Sonntag, 28. April 2024

Archiv


Überwachte Unabhängigkeit

Improvisierte Pressekonferenz unter freiem Himmel im Zentrum von Srpska Mitrovica. Ein hoher Beamter aus dem britischen Außenministerium hat gerade mit serbischen Kommunalpolitikern aus dem Norden des Kosovo die Zukunft diskutiert. Das wichtigste Thema dabei: der Plan von UN-Vermittler Marti Ahtisaari:

Von Jörg Paas | 31.01.2007
    "Ich weiß nicht genau, wie sein Vorschlag aussieht. Ich weiß nur, dass er sehr detailliert sein wird und es verdient, genau gelesen zu werden. Die Zukunft aller Menschen im Kosovo wird entscheidend von diesen Details abhängen und ich bitte Sie dringend, sich damit auseinanderzusetzen."

    Im Café "Dolce Vita", ein paar hundert Meter weiter, sind Details und Zwischentöne nicht gefragt. Auch dass Briten und andere Fremde meinen, sich überhaupt um das Thema Kosovo kümmern zu müssen, stößt bei den serbischen Gästen auf wenig Begeisterung. Die meisten glauben, den Lösungsvorschlag des internationalen Vermittlers schon zu kennen:

    "Es ist nicht gut, wenn andere Länder sich da einmischen und einfach sagen: jetzt kommt die Unabhängigkeit – und fertig. Das ist eine Angelegenheit zwischen Serben und Albanern. - Wir Serben haben eine lange Geschichte hier, seit dem 13. Jahrhundert. Deshalb können wir nicht einmal daran denken, dass Kosovo unabhängig wird. Niemand hat das Recht, Kosovo von Serbien zu trennen."


    "Wenn dir jemand ständig nur weh tut, bloß weil du ein Serbe bist, dann ist es einfach nicht möglich, mit diesem Menschen – oder diesem Volk – unter einem Dach zu leben. Ich kann nur hoffen, dass wir auch künftig weiter zu Serbien gehören. Wenn nicht, dann helfe uns Gott."

    Das Café "Dolce Vita" liegt direkt an der Brücke über den Fluss Ibar, der den serbischen Norden der Stadt Mitrovica vom vorwiegend albanisch bewohnten Süden trennt. Im März 2004 gingen von den Ufern des Ibar gewalttätige Ausschreitungen aus, in deren Verlauf albanische Extremisten etliche Serben umbrachten und serbische Wohnhäuser und Kirchen im ganzen Kosovo in Brand steckten. Seither bewachen internationale Polizisten die Brücke. Unter den serbischen Politikern in Mitrovica gilt Oliver Ivanovic als einer der Gemäßigten. Beim Treffen mit dem Gast aus dem britischen Foreign Office war er mit dabei:

    "Zunächst einmal haben wir darauf bestanden, dass nichts überstürzt wird, was gerade die Briten ja besonders gerne tun. Dass nicht gleich eine Entscheidung her muss, wo wir nicht einmal eine Regierung in Belgrad haben, geschweige denn ein Verhandlungsteam. Wer jetzt auf eine schnelle Lösung drängt, der zeigt nur, dass er voreingenommen ist und die ganze Kosovo-Problematik möglichst schnell loswerden will."

    Ortswechsel: Eine knappe Autostunde weiter nach Süden, zum Sitz der Kosovo-Regierung in Pristina – nicht nur politisch eine völlig andere Welt. Ministerpräsident Agim Ceku wartet darauf, dass die internationale Gemeinschaft Kosovo endlich als unabhängigen Staat anerkennt:


    "Ich finde nicht, dass es weiterer Verhandlungen bedarf. Wir haben außergewöhnlich gute Voraussetzungen, Martti Ahtisaari hat vernünftige Arbeit geleistet. Der Zeitpunkt passt, die internationale Gemeinschaft schaut auf uns, wir sollten diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen."

    Draußen auf der Straße eine spontane Kundgebung gegen UN-Vermittler Ahtisaari: Eine Schaufensterpuppe im Anzug, auf dem Kopf ein Karton mit einem Foto des Finnen. Anhänger einer extremistischen Studentenbewegung verurteilen ihn als Marionette der Großmächte:

    "Die Wünsche des Volkes in Kosova sind missachtet worden in den letzten sieben Jahren durch eine neokoloniale Verwaltung. Was jetzt passieren muss – und zwar ohne jede weitere Vorbedingung –, ist die Anerkennung des Grundrechtes der Kosovo-Albaner auf Selbstbestimmung."

