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Ukraine
Freiwillige Helfer sind enttäuscht

In der Ukraine wimmelt es von freiwilligen Helfern. Sie versorgen die Armee mit Essen, mit Medizin und auch mit leichter Ausrüstung wie eben Schutzwesten oder Nachtsichtgeräten. Doch inzwischen sind sie sauer – wegen der Gleichgültigkeit ihrer Mitbürger und wegen der Regierung, die so tut, als gäbe es die Helfer nicht.

Von Florian Kellermann | 02.12.2014
    Der Armee entgegentreten: Eine Demonstrantin in Kiew Ende Januar
    Die Freiwilligen haben persönliche Kontakte zu den Armee-Einheiten. (picture-alliance / dpa / Xavier De Torres)
    Aleksej und Iwan verabreden sich im Cafe. Einen Verkaufsraum haben sie nicht, obwohl sie ein hochwertiges Produkt anbieten.
    "Ich sage zu potentiellen Kunden: Für euch ziehe ich diese kugelsichere Weste hier an - und ihr könnt auf mich schießen. So sieht meine Garantie aus. Diese Weste ist besser als die in Nato-Staaten gebräuchlichen. Ja, die Nato-Westen sind leichter, dafür sind ihre Schutzplatten auch kaputt, wenn sie ein- oder zweimal getroffen werden. Unsere Armee kann es sich nicht leisten, laufend neue Platten zu beschaffen. Deshalb halten unsere Westen 30 Treffer aus."
    Aleksej macht den Klettverschluss auf und holte eine der Platten heraus. Sie ist aus schwedischem Panzer-Stahl, der für einen ganz anderen Zweck in die Ukraine importiert wurde - nämlich um Autos von Oligarchen zu schützen. Bespannt ist die Platte mit einem Stoff, der für Transportbänder gefertigt wird: Er verhindert, dass bei einem Treffer Splitter der Metallplatte hoch ins Gesicht springen.
    Eigentlich ist Aleksej Gontscharow, 38 Jahre alt, Grafik-Designer. Aber seit einem Jahr, seit dem Umsturz in der Ukraine, arbeitet er nicht mehr in seinem Beruf. Erst half er, das Regime von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch zu stürzen. Dann half er der ukrainischen Armee und den Freiwilligenbataillonen. Schutzwesten waren dort Mangelware, deshalb entwickelten er und Arbeitskollege Iwan ihr Modell. Für knapp 200 Euro geben sie die Westen ab - zum Selbstkostenpreis. Wenn die beiden gerade Geld übrig haben, bekommen die Soldaten sie auch umsonst.
    "Aber es wird immer schwieriger zu helfen, weil keine Spenden mehr kommen. Hier in Kiew und weiter westlich denken die Leute: Der Kampf ist doch vorbei - wir haben Waffenstillstand. Dabei sterben doch weiterhin fast jeden Tag Soldaten! Die Medien berichten auch zu wenig darüber, unter welchen schlimmen Bedingungen die Soldaten an der Front leben müssen. Und dass sie ohne uns Freiwillige überhaupt nicht überleben würden", so Aleksej.
    "Nun sind aber schon genug Jacken da"
    In der Ukraine gibt es tausende freiwillige Helfer, ihre genaue Zahl kennt niemand. Sie versorgen die Armee mit Essen, mit Medizin und auch mit leichter Ausrüstung wie eben Schutzwesten oder Nachtsichtgeräten. Die Freiwilligen haben persönliche Kontakte zu den Armee-Einheiten und Bataillonen und reagieren direkt auf deren Nöte. Viele von ihnen engagieren sich in Vollzeit und verzichten derzeit auf Einkommen.
    Gerade deshalb wächst ihr Frust - nicht nur über die gleichgültigen Mitbürger, sondern auch über die Regierung. Denn sie tut so, als gäbe es die freiwilligen Helfer nicht. Aleksej:
    "Gerade ist ein Flugzeug aus Kanada eingetroffen - mit warmen Winterjacken. Ausgerechnet mit Winterjacken. Vor Kurzem haben viele kleine Textilhersteller Stoff gekauft, um Jacken für die Soldaten zu nähen. Sie wollten sie den Freiwilligen, die Spenden sammeln, zum Selbstkostenpreis abgeben. Nun sind aber schon genug Jacken da - und die Unternehmen bleiben auf ihrem Stoff sitzen."
    Die Regierung, die schließlich für internationale Kontakte zuständig ist, hätte die Freiwilligen vorwarnen können. Sie könnte auch Bürokratie für sie abbauen. Als Aleksej und Iwan vor kurzem einen Jeep aus Norwegen in die Ukraine brachten - eine Spende - mussten sie die ukrainischen Zöllner überreden, nicht den eigentlich gültigen, horrenden Importzoll zu verlangen.
    Immer mehr Freiwillige schließen sich deshalb zusammen, um sich Gehör zu verschaffen. Alexej und Iwan gehören jetzt der Organisation "Save UA" an, gegründet von einem anderen Freiwilligen - Jurij Danilow. Jurij schimpft zwar über den ganzen Papierkram, den die offizielle Eintragung seiner Organisation bedeutet. Aber gemeinsam könnten die Freiwilligen auch Konzepte für die Zeit nach dem Konflikt im Donezkbecken entwickeln, sagt er.
    "Im Juli habe ich einen Anruf aus Luhansk bekommen: Ob ich helfen könne, einen Affen aus der Stadt zu bringen. Eine Bombe war im Tiergarten explodiert, der Affe rannte durch die Straßen. Ich habe ihm einen Platz in einem anderen Zoo besorgt. So habe ich Kontakt zu Tierschützern bekommen, die jetzt auch meiner Organisation angehören. Auch Ukrainer, die sich um Waisenkinder kümmern, sind dabei. Mit ihnen allen werden wir jetzt die Ukraine retten und sie später zu einem immer besseren Land machen."