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Ukraine
Krieg und Korruption

Trotz des Abkommens von Minsk wird die Waffenruhe im Osten der Ukraine nicht eingehalten. Es sind aber nicht nur die Belastungen des Krieges, die die ukrainische Armee schwächen. Allein die Beschaffung von Nahrung wird zu einem ständigen Problem. Denn auf der Tagesordnung stehen Korruption und Misswirtschaft.

Von Florian Kellermann | 01.04.2015
    Ein Panzer mit ukrainischer Fahne und Soldaten
    Die ukrainische Armee leidet unter Korruption und Misswirtschaft (AFP / VOLODYMYR SHUVAYEV)
    Jurij Syrotjuk pendelt unablässig zwischen Kiew und dem Donezkbecken. Der Politiker der nationalistischen Partei "Swoboda", auf deutsch "Freiheit", hilft ukrainischen Soldaten. Er weiß, wie schlecht die Armee ihre Soldaten ausrüstet:
    "Was ich an der Front beobachte: Das ganze Essen bringen Freiwillige. Ab und zu erhalten die Soldaten ein Paket mit Fertigessen. Aber die sind von so schlechter Qualität, dass die Soldaten sie lieber an Tiere verfüttern. Und dabei sind im Verteidigungsetat natürlich Mittel für eine vollwertige Ernährung vorgesehen!"
    Aber dieses Geld verschwindet in privaten Taschen - wo, weiß niemand so genau. So sei die Korruption schon auf der untersten Ebene der ukrainischen Armee mit Händen zu greifen, sagt Syrotjuk:
    "Oder nehmen wir das Benzin: Die Kommandeure geben jeden Tag ihren Verbrauch an, auch wenn kein einziger Panzer rollt. Ein Bataillonskommandeur hat mir erzählt: Er wurde von seinem Vorgesetzten angehalten, so viel Benzinverbrauch aufzuschreiben, als wäre er an einem Tag nach Moskau und wieder zurückgefahren."
    "Unsinnige Ausgaben" gleichzusetzen mit Korruption
    Solche Geschichten erzählen viele Freiwillige, die den Soldaten helfen. Die Korruption im ukrainischen Verteidigungsministerium geht jedoch weit hinaus über die Verpflegung und den Benzinverbrauch. Mindestens ein Fünftel des Verteidigungsetats würden gestohlen, schätzte im Januar Jurij Berjukow, Berater von Präsident Petro Poroschenko. Das entspricht in diesem Jahr rund einer Milliarde Euro.
    Ein großer Posten dabei sind die Rüstungsausgaben. Experten beschreiben die Vergabe von Aufträgen in vielen Bereichen als völlig chaotisch, so Ihor Kabanenko, Admiral der Flotte:
    "Wir kaufen Militärtechnik im Ausland ein, obwohl wir weit bessere Hersteller in der Ukraine haben. Ich kenne ein Beispiel, bei dem wir den Auftrag für ein Drittel der Summe an einen heimischen Produzenten hätten vergeben können. Ein weiteres Beispiel für unsinnige Ausgaben: Wir reparieren ein Schiff, das 39 Jahre alt ist. Das ist völlig unverständlich. Wir müssen es derart umbauen, dass wir ein zweites Schiff im alten Korpus bauen."
    "Unsinnige Ausgaben" - das heißt in der Ukraine häufig, das hier Korruption im Spiel ist. Über weitere Beispiele berichtete die renommierte Wochenzeitung "Dzerkalo Tyschnja", auf deutsch "Wochenspiegel". Sie beschreibt, wie das Verteidigungsministerium bei ukrainischen Rüstungsherstellern Panzer bestellt, die die Armee gar nicht brauchen kann. Sie seien offenbar für den Export bestimmt, so die Zeitung. Andererseits kaufe das Ministerium in England gepanzerte Transportfahrzeuge ein, die für den Konflikt in der Ostukraine weniger geeignet seien als ukrainische Modelle.
    Die Folgen dieser Misswirtschaft sind gravierend: Die ukrainischen Rüstungsbetriebe sind bei Weitem nicht ausgelastet - nach Schätzungen des Ministeriums nicht einmal zu 70 Prozent. Außerdem fließt kein Geld in die Entwicklung moderner Waffen.
    Zentrales Organ der Regierung fehlt
    Korruption gibt es auf allen Ebenen der Rüstungsbeschaffung. Zumindest in den ukrainischen Betrieben selber soll dem jetzt ein Riegel vorgeschoben werden. Von ersten Erfolgen spricht Roman Romanow, Generaldirektor von Ukroboronprom, einem Konzern, der viele heimische Hersteller vereinigt:
    "Wir haben transparente Ausschreibungen über das Internet eingeführt. Bisher konnten die Verantwortlichen in den Unternehmen die Aufträge einfach an Bekannte vergeben - zu überhöhten Preisen. Das geht jetzt nicht mehr. Ein Beispiel aus einem Unternehmen: Für 17 Aufträge in den vergangenen Wochen hat es über 2.600 Angebote bekommen. Dadurch hat es fast die Hälfte der ursprünglich kalkulierten Summe eingespart."
    Vor allem aber braucht die Ukraine ein zentrales Organ der Regierung, das für die Rüstung zuständig und verantwortlich ist, meinen Experten. Es müsste ermitteln, welche Waffen die Armee konkret braucht, welche sie kaufen, reparieren und entwickeln lassen sollte. Natürlich müsste es die Ergebnisse auch kontrollieren lassen. Damit ließe sich der Spielraum für Korruption in der Landesverteidigung deutlich einschränken.
    Dann würde Präsident Poroschenko eine peinliche Szene wie diese wohl erspart bleiben: Im Januar brachte er einem Bataillon persönlich einige Dutzend gerade reparierte Panzer. Der verantwortliche Offizier verweigerte jedoch die Annahme: In ihrem Zustand taugten sie höchstens als Traktoren, erklärte er.