    Auch hier also – wie es scheint – wenig Interesse für Zwischentöne und Kompromissformeln – und damit die gleiche Situation wie eh und je: Neun Monate lang haben Serben und Albaner im vergangenen Jahr in Wien über den künftigen Status des Kosovo verhandelt – oder besser gesagt: sie haben die immer gleichen Argumente ausgetauscht und sich beide festgehalten an miteinander unvereinbaren Positionen. Daraufhin hat der ehemalige finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari - als Chef-Unterhändler im Auftrag der Vereinten Nationen - seinen eigenen Lösungsvorschlag ausgearbeitet. Schon im Herbst sollte dieser Vorschlag veröffentlicht werden. Das Datum für die Parlamentswahl in Serbien sorgte für eine Verschiebung. Jetzt – nach der Wahl – gibt es unklare Mehrheitsverhältnisse in Belgrad - und es gibt dort eine Regierung, die sich nicht mehr für die weitere Klärung der Kosovo-Frage zuständig fühlt. Aus Sicht vieler Albaner geht damit das alte Spiel von neuem los:

    "Die serbischen Politiker spielen weiter auf Zeit. Wir fordern von der EU, dass sie sich nicht darauf einlässt, denn wenn das passiert, dann werden die Leute hier auf die Straße gehen. Sie werden das einfach nicht mehr akzeptieren.
    Ich bin mir sicher, dass Serbien die Regierungsbildung extra hinauszögern wird – wegen Kosovo. Aber wir Albaner werden klug genug sein, uns dadurch nicht provozieren zu lassen. Denn so etwas wie im März 2004 darf sich nicht mehr wiederholen."

    Dafür, dass sich die Ausschreitungen damals – egal wie es im Kosovo weitergeht – wirklich nicht wiederholen, soll die massive Präsenz von internationalen Sicherheitskräften sorgen, allen voran rund 16.000 KFOR-Soldaten. Ihr oberster Kommandant ist seit September 2006 ein Deutscher: Generalleutnant Roland Kather, der das Kosovo schon von zwei früheren Einsätzen kennt. Er beschreibt die Lage als ruhig, aber nicht stabil - und lässt keinen Zweifel daran, dass es Zeit wird für eine klare Lösung:

    "Wir merken natürlich schon eine leicht zunehmende Nervosität – nach sieben Jahren mehr oder weniger Protektorat durch die Vereinten Nationen und der Unsicherheit über die Zukunft wollen die Menschen jetzt die Entscheidung. Sie wollen wissen, wie es im Kosovo weitergeht. Das ist auch der Grund, weshalb ich aus meiner Verantwortung als KomKFOR heraus für die Sicherheit sage, wir brauchen jetzt in der Tat die Entscheidung so rasch wie möglich."

    Wie aber könnte diese Entscheidung letzten Endes aussehen? Von einer "bedingten" oder "eingeschränkten" Unabhängigkeit für Kosovo ist in diesen Tagen immer wieder die Rede. Die Frage ist, ob Serben und Albaner das akzeptieren. Momentan haben beide Seiten noch ihre jeweils eigene Lesart – die Pläne von Ahtisaari liegen ja noch nicht offen auf dem Tisch. Kosovo-Präsident Fatmir Sejdiu:

    "Zwei Dinge sind in diesem ganzen Prozess sehr wichtig: Das eine ist die Definition des Wortes Unabhängigkeit. Entweder man ist unabhängig oder man ist es nicht. Wir gehen davon aus, dass Kosovo ein unabhängiger Staat wird. Es gibt überhaupt keine Alternative dazu. Auch die Bevölkerung hat sich klar dafür ausgesprochen. Andererseits begrüßen wir aber durchaus, dass es auch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch eine internationale Präsenz hier geben soll. Die Zuständigkeiten werden künftig anders verteilt sein als bisher, aber auch anders als etwa in Bosnien – weil die Entwicklung dort für uns kein gutes Beispiel ist. Wir sehen das als Unterstützung dafür, dass es im Kosovo vorangeht. Die Unabhängigkeit wird dadurch überhaupt nicht behindert. Kosovo kann trotzdem Mitglied der Vereinten Nationen werden. Wir werden hier bei uns OSZE und NATO haben – wie viele andere Länder auch."

