Dirk Müller: Verstößt der Vorschlag von Verteidigungsminister Jung, entführte Passagiermaschinen notfalls abschießen zu lassen, gegen die Verfassung? Kritiker sagen unisono ja. "Kein Problem, dann ändern wir eben die Verfassung" sagen wiederum die Befürworter des Vorschlages. Der Bundeswehrverband und die Vereinigung der Jet-Piloten haben indes klar gemacht: Einen solchen Befehl werden wir verweigern.
Darüber sprechen wollen wir nun mit Jörg van Essen, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und Oberst der Reserve. Guten Morgen!
Jörg van Essen: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr van Essen, würden Sie auch Nein sagen zu einem solchen Befehl?
van Essen: Ja, selbstverständlich und zwar weil für mich das Soldatengesetz gilt, wenn ich Soldat bin, und das Soldatengesetz sagt klar und eindeutig, dass ich einen rechtswidrigen Befehl nicht befolgen darf.
Müller: Auch wenn der Verteidigungsminister das anordnet?
van Essen: Auch dann. Man ist da in der Pflicht. Ich finde es auch gut so, dass es im Soldatengesetz so geregelt worden ist. Darauf weist ja auch der Bundeswehrverband und auch der Verband der Jet-Piloten zurecht hin.
Müller: Nun sagt Franz Josef Jung, alles kein Problem. Wir haben eine ungeklärte Rechtslage und in dieser ungeklärten Rechtslage sei es Befehlsverweigerung, wenn man einen Befehl nicht ausführt, und aufgrund dessen strafbar.
van Essen: Das ist falsch. Ich habe die Begründung gerade genannt. Das Soldatengesetz ist in dieser Frage eindeutig.
Müller: Was empfehlen Sie jetzt dem Verteidigungsminister?
van Essen: Zu schweigen, weil das Bundesverfassungsgericht die Situation geprüft hat aufgrund des Luftverkehrssicherheitsgesetzes, das damals ja von SPD, CDU/CSU und auch den Grünen verabschiedet worden ist. Wir als FDP haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass es verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass es dem Staat verboten ist, Menschen zum Objekt zu machen, die unschuldigen Passagiere eines Flugzeuges zum Objekt zu machen. Diese Entscheidung ist klar und eindeutig.
Müller: Nun gibt es Entscheidungen von Gerichten, die auf bestimmten gesetzlichen Grundlagen basieren. Nun kann man als Politiker und muss als Politiker sagen, bestimmte Dinge müssen wir auch ändern. Würden Sie bei einer Veränderung mitmachen?
van Essen: Nein. Wir würden bei einer Veränderung nicht mitmachen und das ergibt sich aus der Begründung, die das Bundesverfassungsgericht für sein Urteil gefunden hat. Es leitet das Verbot des Abschießens von Flugzeugen durch ein Gesetz aus zwei Artikeln her, die nicht verändert werden können, nämlich aus Artikel 1 und Artikel 2 und das können wir deshalb gar nicht ändern. Deshalb bin ich überrascht, dass es sogar Rechtsprofessoren wie den ansonsten von mir sehr geschätzten Kollegen Scholz gibt, die andeuten, dass hier eine Änderungsmöglichkeit bestehen würde. Sie besteht nicht!
Müller: Das heißt die FDP plädiert dafür, im Falle von entführten Passagiermaschinen diese in ein Hochhaus rasen zu lassen?
van Essen: Nein, das ist nicht unser Plädoyer. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass wir ja, wenn wir in einer solchen Situation sind, nicht nur das Schicksal der Personen zu berücksichtigen haben, die in einem Flugzeug sitzen, die unschuldig Opfer einer Entführung geworden sind, sondern wer über der dicht besiedelten Bundesrepublik Deutschland ein Flugzeug abschießen will, der muss sich natürlich auch Gedanken darüber machen, wo ein solches Flugzeug, hoch beladen mit Kerosin aufschlägt, welche weiteren Folgen das hat. Ich denke, dass es gut und richtig ist, dass eine solche Situation nicht vorher geregelt wird, denn derjenige, der in einer solchen Entscheidung ist, der muss sich die Entscheidung möglichst schwer machen. Jede gesetzliche Regelung dafür führt nur dazu, dass die Entscheidung leichter wird, und das kann und darf nicht richtig sein.
