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Überfall auf die Sowjetunion vor 75 Jahren
Das Unternehmen mit dem Decknamen "Barbarossa"

Der Überfall von Hitler-Deutschland auf die Sowjetunion begann am 22. Juni 1941, vor 75 Jahren. Was folgte, war ein grausam geführter Vernichtungskrieg, den Stalin zwar gewann. Die Sowjetunion hatte aber einen hohen Preis dafür zahlen müssen.

Von Otto Langels | 22.06.2016
    22. Juni 1941: Überfall von Hitlerdeutschland auf die Sowjetunion. Das Sowjetische Ehrenmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges in Grimma.
    Gedenken an den Überfall auf die Sowjetunion: das Sowjetische Ehrenmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges in Grimma. (picture alliance / ZB / Volkmar Heinz)
    "Aus dem Führerhauptquartier gibt das Oberkommando der Wehrmacht bekannt: Zur Abwehr der drohenden Gefahr aus dem Osten ist die deutsche Wehrmacht am 22. Juni, drei Uhr früh, mitten in den gewaltigen Aufmarsch der feindlichen Kräfte hineingestoßen …"
    Am 22. Juni 1941 begann unter dem Decknamen "Barbarossa" der Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion. Die nationalsozialistische Propaganda versuchte den Überfall als Präventivschlag gegen eine unmittelbar bevorstehende militärische Aggression der Bolschewisten zu kaschieren.
    Tatsächlich aber hatte Adolf Hitler bereits im August 1939, kurz vor dem Einmarsch in Polen, vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht erklärt:
    "Bei Beginn und Führung eines Krieges kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg."
    Die NS-Führung hielt einen Feldzug gegen die Sowjetunion für unabdingbar
    Und wenige Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion notierte Joseph Goebbels nach einem Gespräch mit Hitler in seinem Tagebuch:
    "Ob Recht oder Unrecht, wir müssen siegen. Das ist der einzige Weg. Und haben wir gesiegt, wer fragt uns nach der Methode. Wir haben sowieso so viel auf dem Kerbholz, dass wir siegen müssen, weil sonst unser ganzes Volk, wir an der Spitze mit allem, was uns lieb ist, ausradiert werden. Also ans Werk!"
    Die NS-Führung hielt einen Feldzug gegen die Sowjetunion für unabdingbar, um den "jüdischen Bolschewismus", so die Nazi-Terminologie, auszurotten, die eroberten Gebiete wirtschaftlich auszubeuten und "Lebensraum" für die deutsche Bevölkerung zu schaffen.
    "Hitler wollte immer nach Osten, und er wollte so schnell wie möglich nach Osten, auch bereits in den 30er Jahren, 38 / 39, war der Zeitpunkt gekommen."
    Sagt der Historiker Rolf-Dieter Müller, früherer Wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamts Potsdam. Während die Generäle zunächst an einen herkömmlichen Krieg und einen begrenzten Schlag gegen die Rote Armee dachten, verfolgte Hitler ein Konzept, das auf Erobern und Vernichten hinauslief.
    "Der Krieg im Osten wird anders geführt als im Westen. Das ist eben ein Weltanschauungskrieg. Da beginnt diese verbrecherische Richtung, was Verhalten gegenüber der Bevölkerung, den Politkommissaren, den Kriegsgefangenen, Hungerpolitik usw. anbelangt."
    Die deutschen Angriffsvorbereitungen verliefen ohne Rücksicht auf den am 23. August 1939 geschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, den sogenannten "Hitler-Stalin-Pakt". In einem geheimen Zusatzprotokoll war darin unter anderem die Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geregelt. Der Vertrag erleichterte Hitler den Überfall auf das Nachbarland Polen, während er Stalin den Zugriff auf die baltischen Staaten und Finnland ermöglichte. Zugleich versprach sich der sowjetische Diktator einen Zeitgewinn, um für den Fall eines späteren Krieges gegen Deutschland besser gerüstet zu sein.
    Der Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski von der Berliner Humboldt-Universität:
    "Der Hitler-Stalin-Pakt war eigentlich nur deshalb notwendig geworden für Hitler, weil er durch die Besetzung Polens keine zweite Front haben wollte. Er musste mit Stalin eine Verständigung finden, weil er andernfalls eine zweite Front eröffnet hätte, und die konnte er sich im September 1939 überhaupt nicht erlauben."
