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Ukraine-Konflikt
"In Wahrheit eine russische Krise"

Bei der russischen Ukraine-Politik handele es sich nicht um eine Reaktion auf Fehler oder Provokationen des Westens, sagte der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel im DLF. Er glaube vielmehr, dass es der innere Druck in Russland gewesen sei, der Präsident Putin zu seinem Vorgehen veranlasst habe.

Karl Schlögel im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 23.08.2015
    Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel.
    Der Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Karl Schlögel fordert mehr Druck des Westens auf Moskau. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Er könne sich nicht vorstellen, wie sich die Lage in der Ukraine ohne eine Schließung der ukrainisch-russischen Grenze beruhigen könne. Denn die Separatisten erhielten "pausenlos" militärische Unterstützung aus Moskau. Um eine weitere Destabilisierung der Ukraine zu verhindern, müsse nun Druck auf Russland ausgeübt werden. Der Westen müsse darauf bestehen, dass die Grenze geschlossen werde, sagte der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel im Deutschlandfunk.
    Ukraine-Konflikt von Griechenland-Krise überschattet
    Trotz des Abkommens von Minsk sei "es nie wirklich zur Ruhe gekommen". Man habe den "Eindruck, dass die Kämpfe mal forciert würden, um dann zu gegebener Zeit wieder etwas nachzulassen." Im Schatten der Griechenland-Krise sei der Konflikt in der Ukraine fast unbemerkt weitergegangen. Dafür habe die Ukraine einen sehr hohen Preis bezahlen müssen - "mit inzwischen Tausenden von Toten, mit über zwei Millionen Flüchtlingen, mit einer zerstörten Infrastruktur in den besetzten Gebieten", kritisierte Schlögel.
    Was die Ursache des Konflikts sei, dafür gebe es auf den beiden Seiten unterschiedliche Sichtweisen, betonte der Osteuropa-Historiker. Er sei der Auffassung, "dass es nicht um eine Reaktion auf Fehler, Provokationen des Westens geht". Er glaube vielmehr, "dass es der innere Druck innerhalb Russlands ist, dass es in Wahrheit gar nicht eine Ukraine-Krise, sondern eine russische Krise ist". Putin habe es nicht geschafft, die großen Aufgaben der Modernisierung des Landes in Angriff zu nehmen. Das habe er offenbar mit einem "kleinen handstreichartigen Krieg, den er sehr professionell durchgeführt hat", zu kompensieren versucht.
    Das Audio des Interviews mit Karl Schlögel steht Ihnen sechs Monate lang zum Nachhören zur Verfügung.