Müller: Aber habe ich Sie dann falsch verstanden? Das heißt wenn es dann doch eine Entscheidung für den Abschuss gibt, dann verstößt das doch gegen die Verfassung?
van Essen: Das verstößt gegen die Verfassung und es verstößt nicht nur gegen die Verfassung; es verstößt auch gegen das Strafrecht, weil es eine Tötung ist. Deshalb würde das die entsprechenden Konsequenzen haben.
Müller: Also gibt es doch keine rechtlich vernünftige Option?
van Essen: Es gibt keine rechtlich vernünftige Option. Das ist völlig richtig und das muss auch so sein. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht wie ich finde zurecht hingewiesen. Das Menschenleben ist nun einmal eines unserer höchsten Rechtsgüter.
Müller: Ist das ein Freibrief für Terroristen?
van Essen: Das ist kein Freibrief für Terroristen, weil wir in der Verantwortung sind zu verhindern, dass es überhaupt zu einer solchen Situation kommt. Ich glaube das ist ein Punkt in der Diskussion, der häufig vergessen wird. Dadurch, dass wir ständig überspitzte Forderungen seitens des Innenministers oder aber auch diese Äußerung des Verteidigungsministers haben, diskutieren wir überhaupt nicht mehr, was wir tun können und vor allen Dingen was wir tun müssen, um zu verhindern, dass es überhaupt zu solchen Situationen kommt.
Müller: Aber darüber diskutiert der Innenminister doch jeden Tag?
van Essen: Ja, aber mit überspitzten Vorschlägen mit dem Ergebnis, dass alles sofort zurückgewiesen wird, weil es überspitzt ist, und deshalb das, was eigentlich notwendig ist und was wir auch als Liberale wollen, dass es nämlich eine sachliche Diskussion darüber gibt, wo haben wir Defizite, wo muss etwas getan werden, in diesem Lande überhaupt nicht mehr stattfindet. Das ärgert mich ganz besonders. Ich bin nun von Hause aus Oberstaatsanwalt. Ich kenne von daher die Strafverfolgung. Ich bin aktiver Reservist der Bundeswehr, kenne deshalb auch die Probleme der Bundeswehr, und ich möchte gerne, dass wir darüber sachlich diskutieren. Das geschieht nicht und das ärgert mich ganz außerordentlich. Deshalb ist das etwas, was vorgeworfen werden muss. So eine Diskussion kann in unserem Lande nicht mehr stattfinden, weil wir ständig in einem Überbietungswettbewerb zwischen Verteidigungsminister und dem Innenminister sind. Alles das führt dazu, dass die vernünftige Diskussion in Deutschland nicht stattfinden kann.
Müller: Herr van Essen, um das noch mal unter dem Strich auch zusammenzufassen. Das heißt wenn es eine entführte Passagiermaschine in der Luft gibt und die steuert auf eine Stadt zu, dann müssen wir das akzeptieren und können es nicht verhindern?
van Essen: Nein! Wir müssen alles unternehmen, dass es nicht zu einer Gefährdung der Stadt - denn dort leben ja auch Menschen, die von einem abgestürzten Flugzeug, abgeschossenen Flugzeug dann gegebenenfalls getötet würden - nicht kommt. Wir müssen alles unternehmen, dass es zu einer solchen Situation nicht kommt. Das ist unsere vordringliche Verpflichtung und ich würde mir wünschen, dass wir darüber auch vordringlich diskutieren.
Müller: Demnach können wir da nur gut zureden?
van Essen: Es ist eine Situation, die man nicht vorher bedenken kann, die man vorher auch nicht gesetzlich regeln kann. Ich glaube das ist sehr deutlich geworden bei den Berichten, die wir in den letzten Tagen bei der Entführung von Hans Martin Schleyer hatten, in welcher Situation sich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt befunden hat. Auch das konnte man vorher gesetzlich nicht regeln. Da waren viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die konkret in dieser Situation erst entstanden waren. Ich finde wir sollten nicht dem deutschen Bedürfnis, alles bis ins kleinste zu regeln, wirklich nachgeben, denn solche Situationen erfordern, dass man sich in einer solchen Situation dann bemüht, die bestmögliche Entscheidung zu treffen, und das kann man vorher nicht gesetzlich festlegen.