    Ein Panzerfahrzeug der Wehrmacht, gefolgt von Soldaten auf Motorrädern, in der Stadt Minsk während des Rußland-Feldzuges im August 1941.
    Ein Panzerfahrzeug der Wehrmacht, gefolgt von Soldaten auf Motorrädern, in der Stadt Minsk während des Russland-Feldzuges im August 1941. (picture-alliance / dpa / UPI)
    Den Nichtangriffspakt betrachtete Hitler von vornherein nicht als bindend. Am 18. Dezember 1940 erließ er die "Führer-Weisung Nr. 21 – Fall Barbarossa":
    "Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen. Entscheidender Wert ist jedoch darauf zu legen, dass die Absicht eines Angriffes nicht erkennbar wird."
    Das "Unternehmen Barbarossa" sollte ursprünglich im Frühjahr 1941 beginnen, wurde aber wegen des nicht vorgesehenen Einmarschs der Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland auf den 22. Juni verschoben.
    "Deutsches Volk! In diesem Augenblick vollzieht sich ein Aufmarsch, der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt bisher gesehen hat."
    Tönte Propagandaminister Joseph Goebbels.
    Die deutschen Truppen drangen schnell nach Osten vor, weil der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin trotz vorheriger Warnungen nicht mit einem Angriff gerechnet und eine rechtzeitige Mobilmachung der Roten Armee versäumt hatte.
    "Stalin war ja ein außerordentlich misstrauischer, vorsichtiger und kühl planender Stratege, der sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass jemand so wahnsinnig sein würde, einen Zweifrontenkrieg zu eröffnen und ein Land zu erobern, das er nicht einmal selbst beherrschen konnte. Das war für Stalin so unglaublich absurd, dass er nur an eine Provokation glauben konnte."
    "Achtung, hier spricht Moskau! Bürger und Bürgerinnen der Sowjetunion. Ohne jede Kriegserklärung attackierten die deutschen Streitkräfte heute Morgen, vier Uhr, die Grenzen der Sowjetunion."
    Juri Lewitan, in der Sowjetunion bekannt geworden als "die Stimme Stalins", überbrachte der russischen Bevölkerung die Nachricht vom deutschen Angriff und verkündete die ersten Durchhalteparolen.
    "Unsere Sache ist die richtige. Der Feind wird zerschlagen! Der Sieg wird unser sein!"
    Über drei Millionen Wehrmachtssoldaten drangen auf sowjetisches Territorium vor, unterstützt von 600.000 Mann aus Finnland, Italien, Rumänien, Ungarn und der Slowakei. Die Front verlief über mehr als 2.000 Kilometer von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.
    Der Stalinschen Paranoia zum Opfer gefallen
    "Vorwärts nach Osten, du stürmend' Heer!", lautete der Refrain des "Russlandliedes", das Propagandaminister Joseph Goebbels in Auftrag gegeben hatte und das Ende Juni erstmals im Rundfunk gespielt wurde.
    Die Rote Armee war der modernen deutschen Waffentechnik zunächst hoffnungslos unterlegen. Die Rekruten liefen in Scharen davon oder wurden gefangen genommen, alle politischen Funktionäre gemäß dem "Kommissarbefehl" vom 6. Juni 1941 sofort liquidiert. Allein in den ersten sechs Monaten verlor die sowjetische Armee rund fünf Millionen Soldaten. Was die Lage zusätzlich erschwerte: Die Truppen befanden sich in einem erbärmlichen Zustand, eine Folge der politischen Säuberungen der 1930er Jahre. Der Stalinschen Paranoia, überall, auch unter den Militärs, potenzielle Gegner zu vermuten, waren große Teile des Offizierskorps zum Opfer gefallen.
    Der Stalin-Experte Jörg Baberowski:
    "Insbesondere die Armeeführung stand im Verdacht, sich gegen den Diktator zu erheben. Fast alle Marschälle der Sowjetunion wurden 1937 getötet und ein großer Teil des Offizierskorps vernichtet, so dass am Ende untere Offiziere Kommandoposten übernehmen mussten und die Rote Armee 1941 auf den Krieg nicht vorbereitet war."