    Immer mehr Einzelheiten, die der Plan von Ahtisaari enthalten könnte, wurden in den letzten Tagen genannt. Aber keiner außer den Mitgliedern der Kosovo-Kontaktgruppe weiß derzeit genau, was in dem Papier des Finnen drin steht. Wenn es erst einmal veröffentlicht ist, dann soll beiden Seiten noch einmal eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden. Oliver Ivanovic, der gemäßigte Serben-Politiker aus dem Nord-Kosovo verspricht sich davon jedoch nicht viel:

    "Ich bezweifle einfach, dass es in einer weiteren Gesprächsrunde wirklich um die Grundfrage gehen wird. Ich sehe keine Kompromiss-Möglichkeit – zwischen der Unabhängigkeit, wie sie die Albaner fordern, und der Rückkehr zu Verhältnissen wie vor 99, was der serbischen Position entspricht. Es ist schwierig, da eine gemeinsame Grundlage zu finden. Serbien ist bereit, eine weitgehende Autonomie anzubieten, aber keine Unabhängigkeit. Wir Serben können kein unabhängiges Kosovo akzeptieren, mit eigenem Sitz in den Vereinten Nationen, mit eigener Armee, mit einer Änderung der international anerkannten Grenzen und einer völlig unabhängigen Außenpolitik. Das geht einfach nicht. Aber alle wirtschaftlichen Rechte, alle Möglichkeiten, die eigenen Belange autonom zu regeln – mit eigenem Präsidenten, eigener Regierung – das alles würde Serbien akzeptieren. Wir alle sind sehr in Sorge, und natürlich geht es deshalb um den Versuch, zusätzliche Rechte einzufordern. Das ist die serbische Verhandlungsposition."

    Nördlich der geteilten Stadt Mitrovica, in einem relativ kleinen Gebiet, das direkt an Serbien angrenzt, lebt etwa die Hälfte der im Kosovo verbliebenen Serben. 50.000 mögen es sein, Albaner gibt es hier kaum, andere ethnische Gruppen auch nur vereinzelt. Eine der Gemeinden hier ist Leposavic. Der Bürgermeister heißt Velimir Bojovic. Für ihn sei es unvorstellbar, sagt er, in einem unabhängigen Staat Kosovo zu leben:

    "Wir wollen die gleiche Art von Beziehung zu Pristina, wie Pristina sie zu Belgrad bekommen wird. Wir wollen eine enge Anbindung an Serbien, so wie wir sie immer hatten. Aus meiner Sicht hat die Kosovo-Kontaktgruppe, als wir vor einigen Monaten zusammensaßen, einen ganz entscheidenden Fehler gemacht. Damals hieß es: keine Teilung des Kosovo, kein Groß-Albanien, und keine Rückkehr zu den Verhältnissen vor 99. Damit war der Plan für irgendeine Art von Unabhängigkeit bereits vorgegeben. Meine persönliche Überzeugung ist, dass die allerbeste Lösung die Teilung des Kosovo wäre, denn hier einen multiethnischen Staat draus machen zu wollen, ist eine Illusion. Die Albaner wollen ein Kosovo ohne Serben. Deshalb wäre es am besten, Kosovo zu teilen."

    Mit der Abspaltung der Kosovo-Serben im Norden im Falle einer Unabhängigkeitserklärung rechnet auch Oliver Ivanovic, wenngleich er sie für das falsche Signal hält:

    "Ich bin nicht dafür. Ich lehne das ganz klar ab, weil dieser Schritt für all jene Serben, die in Enklaven im Süden oder im Zentral-Kosovo leben, eine große Gefahr darstellen würde. Albanische Extremisten könnten sich aufgerufen fühlen, genau das zu tun, was sie immer schon vorhatten, nämlich gewaltsam gegen die Serben dort vorzugehen. Aber ich werde wohl kaum etwas tun können, wenn tatsächlich jemand die Unabhängigkeit von Nord-Kosovo ausruft, denn das würde niemand verstehen. Es würde so aussehen, als ob ich die Unabhängigkeit der Albaner unterstütze, und das tue ich nun wirklich nicht."

