu tun. Über jegliche Ausdrucksform einer Elitenation - und die USA sind da Nummer eins - wird einfach hundert Mal mehr berichtet als über die meisten anderen Länder. Das gilt für einen Schneesturm an der Ostküste über die Oscars bis zu Trump und Fake News.
    Gegen Rodrigo Duterte, den Staatschef der Philippinen, ist Trump ein absoluter Waisenknabe. Und im Vergleich zu Eduardo dos Santos, dem ewigen Präsidenten Angolas, ist er nicht nur arm, sondern natürlich auch innenpolitisch harmlos. Dass in Dresden bei Pegida und auch sonst mancherorts der Wunsch nach einem "nationalen Führer wie Putin" im Vergleich zum "verwahrlosten Westen" aufkommt, das ist eine echte Pointe, - wenn man denn darüber lachen könnte.
    Spin und PR haben auch freie Gesellschaften erobert
    Innerhalb von freien Gesellschaften dominiert bei der Täuschung nicht die glatte Lüge aus dem Zentrum der Macht. Sehr oft trifft man das an, was in Zeiten Tony Blairs gerne "spin" genannt wurde. Da ist die Halbwahrheit, die zugespitzte Aussage, die bewusste Auswahl bestimmter Tatsachen – und das Weglassen anderer. Das kommt bei der Bundesregierung vor wie bei der Opposition, bei DGB und Kirchen. Es gilt für Wirtschaft, Kultur und Sport, ebenso wie für Stellungnahmen von Greenpeace oder Amnesty.
    Überall werden PR und ergebnisorientierte Kommunikation geschult, längst auch mit Schwerpunkt auf die Sozialen Medien. Jede Partei und jeder Verband, jede Nichtregierungsorganisation und jede Hochschule – sie alle verfügen mehr oder weniger über das Wissen von oder über die Unterstützung durch PR-Agenturen.
    Fazit

    Donald Trump hat also nicht immer Unrecht und er ist bei weitem nicht der einzige, der mit "falschen Nachrichten" operiert. Auch viele andere politische und gesellschaftliche Akteure verbreiten Lügen oder doch zumindest Halbwahrheiten. Und sicher haben viele der Trump-Wähler Gründe, sich von den etablierten Politikern und Medien im Stich gelassen zu fühlen.
    Besorgniserregend ist aber nicht nur, dass ausgerechnet der mächtigste Mann der Welt beim Thema "Fake News" ganz vorne ist. Trump relativiert zudem systematisch Wahrheit und Tatsachen, er äußert Beschuldigungen, ohne jeden Beweis ("Obama ließ mich abhören") Trump diskreditiert Medien und er propagiert im klassischen Stil eines Alleinherrschers den direkten Austausch mit dem Volk, dessen Empfinden er zu kennen behauptet, Dabei geht er nicht nur über Medien, sondern auch über Parlament und Gerichte hinweg, also über Institutionen mit Verfassungsrang.
    Die gute Nachricht zum Schluß
    Die gute Nachricht ist, es geht hier um die USA und nicht um irgendein Land. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die Prüfung der Ära Trump letztlich Medien wieder besser macht und die gesamte Informationskultur stärkt, gleichsam wie eine Impfung. Die "New York Times" ist nicht das einzige Medium, das sich über rasant steigende Abo-Zahlen freut. Viele andere Zeitungen, Nachrichtensender und Late-Night.Shows legen zu. Die "New York Post" schreibt: "Trump’s ‘enemies’ in the media are getting rich off him." Wichtig ist auch, über Trump auf keinen Fall die Putins und Mugabes aller Erdteile zu vergessen und selbst in Deutschland immer wachsam zu bleiben.
    In den kommenden Tagen gehen wir auf weitere Hörerfragen ein, die sich zusammenfassen lassen mit:
    Was können die Medien gegen "Fake News" tun? (Teil fünf)
    Was unternehmen die Deutschlandfunk-Nachrichten? (Teil sechs)
    Was bedeuten "Fake News" für die Gesellschaft und was kann ich als einzelne(r) dagegen tun? (Teil sieben)
    Bereits veröffentlicht haben wir:
    Über Fake News - Ein Gespenst geht um, nicht nur in Europa (Teil eins)
    Was sind eigentlich "Fake News"? (Teil zwei)
    Haben Internet und soziale Medien "Fake News" groß gemacht? (Teil drei)