    Die Führung im Kreml schien zunächst gelähmt. Erst zehn Tage nach dem deutschen Überfall wandte sich Stalin über Rundfunk an seine Landsleute:
    "Genossen, Bürger! Der von Hitler-Deutschland am 22. Juni wortbrüchig begonnene militärische Überfall dauert an. Über unsere Heimat ist eine ernste Gefahr heraufgezogen."
    Das Lied "Der heilige Krieg", das vom Tod der Faschistenmacht kündete, entstand wenige Tage nach dem deutschen Angriff und sollte die Kampfbereitschaft der Sowjetbürger stärken.
    Doch mehr als auf moralische Appelle setzte Stalin auf Abschreckung und Terror und übernahm am 7. August selber den Oberbefehl über die Rote Armee.
    "Stalin hat ja dann Befehle erteilt, sogenannte Spione, Deserteure, Vaterlandsverräter, die sich von der Truppe entfernten, erschießen zu lassen oder in Strafbataillone zu stecken. Das sollte dazu führen, dass die Soldaten nicht aus Loyalität, sondern aus Angst kämpften. Und das funktionierte auch ganz gut. Insofern hatte das eine blutige und perverse Logik, dieses Stalinsche Terrorsystem."
    Auf der Gegenseite war die deutsche Kriegführung bestimmt von der Nazi-Ideologie des germanischen Herrenmenschen- und slawischen Untermenschentums. Hitler und seine Generäle legten keinen Wert darauf, unter den Opfern der Stalinschen Repression Verbündete zu gewinnen, etwa in Weißrussland, der Ukraine und dem Baltikum.
    "Für diese Bevölkerungsgruppen war die Wehrmacht zunächst Befreier, so wurden sie auch empfangen und wahrgenommen. Man kann das sehr gut sehen am Beispiel der Ukraine, dass Wehrmachtseinheiten, die in die Ukraine vorrückten, durchaus glaubten, dass die Ukrainer ihre Freunde seien und ihre Verbündeten; und sich sehr schnell herausstellte, dass Hitler die Ukraine überhaupt nicht als Verbündete und Freunde haben wollte."
    "Der Ostfeldzug muss anders zu Ende geführt werden als zum Beispiel der Krieg gegen die Franzosen."
    Stellte Generaloberst Hermann Hoth in einem Armeebefehl vom 17. November 1941 über Grundsätze der Kriegführung fest.
    "Ich verlange, dass jeder Soldat der Armee durchdrungen ist von dem Gefühl unbedingter Überlegenheit. Wir sind die Herren dieses Landes, das wir erobert haben. Mitleid und Weichheit gegenüber der Bevölkerung ist völlig fehl am Platz. Daran wollen wir uns erinnern, wenn die Bevölkerung uns jetzt mit Freundlichkeit und Unterwürfigkeit für sich einnehmen will."
    Foto aus dem Jahr 1941 zeigt russische Kriegsgefangene auf dem Weg zur Exekution im russischen Kriwoj Rog (vermutlich aufgenommen am 15.10.1941). Das Foto wird in der neuen Wehrmachtsausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht zwischen 1941 und 1944 zu sehen sein.
    Russische Kriegsgefangene auf dem Weg zur Exekution im Oktober 1941. (dpa / picture alliance / Institut für Sozialforschung Hamburg)
    "Für Hitler und Himmler und für die Rasse- und Weltanschauungskrieger war es von Anfang an klar, dass sie dort einen Vernichtungskrieg führen würden."
    Ziel dieses Vernichtungskrieges waren insbesondere Juden, Sinti und Roma, kriegsgefangene Soldaten, Partisanen und kommunistische Funktionäre. Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, stellte spezielle Einsatzgruppen zusammen, die hinter der Front Massenerschießungen durchführten. In der Schlucht von Babi Jar am Rande von Kiew ermordeten sie Ende September 1941 innerhalb weniger Tage fast 34.000 Juden.
    Was sich dort abspielte, berichtete Kurt Werner, Mitglied des Sonderkommandos 4a, 1947 vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal.
