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Ukraine-Krise
"Kein Säbelrasseln"

Die NATO-Außenminister beraten heute in Brüssel über die Ukraine-Krise. Ein Thema wird die verstärkte militärische Unterstützung der osteuropäischen Staaten sein. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte im Deutschlandfunk, das Vorgehen der NATO sei kein Säbelrasseln. Man setze auf eine diplomatische Lösung.

Volker Kauder im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Ein Aufklärungsflugzeug vom Typ Awacs startet am in Geilenkirchen (Nordrhein-Westfalen) auf dem Nato-Luftwaffenstützpunkt.
    Unter anderem über verstärkte Aufklärungsflüge der NATO wird diskutiert. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Friedbert Meurer: Vor der Sendung habe ich mit Volker Kauder gesprochen, dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und ihn zunächst gefragt: Betreibt die NATO hier militärisches Säbelrasseln?
    Volker Kauder: Nein, überhaupt nicht. Es geht lediglich darum, dass die NATO ihre Aufgaben wahrnimmt. Beispielsweise geht es ja darum, dass die baltischen Staaten ihre Luftkontrolle an die NATO abgegeben haben und dass die NATO jetzt sagt, das verstärken wir ein bisschen. Das sind aber auch gar keine Themen, die uns im Parlament jetzt im Augenblick berühren. Dazu bedarf es keiner parlamentarischen Entscheidung. Was die NATO macht, ist Sache der zuständigen Minister. Und ich habe im Augenblick keinen Grund, daran zu zweifeln, dass das alles genau überlegt ist.
    Meurer: In Moskau wird man sich trotzdem überlegen, Herr Kauder: Ist das eine Warnung mit militärischen Mitteln, die der Westen hier nach Moskau schickt?
    Kauder: Wir haben klar und deutlich gesagt, dass es bei uns keine militärische Option gibt. Dabei bleibt es auch. Und die NATO sichert jetzt einfach ihren Aufgabenbereich etwas stärker ab. Es ist noch nicht entschieden, in welchem Umfang das geschieht. Und da hat auch die Bundesverteidigungsministerin freie Hand, das im Rahmen des NATO-Vertrages selbst zu entscheiden. Aber es ist überhaupt kein Säbelrasseln, überhaupt nicht, sondern wir machen weiter auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben, in politischen Gesprächen eine Lösung zu suchen.
    Meurer: Viele in Deutschland, Herr Kauder, wollen ja keinen Konflikt mit Russland, nicht wegen der Krim, nicht wegen der Ukraine. Was berichten Ihnen eigentlich die Abgeordneten der Unionsfraktion aus ihren Wahlkreisen über die Stimmung?
    Kauder: Nun, die Abgeordnetenkollegen brauchen mir gar nichts berichten. Ich war selber im Wahlkreis unterwegs und ich bin auch in Deutschland unterwegs. Zwei Dinge sind klar. Erstens: Die Menschen in unserem Land verstehen, dass wir für die Einhaltung internationalen Rechtes eintreten. Wenn Völkerrecht nicht mehr gilt, was soll dann überhaupt noch auf der Welt gelten. Und auf der anderen Seite ist richtig, dass die Menschen in unserem Land froh darüber sind, dass die Bundeskanzlerin die klare Aussage gemacht hat, es wird keine militärische Lösung geben.
    Meurer: Befindet sich die Bundesregierung ein bisschen in der Zwickmühle? Die NATO-Partner fordern Deutschland auf, eine Führungsrolle zu unternehmen, aber in der Öffentlichkeit gibt es ein bisschen die Stimmung, bloß keinen Ärger mit Russland.
    Kauder: Na ja, dass wir klar und deutlich sagen, dass da Völkerrecht gebrochen wurde und dass man das nicht akzeptieren kann, das wird ja schon formuliert und da drücken wir uns auch gar nicht drum. Aber ansonsten, glaube ich, hat die Führungsrolle nicht die NATO, sondern die Führungsrolle hat Europa.
    Meurer: Als die Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, sagte, die NATO soll mehr Präsenz an den Grenzen zeigen, mag manchem vielleicht ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen sein. War das in Ordnung?
