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Ukraine-Konflikt
"Auf verschiedene Szenarien vorbereitet"

Dan Fried, Sanktionsbeauftragter des US-Außenministeriums, hält die Sanktionen gegen Russland für wirkungsvoll. Ohne sie wäre Russland "noch viel weiter gegangen", sagte Fried im DLF. Im Falle neuer russischer Aggressionen würden die USA handeln. Eine Entscheidung über Waffenlieferungen an die Ukraine gebe es aber nicht.

Daniel Fried im Gespräch mit Bettina Klein | 26.03.2015
    Der Sanktionsbeauftragte des US-Außenministeriums, Dan Fried, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2008.
    Der Sanktionsbeauftragte des US-Außenministeriums, Dan Fried, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2008. ( AFP / John Thys)
    Dan Fried betonte im Interview mit dem Deutschlandfunk, das Minsker Abkommen zum Ukraine-Konflikt sei noch nicht umgesetzt - daher würden die USA ihre Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten und gegebenenfalls noch verschärfen. "Wir sind mit einer Reihe von Optionen auf eine Reihe von Szenarien vorbereitet", sagte der US-Diplomat, der im State Department in Washington die Sanktionspolitik koordiniert. Die USA stimmten sich in ihrem Vorgehen eng mit den Europäern ab.
    Das US-Repräsentantenhaus hat in dieser Woche den Präsidenten aufgefordert, militärische Unterstützung für die Ukraine zu liefern. Seit Wochen wird darüber in Washington diskutiert. Eine Entscheidung über die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine gebe es nicht, betonte Fried.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Das amerikanische Repräsentantenhaus hat in dieser Woche den Präsidenten nachdrücklich aufgefordert, militärische Unterstützung für die Ukraine zu liefern. Seit Wochen wird darüber in Washington heftig diskutiert, fühlt sich Barack Obama nun gedrängt, den Kurs zu ändern. Wir konnten darüber mit dem amerikanischen Diplomaten Daniel Fried sprechen. Er Koordiniert im State Departement in Washington, also im Außenministerium dort, die Sanktionspolitik. Haben die Sanktionen aus Sicht der US-Regierung bisher Ergebnisse gebracht? Diese Frage hat meine Kollegin Bettina Klein dem früheren Botschafter gestern Abend gestellt.
    Daniel Fried: Ergebnisse in zweierlei Hinsicht. Erstens: Die Sanktionen haben beträchtlichen Druck auf die russische Wirtschaft ausgeübt, und das wird sich noch verstärken. Zweitens: Die Sanktionen haben das Umfeld verändert, in dem die russische Regierung ihre Entscheidungen trifft. Oder anders ausgedrückt: Was meinen Sie, was sie getan hätten, wenn wir keine Sanktionen erlassen hätten, wenn wir nicht vereint und effektiv gehandelt hätten? Ich denke, sie wären viel weiter gegangen. Das heißt nicht, dass wir unser Ziel erreicht hätten, dass das Minsker Abkommen schon umgesetzt wäre. Das heißt, wir müssen die Sanktionen aufrecht erhalten und, wenn nötig, verschärfen.
    Bettina Klein: Gibt es denn einen festen Zeitrahmen für Ergebnisse, was das Minsker Abkommen angeht?
    Fried: Wir haben kein konkretes Datum im Kalender festgelegt. Aber wir haben stets gesagt, und zwar gemeinsam mit Deutschland und Europa, wir schauen uns genau an, was passiert. Wenn es neuerliche russische Aggressionen im großen Stil gibt, dann werden wir handeln. Wir schauen uns an, ob Sabotage verübt wird, hybride Kriegsführung, das Auftauchen der sogenannten Grünen Männer. Wir sind mit einer Reihe von Optionen vorbereitet auf eine Reihe von Szenarien, und zwar in enger Abstimmung mit Europa, nicht einseitig.
    "Aber wir stimmen uns da mit den Europäern ab"
    Klein: Was wäre denn eine solche schwere Verletzung, wie Sie das gerade beschrieben haben?
    Fried: Es ist ein bisschen wie "Sie wissen es, wenn Sie es sehen". In Europa sehen viele einen Angriff auf die Stadt Mariupol als eine solche Verletzung. Das wäre so ein Auslöser. Aber es gäbe vielleicht noch andere. Man will da nicht eine Liste aufstellen, denn wenn Russland in einer Weise reagiert, die nicht auf der Liste steht, dann steckt man fest. Aber wir stimmen uns da wirklich mit den Europäern ab. Wir beobachten, was am Boden passiert, und treffen die Entscheidungen gemeinsam.