    "Die Schützen standen jeweils hinter den Juden und haben diese mit Genickschüssen getötet. Die nachfolgenden Juden mussten sich auf die Leichen der zuvor erschossenen Juden legen. Man kann sich gar nicht vorstellen, welche Nervenkraft es kostete, da unten diese schmutzige Tätigkeit auszuführen. Es war grauenhaft."
    Dem Massaker in Babi Jar folgten weitere Massenexekutionen, unter anderem in Riga, Odessa und Charkow. Auf diese Weise wurden weit mehr Juden umgebracht als in den Vernichtungslagern Auschwitz, Treblinka und Majdanek.
    Aus den Reihen der Wehrmacht regte sich kaum Widerstand
    "Während die kämpfende Truppe an der Front stand, haben diese Einsatzgruppen im Hinterland die jüdischen Schtetl vernichtet, die Menschen später in Gettos eingesperrt und sie systematisch umbringen lassen. Und sie konnten, so traurig wie das ist, die ukrainische lokale Bevölkerung zu einem großen Teil als Kollaborateure gewinnen, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Bauern am Eigentum der Getöteten bereichern konnten."
    Aus den Reihen der Wehrmacht regte sich kaum Widerstand gegen den Vernichtungsfeldzug. Der rasche Vorstoß nach Osten verführte die Generäle zu der Annahme, erneut - wie zuvor in Frankreich - einen erfolgreichen Blitzkrieg führen zu können. Adolf Hitler, seit 1935 Oberbefehlshaber der Wehrmacht und insgeheim als "Gröfaz", als größter Feldherr aller Zeiten verspottet, berichtete am 11. Dezember 1941 triumphierend im Reichstag:
    "Am 1. Dezember betrug die Gesamtzahl der gefangenen Sowjetrussen 3.806.865. Die Zahl der vernichteten oder erbeuteten Panzer betrug 21.391."
    Doch zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Vormarsch bereits ins Stocken geraten. Die Truppen waren nicht auf den russischen Winter vorbereitet. Mehr Soldaten starben an Erfrierungen als bei Kampfeinsätzen. Die Wehrmacht habe die miserable Infrastruktur des Landes und das Rüstungspotenzial der Sowjetunion unterschätzt, meint Jörg Baberowski.
    "Es gab nur wenige große, zum Teil unbefestigte Straßen, sogenannte Rollbahnen, auf denen die Panzer vorrücken konnten. Und sie mussten bei ihrem Vorrücken sozusagen links und rechts riesige Gebiete einfach unkontrolliert lassen, weil sie da nicht durchfahren konnten. Spätestens im Herbst, noch vor der Winterschlacht von Moskau, nach der Schlacht von Smolensk, war den Wehrmachtsgenerälen klar, sie würden einen Abnutzungskrieg führen müssen, und sie wussten, dass sie darauf auf Dauer nicht vorbereitet sein würden. Niemand wusste im Grunde, welch große Rüstungskapazitäten im zweiten Fünfjahrplan in den 30er-Jahren entstanden waren in der Sowjetunion. Also der Krieg war eigentlich im Oktober 1941 verloren."
    Die Sowjetunion warf neue, besser ausgebildete und ausgerüstete Verbände in den Kampf und dominierte zusehends das Kriegsgeschehen, nicht zuletzt dank der massiven logistischen Unterstützung durch die Alliierten. Spätestens nach Stalingrad war die deutsche Niederlage absehbar, auch wenn Joseph Goebbels in seiner berüchtigten Rede vom totalen Krieg am 18. Februar 1943 weiterhin Siegeszuversicht auszustrahlen versuchte.
    "Stalingrad war und ist der große Alarmruf des Schicksals an die deutsche Nation. Ein Volk, das die Stärke besitzt, ein solches Unglück zu ertragen und auch zu überwinden, ja daraus noch zusätzliche Kraft zu schöpfen, ist unbesiegbar."
    Doch die Zeit der Siege war vorbei. Den schnellen Vorstößen und großen Geländegewinnen folgten verlustreiche Schlachten und zermürbende Abnutzungskämpfe. Die Belagerung Leningrads, eine der symbolträchtigsten Operationen, musste die Wehrmacht nach 900 Tagen abbrechen.