    Im Mittelpunkt der Vorschläge von UN-Vermittler Martti Ahtisaari für den künftigen Status des Kosovo soll der Schutz der serbischen Minderheit stehen, die derzeit etwa fünf Prozent der Bewohner ausmacht. Nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit sollen wichtige Gesetze zum Beispiel künftig nur dann gelten, wenn auch die Abgeordneten der Kosovo-Serben zustimmen. Was aber, wenn die Serben – so wie gegenwärtig – die Mitarbeit in den politischen Institutionen ablehnen? Der deutsche Diplomat Werner Wnendt führt die OSZE-Mission im Kosovo. Er kennt die serbische Verweigerungshaltung:

    "Das ist ein Problem insofern, als es spätestens seit den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2004 im Kosovo doch einen weitgehenden Boykott der lokalen Strukturen und Institutionen durch die Serben gibt – im Grunde ausgelöst durch die Unruhen im März 2004, d.h. die Serben haben sich weitgehend nicht an den Wahlen beteiligt, sind insofern im Parlament eigentlich nur über ihnen zustehende reservierte Sitze vertreten, nicht durch gewählte Vertreter … und auch die nehmen nicht wirklich teil an der Arbeit im Parlament. .. auch nicht in der Regierung. Das setzt sich fort über andere Institutionen. Am besten funktioniert die Beteiligung der Serben noch auf der Ebene der Gemeinden, wo sie doch zum großen Teil in den Gemeinderäten mitmachen. Das ist ein Appell, der immer wieder von den internationalen Vertretern hier, aber auch von den lokalen albanischen Politikern an die Serben gerichtet wurde, doch zu sehen, dass es im Interesse der Serben im Kosovo ist, sich an allem zu beteiligen, an den Institutionen, um ihre eigenen Interessen und Rechte auch durchsetzen zu können."

    Das Misstrauen ist groß zwischen Albanern und Serben. Zu tief sind die politischen Gräben. Kosovo-Ministerpräsident Agim Ceku zum Beispiel gilt in Belgrad als Kriegsverbrecher. Kaum ein Serbe nimmt es ihm wirklich ab, wenn er von Minderheitenschutz und Gleichbehandlung spricht:

    "Die Kosovo-Serben werden überhaupt keinen Grund haben, sich nicht frei und gut behandelt zu fühlen. Und die Schutzmacht dafür wird nicht Serbien sein, sondern die internationale Gemeinschaft und die Institutionen im Kosovo. Ich hoffe, sie werden das irgendwann verstehen und die Wirklichkeit akzeptieren, die ausgestreckte Hand annehmen und mit uns gemeinsam Kosovo weiter aufbauen."

    Viele Serben im Kosovo fühlen sich davon nicht angesprochen. Sie glauben nicht an Minderheitenschutz. Und als Beispiel führen sie die gravierenden Mängel bei der Strafverfolgung an. Justiz und Verwaltung würden einfach noch nicht funktionieren, Prozesse in die Länge gezogen und Ermittlungen manchmal gar nicht erst aufgenommen. Um den Aufbau der Justiz kümmert sich – neben vielen anderen Aufgaben – die OSZE-Mission im Kosovo, die größte der Organisation überhaupt. Ihr Leiter, Werner Wnendt, benennt die Mängel ganz offen:

    "Das ist richtig: Es gibt viele Fälle, z.B. nach den Unruhen, die hier im März 2004 ausgebrochen sind, ist zunächst wenig geschehen, was die Strafverfolgung betrifft, die Täter, die damals Häuser und Kirchen in Brand gesteckt haben. Inzwischen hat sich das gebessert, sicherlich auch aufgrund des Drucks der internationalen Gemeinschaft – auch deshalb weil die rechtliche Aufarbeitung dieser Ereignisse auch ein wichtiges Kriterium im Statusprozess war. Das hat bestimmte Ursachen, dass … das manchmal nicht vorankommt oder erst gar nicht in Angriff genommen wird. Das hat auch politische Gründe … gerade März 2004 … Das hat oft, wenn es um Fälle von organisierter Kriminalität z.B. geht, seine Ursachen natürlich in der doch noch sehr anderen Struktur der Bevölkerung. Hier gibt es eben noch Familienverbände, Stammesstrukturen, die oftmals eine stärkere Loyalität auch für Polizisten oder Richter bedeuten als die Loyalität mit dem Rechtsstaat. Und dann bleibt die Tatsache, dass eben die Qualifikation und die Ausbildung vieler Richter und Anwälte eben doch noch weiter verbessert werden muss."