Müller: Jörg van Essen war das, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch!
van Essen: Danke sehr.
Müller: Auf Wiederhören!
Darüber sprechen wollen wir nun mit Jörg van Essen, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und Oberst der Reserve. Guten Morgen!
Jörg van Essen: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr van Essen, würden Sie auch Nein sagen zu einem solchen Befehl?
van Essen: Ja, selbstverständlich und zwar weil für mich das Soldatengesetz gilt, wenn ich Soldat bin, und das Soldatengesetz sagt klar und eindeutig, dass ich einen rechtswidrigen Befehl nicht befolgen darf.
Müller: Auch wenn der Verteidigungsminister das anordnet?
van Essen: Auch dann. Man ist da in der Pflicht. Ich finde es auch gut so, dass es im Soldatengesetz so geregelt worden ist. Darauf weist ja auch der Bundeswehrverband und auch der Verband der Jet-Piloten zurecht hin.
Müller: Nun sagt Franz Josef Jung, alles kein Problem. Wir haben eine ungeklärte Rechtslage und in dieser ungeklärten Rechtslage sei es Befehlsverweigerung, wenn man einen Befehl nicht ausführt, und aufgrund dessen strafbar.
van Essen: Das ist falsch. Ich habe die Begründung gerade genannt. Das Soldatengesetz ist in dieser Frage eindeutig.
Müller: Was empfehlen Sie jetzt dem Verteidigungsminister?
van Essen: Zu schweigen, weil das Bundesverfassungsgericht die Situation geprüft hat aufgrund des Luftverkehrssicherheitsgesetzes, das damals ja von SPD, CDU/CSU und auch den Grünen verabschiedet worden ist. Wir als FDP haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass es verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass es dem Staat verboten ist, Menschen zum Objekt zu machen, die unschuldigen Passagiere eines Flugzeuges zum Objekt zu machen. Diese Entscheidung ist klar und eindeutig.
Müller: Nun gibt es Entscheidungen von Gerichten, die auf bestimmten gesetzlichen Grundlagen basieren. Nun kann man als Politiker und muss als Politiker sagen, bestimmte Dinge müssen wir auch ändern. Würden Sie bei einer Veränderung mitmachen?
van Essen: Nein. Wir würden bei einer Veränderung nicht mitmachen und das ergibt sich aus der Begründung, die das Bundesverfassungsgericht für sein Urteil gefunden hat. Es leitet das Verbot des Abschießens von Flugzeugen durch ein Gesetz aus zwei Artikeln her, die nicht verändert werden können, nämlich aus Artikel 1 und Artikel 2 und das können wir deshalb gar nicht ändern. Deshalb bin ich überrascht, dass es sogar Rechtsprofessoren wie den ansonsten von mir sehr geschätzten Kollegen Scholz gibt, die andeuten, dass hier eine Änderungsmöglichkeit bestehen würde. Sie besteht nicht!
Müller: Das heißt die FDP plädiert dafür, im Falle von entführten Passagiermaschinen diese in ein Hochhaus rasen zu lassen?
van Essen: Nein, das ist nicht unser Plädoyer. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass wir ja, wenn wir in einer solchen Situation sind, nicht nur das Schicksal der Personen zu berücksichtigen haben, die in einem Flugzeug sitzen, die unschuldig Opfer einer Entführung geworden sind, sondern wer über der dicht besiedelten Bundesrepublik Deutschland ein Flugzeug abschießen will, der muss sich natürlich auch Gedanken darüber machen, wo ein solches Flugzeug, hoch beladen mit Kerosin aufschlägt, welche weiteren Folgen das hat. Ich denke, dass es gut und richtig ist, dass eine solche Situation nicht vorher geregelt wird, denn derjenige, der in einer solchen Entscheidung ist, der muss sich die Entscheidung möglichst schwer machen. Jede gesetzliche Regelung dafür führt nur dazu, dass die Entscheidung leichter wird, und das kann und darf nicht richtig sein.