    "Nordwestlich des Ilmensees und im Raum südlich Leningrads stehen unsere Divisionen weiter im schweren Abwehrkampf gegen überlegene feindliche Kräfte."
    Meldete das Oberkommando der Wehrmacht am 27. Januar 1944 und gestand indirekt die eigene Niederlage ein. Der Plan, Leningrad auszuhungern und dem Erdboden gleichzumachen, war gescheitert. Die Stadt hatte nicht kapituliert, aber bis zu einer Million Einwohner waren dabei verhungert. Deutschland gedenkt alljährlich am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus, Russland feiert an diesem Tag das Ende der Leningrader Blockade.
    Bei ihrem Rückzug verfolgten die deutschen Truppen eine Politik der verbrannten Erde. In einem Schreiben vom 7. September 1943 ordnete Heinrich Himmler an:
    "Es muss erreicht werden, dass bei der Räumung von Gebietsteilen in der Ukraine kein Mensch, kein Vieh, kein Zentner Getreide, keine Eisenbahnschiene zurückbleiben, dass kein Haus stehen bleibt, kein Brunnen vorhanden ist, der nicht vergiftet ist. Der Gegner muss wirklich ein total verbranntes und zerstörtes Land vorfinden."
    Stalin hatte den Krieg gegen Hitler und Nazi-Deutschland gewonnen
    "Die Nazis versuchten dann alles auf dem Rückzug zu vernichten, Dörfer, Schienenstränge, Materiallager, Getreidefelder. Alles, was ihnen in die Hände fiel, zerstörten sie auf Befehl Hitlers und verwüsteten die Sowjetunion. Minsk war nur noch ein Trümmerfeld. Das hat sich tief eingebrannt und hat mit dazu geführt, dass die Exzesse der Roten Armee nach 1944 an Intensität zunahmen."
    "Habe ich in der Nacht vom 6. zum 7. Mai dem Oberkommando der Wehrmacht den Auftrag gegeben, die bedingungslose Kapitulation für alle kämpfenden Truppen auf allen Kriegsschauplätzen zu erklären."
    Am 8. Mai 1945 gab Großadmiral Karl Dönitz die Einstellung aller Kampfhandlungen bekannt. Stalin hatte den Krieg gegen Hitler und Nazi-Deutschland gewonnen, aber die Sowjetunion hatte einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Den knapp vier Millionen an der Ostfront gefallenen oder in Kriegsgefangenschaft gestorbenen deutschen Soldaten standen mehr als 20 Millionen Tote auf sowjetischer Seite gegenüber.
    "Keine andere Armee hatte höhere Verluste als die Rote Armee. Auch das ist ein Grund dafür, warum der Große Vaterländische Krieg eine ganz andere Bedeutung hat als in den USA oder in Großbritannien, wo die Verluste der Soldaten in die Hunderttausende, aber nicht in die Millionen gingen, schon gar nicht 20 Millionen. Man könnte auch sagen, es gab in der Sowjetunion überhaupt keine einzige Familie, die nicht von diesem schrecklichen Vernichtungskrieg betroffen gewesen wäre, Zivilisten genauso wie Soldaten."
    Einen entsprechend hohen Stellenwert hat seit 1945 in der Sowjetunion bzw. Russland die kollektive Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg. Alljährlich wurde der Sieg über Hitler-Deutschland mit Militärparaden, Heldengedenken und Veteranentreffen gefeiert. Nach dem Zerfall der Sowjetunion lebt diese Tradition in Russland ungebrochen fort, während die baltischen Republiken und die Ukraine mit ambivalenten Gefühlen auf diese Zeit zurückblicken. Das Ende des Zweiten Weltkriegs betrachten die einstigen Sowjetrepubliken zwar auch als Befreiung vom Faschismus, zugleich aber als Fortsetzung von Fremdherrschaft und Repression unter dem Regime Stalins.
    "In Estland hören Sie bis heute, dass der Einmarsch der Wehrmacht eine Befreiung gewesen sei. Und in der Ukraine hören Sie natürlich Geschichten von zwei Diktaturen, deren Opfer Ukrainer vor allem im Westen der Ukraine geworden sind."