    Es bleibt also noch viel zu tun. Die Sicherheitslage im Kosovo soll sich hingegen deutlich verbessert haben – trotz gelegentlicher Meldungen über ausgehobene Waffenlager oder Sprengstoffanschläge. Die NATO-geführte Schutztruppe KFOR nimmt jedenfalls für sich in Anspruch, aus den Unruhen 2004 eine Menge gelernt zu haben. Die Ausrüstung wurde verbessert, der Kontakt in die Bevölkerung hinein ebenfalls. Generalleutnant Roland Kather:

    "Ich glaube, KFOR hat ein sehr gutes Lagebild, und wir machen das den Menschen auch klar. Das ist kein Geheimnis. Wir sagen den Menschen, wenn wir Munition gefunden haben… wir sagen ihnen, wo wir Waffen vermuten und wo wir auch suchen werden nach Waffen. Und insofern sehe ich größere Ausschreitungen, wie wir sie 2004 hatten, nicht. Was ich gleichwohl sehe, und diese Gefahr besteht, das Extremisten, das der eine oder andere in Einzelaktionen glaubt, er kann der internationalen Gemeinschaft nicht mehr vertrauen und seinen eigenen Weg gehen will. Und deshalb muss man jederzeit mit einzelnen Aktionen rechnen, die auch gewaltsame Konsequenzen nicht ausschließen. Und das kann auch gegen KFOR gehen. Die gute Nachricht allerdings ist, dass das, was hier an Ereignissen kam – Handgranatenwürfe, Autobomben – zu über 90 Prozent politischen, sozialen, meist aber kriminellen Hintergrund hat, und dass die interethnischen Auseinandersetzungen in meiner Zeit – und ich bin jetzt fast fünf Monate hier – gegen Null zurückgegangen sind."

    Zuversicht hilft – und ist wohl auch nötig – wenn man sich im Kosovo engagiert. Das gilt für die KFOR-Truppen, es gilt für die OSZE-Mission, und es gilt wohl auch und vor allem für die Zivilverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo - und für ihren Chef. Auch er ist ein Deutscher: Joachim Rücker, früher mal Oberbürgermeister von Sindelfingen. Bis August letzten Jahres war Rücker vor allem für die wirtschaftliche Entwicklung des Kosovo zuständig. Und dazu braucht man wirklich eine gehörige Portion Optimismus: Knapp acht Jahre nach dem Krieg hängt die Region noch immer am Tropf fremder Hilfen, Auslandsinvestitionen sind Mangelware, die Industrieanlagen veraltet, die Besitzverhältnisse verworren, jeder zweite Kosovare ist arbeitslos. Joachim Rücker sieht aber auch andere Entwicklungen:

    "Ja, wenn wir etwa die Wachstumsrate im Jahr 2006 angucken, das war real knapp fünf Prozent, das ist eigentlich ganz ordentlich... Das ist eigentlich nicht schlecht. Das reicht nicht aus, um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu kriegen – und das hohe Außenhandelsdefizit, aber die Trends gehen in die richtige Richtung. Und vor allem sehen wir jetzt zum ersten Mal seit sieben Jahren, dass der Privatsektor die Rolle des Wachstumsmotors spielt. Das heißt, ich denke, Kosovo ist kein schwarzes Loch, sondern es kann auf einen nachhaltigen Wachstumspfad kommen – wie jede andere Transformationsgesellschaft auch."

    Umso wichtiger sei es, dass der Status des Kosovo nun hoffentlich bald geklärt werde, meint Joachim Rücker. Noch in diesem Frühjahr soll es so weit sein. Dann werde sich auch Russland im UN-Sicherheitsrat einer Lösung nicht mehr widersetzen – trotz aller starken Worte von Präsident Putin nach dem letzten Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel am Schwarzen Meer:

    "Ich denke, man muss sehen, dass Russland nicht nur ein Mitglied der permanenten Fünf ist im Sicherheitsrat, sondern dass es auch ein wichtiges Mitglied der Kontaktgruppe ist und dass es alle wichtigen Schritte der Kontaktgruppe, um den Status des Kosovo zu lösen, mitgetragen hat. Und ich gehe eigentlich davon aus, dass Russland auch ein großes Interesse daran hat, dass der Status des Kosovo gelöst wird, dass dieses letzte Stück des Puzzle auf dem Balkan auch eingefügt wird."