Müller: Aber habe ich Sie dann falsch verstanden? Das heißt wenn es dann doch eine Entscheidung für den Abschuss gibt, dann verstößt das doch gegen die Verfassung?
van Essen: Das verstößt gegen die Verfassung und es verstößt nicht nur gegen die Verfassung; es verstößt auch gegen das Strafrecht, weil es eine Tötung ist. Deshalb würde das die entsprechenden Konsequenzen haben.
Müller: Also gibt es doch keine rechtlich vernünftige Option?
van Essen: Es gibt keine rechtlich vernünftige Option. Das ist völlig richtig und das muss auch so sein. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht wie ich finde zurecht hingewiesen. Das Menschenleben ist nun einmal eines unserer höchsten Rechtsgüter.
Müller: Ist das ein Freibrief für Terroristen?
van Essen: Das ist kein Freibrief für Terroristen, weil wir in der Verantwortung sind zu verhindern, dass es überhaupt zu einer solchen Situation kommt. Ich glaube das ist ein Punkt in der Diskussion, der häufig vergessen wird. Dadurch, dass wir ständig überspitzte Forderungen seitens des Innenministers oder aber auch diese Äußerung des Verteidigungsministers haben, diskutieren wir überhaupt nicht mehr, was wir tun können und vor allen Dingen was wir tun müssen, um zu verhindern, dass es überhaupt zu solchen Situationen kommt.
Müller: Aber darüber diskutiert der Innenminister doch jeden Tag?
van Essen: Ja, aber mit überspitzten Vorschlägen mit dem Ergebnis, dass alles sofort zurückgewiesen wird, weil es überspitzt ist, und deshalb das, was eigentlich notwendig ist und was wir auch als Liberale wollen, dass es nämlich eine sachliche Diskussion darüber gibt, wo haben wir Defizite, wo muss etwas getan werden, in diesem Lande überhaupt nicht mehr stattfindet. Das ärgert mich ganz besonders. Ich bin nun von Hause aus Oberstaatsanwalt. Ich kenne von daher die Strafverfolgung. Ich bin aktiver Reservist der Bundeswehr, kenne deshalb auch die Probleme der Bundeswehr, und ich möchte gerne, dass wir darüber sachlich diskutieren. Das geschieht nicht und das ärgert mich ganz außerordentlich. Deshalb ist das etwas, was vorgeworfen werden muss. So eine Diskussion kann in unserem Lande nicht mehr stattfinden, weil wir ständig in einem Überbietungswettbewerb zwischen Verteidigungsminister und dem Innenminister sind. Alles das führt dazu, dass die vernünftige Diskussion in Deutschland nicht stattfinden kann.
Müller: Herr van Essen, um das noch mal unter dem Strich auch zusammenzufassen. Das heißt wenn es eine entführte Passagiermaschine in der Luft gibt und die steuert auf eine Stadt zu, dann müssen wir das akzeptieren und können es nicht verhindern?
van Essen: Nein! Wir müssen alles unternehmen, dass es nicht zu einer Gefährdung der Stadt - denn dort leben ja auch Menschen, die von einem abgestürzten Flugzeug, abgeschossenen Flugzeug dann gegebenenfalls getötet würden - nicht kommt. Wir müssen alles unternehmen, dass es zu einer solchen Situation nicht kommt. Das ist unsere vordringliche Verpflichtung und ich würde mir wünschen, dass wir darüber auch vordringlich diskutieren.
Müller: Demnach können wir da nur gut zureden?
van Essen: Es ist eine Situation, die man nicht vorher bedenken kann, die man vorher auch nicht gesetzlich regeln kann. Ich glaube das ist sehr deutlich geworden bei den Berichten, die wir in den letzten Tagen bei der Entführung von Hans Martin Schleyer hatten, in welcher Situation sich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt befunden hat. Auch das konnte man vorher gesetzlich nicht regeln. Da waren viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die konkret in dieser Situation erst entstanden waren. Ich finde wir sollten nicht dem deutschen Bedürfnis, alles bis ins kleinste zu regeln, wirklich nachgeben, denn solche Situationen erfordern, dass man sich in einer solchen Situation dann bemüht, die bestmögliche Entscheidung zu treffen, und das kann man vorher nicht gesetzlich festlegen.
Müller: Jörg van Essen war das, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch!
van Essen: Danke sehr.
Müller: Auf Wiederhören!