    Klein: Herr Botschafter, das US-Repräsentantenhaus hat diese Woche eine Resolution verabschiedet, die den Präsidenten dazu auffordert, militärische Hilfe an die Ukraine zu liefern. Sehen Sie einen möglichen Zeitpunkt in der Zukunft, an dem Präsident Obama sich bereit erklären würde, sogenannte tödliche Waffen zu schicken?
    Fried: Das wird in der Regierung diskutiert. Es wurden bisher keine Entscheidungen getroffen. Wie Sie die Frage gestellt haben - natürlich: Es könnten Umstände eintreten, unter denen man eine solche Entscheidung trifft. Aber so weit ist es nicht.
    Klein: Wie groß ist denn der Druck, den Präsident Obama zu spüren bekommt? Beide Seiten, Demokraten und Republikaner haben ihn aufgefordert und haben gesagt, wenn wir jetzt nicht handeln, wer sollte es tun. Einige Abgeordnete haben sogar von einem Wendepunkt gesprochen. Wie groß ist der Druck?
    Fried: Nun, es gibt eine Anzahl Demokraten, Republikaner, frühere Botschafter, kluge Leute wie der Diplomat Strobe Talbott, die sich für mehr Unterstützung ausgesprochen haben. Es gibt andere, die argumentieren, dass das keine kluge Aktion wäre und wir sollten es nicht jetzt tun. Das wird alles erwogen, aber es gibt noch keine Entscheidung und ich kann die Zukunft nicht vorhersehen.
    "Die russische Duma sagt eine Menge"
    Klein: Auf der anderen Seite haben verschiedene Duma-Abgeordnete in Moskau in einer ersten Reaktion auf die Kongressresolution von einer Bedrohung des Friedensprozesses gesprochen und von einer direkten Provokation gegen Russland. Das klingt nach einer echten Gefahr und danach, dass dies die Dinge noch schlimmer machen würde.
    Fried: Die russische Duma sagt eine Menge und es ist ein bisschen seltsam, dass die Duma darauf mit Empörung reagiert, auf die moderate Unterstützung einer gewählten Regierung, aber sich nicht stört an der Invasion Russlands in einem Nachbarland, die gegen alle Prinzipien verstößt, begonnen mit der Helsinki-Schlussakte von 1975, dem Abkommen nach dem Ende des Kalten Krieges, Russlands Unterstützung für das Memorandum von Budapest, mit dem die territoriale Integrität der Ukraine zugesichert wurde, als es die Nuklearwaffen abgab.
    Klein: Sind denn die Drähte zwischen Washington und Moskau überhaupt noch intakt?
    Fried: Ja, aber natürlich! Wir arbeiten weiter zusammen, was den Iran angeht. Außenminister Kerry und sein Kollege Lawrow können jederzeit in Kontakt treten. Wir haben unseren Botschafter in Moskau. Also die Kommunikationsverbindungen sind vorhanden und wir wollen sie nicht kappen. Es ist einfach nur so unnütz, dass Russland eine Sprache der Konfrontation und des Nationalismus wählt, anstatt auf dem aufzubauen, was Europa, die USA und in einem früheren Stadium auch Russland versucht haben zu erreichen.
    "Wir alle wollen eine diplomatische Lösung"
    Klein: Ich würde gern mit einem weiteren Zitat enden. Sie haben vielleicht die Diskussion hier bei der Münchener Sicherheitskonferenz verfolgt und die Debatte um Waffenlieferungen hierzulande. Senator John McCain sagte ja dort zum Abschluss: "Putin will keine diplomatische Lösung, denken Sie an meine Worte." Glauben Sie, McCain wird recht behalten?
    Fried: Ich hoffe, dass er nicht recht behält, und ich vermute, Senator McCain würde selbst auch lieber nicht recht behalten. Denn wir alle wollen eine diplomatische Lösung. Ich denke, was er sagen wollte war: Um zu einer solchen Lösung zu kommen, brauchen wir beides, eine diplomatische Lösung, die wir haben - das ist Minsk -, und wir müssen den Druck auf Russland aufrecht erhalten. Wenn Europa und die USA zusammenarbeiten, dann ist das der beste Weg und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Gutes dabei herauskommt.
    Müller: Meine Kollegin Bettina Klein im Gespräch mit dem amerikanischen Spitzendiplomaten Daniel Fried.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.