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Überschätzter Ozean

Klima.- Der arktische Ozean wird von Klimaforschern oft als Kohlendioxid-Speicher angesehen: Verschwindet das Meereis, kann er zusätzliches CO2 aufnehmen, weil die Primärproduktion dann angekurbelt wird. Schwedische Forscher stellen nun die Rolle des Nordpolarmeeres als CO2-Senke infrage.

Von Christine Westerhaus | 09.03.2010
    Die Laptewsee ist ein Randmeer des arktischen Ozeans. Über einmündende Flüsse gelangen große Mengen an Süßwasser in dieses arktische Meer. Vor allem über den Fluss Lena, eines der längsten Fließgewässer der Erde. 4400 Kilometer lang fließt sie vom Baikalgebirge aus durch Zentralsibirien. Im Sommer trägt die Lena große Mengen an Nährstoffen und organischen Kohlenstoffverbindungen in die Laptewsee ein.

    "Wir haben festgestellt, dass dort, wo große Flüsse wie die Lena in die Laptewsee einmünden, sehr viel Kohlendioxid freigesetzt wird. Das hängt damit zusammen, dass die Flüsse organische Kohlenstoffverbindungen aus der Tundra in die Laptewsee eintragen, die dort relativ schnell abgebaut werden. Durch den Abbau entsteht CO2 und wenn der Gehalt an CO2 im Wasser größer ist als in der Luft, wird das Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben."

    Sofia Hjalmarsson vom Institut für Chemie der Universität Göteborg. Für ihre Untersuchungen hat die Forscherin gemeinsam mit ihren Kollegen den Kohlenstoff-Haushalt verschiedener Meeresgebiete verglichen. Dabei hat sie untersucht, wie schnell Kohlenstoff abgebaut wird, der über einmündende Flüsse eingetragen wird. Im arktischen Ozean führte sie ihre Messungen in der Laptewsee, im ostsibirischen Ozean und im Tschuktschen-Meer durch. Alle drei sind Randmeere des arktischen Ozeans.

    "Das Wasser, das dort oben im Sommer aus den sibirischen Flüssen eingetragen wird, ist braun, fast wie Schokolade. Es enthält große Mengen an Kohlenstoff, der von abgestorbenen Pflanzen stammt und in den vergangenen Jahren ist dieser Gehalt noch deutlich angestiegen. Das haben Forscher in Regionen beobachtet, in denen sich das Meereis zurückgezogen hat und der Wind die Küste stärker angreifen kann. Sie haben festgestellt, dass dort mehr organische Nährstoffe in die Flüsse eingetragen werden."

    Das bedeutet nach Sofia Hjalmarssons Berechnungen, dass mehr Kohlendioxid entsteht. Bisher gingen viele Klimaforscher aber vom Gegenteil aus. Sie vermuteten, dass der arktische Ozean - zumindest kurzfristig - mehr Kohlendioxid aufnehmen kann, wenn das Meereis verschwindet.

    "Viele Klimaforscher gingen davon aus, dass die Arktis umso mehr Kohlendioxid aufnehmen kann, je weniger sie von Eis bedeckt ist. Also wenn das Eis als Folge des Klimawandels schmilzt, würde der arktische Ozean gewissermaßen als eine Art CO2-Puffer funktionieren. Wir haben aber gezeigt, dass in den Küstenregionen im Gegenteil sogar zusätzliches Kohlendioxid produziert wird. Will man also berechnen, wie viel CO2 die Arktis aufnehmen kann, muss man diesen Effekt mit einbeziehen."

    Noch transportieren die Flüsse, die in das Nordpolarmeer einmünden, über das Jahr gerechnet nur wenig organisches Material. Sie sind nur im Sommer eisfrei. Auf ihrem Weg in die Arktis strömen sie durch Gebiete, die zurzeit größtenteils dauerhaft gefroren sind und deswegen kaum Nährstoffe freisetzen. Durch den Klimawandel werden diese sogenannten Permafrost-Böden jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach auftauen. Dann schwemmt mehr organisches Material in die Flüsse und weiter in die Küstenregionen des Nordpolarmeers. Wird das Material dort abgebaut, entsteht mehr Kohlendioxid.

    "Langfristig bedeutet das: Je wärmer es wird, desto mehr Kohlenstoff wird aus der Tundra freigesetzt. In den Küstenregionen wird dann umso mehr Kohlendioxid produziert, wenn dieser abgebaut wird. Und dieses zusätzliche CO2 würde dann den Klimawandel weiter vorantreiben. Wenn es wärmer wird und die Tundra mehr Kohlenstoff abgibt, würde also eine Art Teufelskreis entstehen."

    Bisher konnte Sofia Hjalmarsson den CO2-Haushalt der Laptewsee jedoch nur im Sommer bestimmen. Um einen langfristigen Trend ablesen zu können, will sie ihre Untersuchungen im Frühjahr wiederholen.