    Kauder: Die Verteidigungsministerin hat das auch klar und deutlich erklärt, indem sie gesagt hat, wir wollen beispielsweise bei der Luftüberwachung bei den baltischen Staaten uns etwas stärker engagieren. Sie hat mehr überhaupt nicht gesagt. Nein! Da gibt es auch überhaupt keinen Grund, dass da einem irgendwo ein Schauer über den Rücken läuft. Überhaupt nicht.
    Meurer: Sie hat ja einen Rüffel von Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel dafür bekommen, sie soll nicht so eine Debatte jetzt zur Unzeit anzetteln. Lag sie richtig mit diesen Worten, mehr Präsenz zeigen?
    Kauder: Ich finde, dass man Ursula von der Leyen da überhaupt keine kritische Anmerkung hinterherlegen muss. Sie hat gesagt, mehr Präsenz zeigen, das ist auch in Ordnung. Sie hat aber genau auf der Linie argumentiert, es wird keine militärische Lösung geben.
    Meurer: Und es ist ja auch noch nicht daran gedacht, Truppen zu schicken. Aber grundsätzlich geht anscheinend das Nachdenken darüber los, ob die NATO nicht doch in Ländern wie Estland, Lettland, Litauen oder in Polen Truppen stationieren soll, was man bisher ja nicht getan hat mit Rücksicht auf Russland. Wie denken Sie darüber?
    Kauder: Ja, das ist mir überhaupt nicht bekannt, dass es solche Überlegungen gibt. Davon habe ich nichts gehört. Und was die NATO meint, machen zu müssen, muss ja in den entsprechenden Gremien beschlossen werden. Und da kann ich nur raten, dass die NATO das eng mit der EU abstimmt. Ich rate mal dringend dazu, keine Handlungen zu übernehmen, die eine Eskalation bedeuten, ohne dass sie einen inhaltlichen Sinn machen.
    Meurer: Bezieht sich das auch oder ließe sich das übertragen auf die Frage, ob der Ukraine der Beitritt zur NATO angeboten werden sollte?
    Kauder: Wir bieten den Beitritt zur NATO nicht an. Das müssen die Länder schon, entscheiden die schon selber. Und das muss den Ländern aber auch möglich sein. Ich muss mal klipp und klar sagen: Wenn jemand entscheidet, in freier Entscheidung – Selbstbestimmungsrecht ist doch das Thema -, wir wollen uns dort und dorthin orientieren, muss dies auch möglich sein. Wir haben niemandem angeboten, Mitglied der NATO zu werden, sondern die Staaten haben es alle selbst entschieden und wir werden auch in Zukunft keine entsprechenden Angebote machen, würde ich auf jeden Fall dazu raten.
    Meurer: Aber was ist, wenn die Ukraine einen Antrag stellt?
    Kauder: Das ist im Augenblick nicht zu erwarten.
    Meurer: Was macht Sie so sicher?
    Kauder: Ich sage mal, dass ich das im Augenblick nicht erwarte. Die Ukraine hat im Augenblick auch ein paar andere Aufgaben zu lösen. Wenn der Antrag gestellt wird, dann werden wir uns damit befassen, aber ich glaube, es ist in der ganz konkreten Situation besser, wenn wir nicht rumspekulieren, sondern uns mit der Realität auseinandersetzen. Ich sehe einen solchen Antrag nicht. Und deswegen brauchen wir darüber auch nicht reden.
    Meurer: Seit Jahr und Tag liegen ja Union und SPD, Ihr Koalitionspartner jetzt seit der Bundestagswahl, Herr Kauder, bei den großen außenpolitischen Themen auf einer Linie. Bleibt das auch so oder gibt es da doch ein paar Unterschiede, die da deutlich geworden sind?
    Kauder: Ich kann im Augenblick Unterschiede nicht erkennen. Aber ich glaube auch, dass wir bei den zentralen außenpolitischen, europapolitischen Fragen schon einen gemeinsamen Kurs steuern sollten. Und das sehe ich auch so, dass es so bleibt. Ich habe da überhaupt keine Befürchtung, dass wir in zentralen Fragen anderer Meinung sind.
    Meurer: Immerhin haben zwei ehemalige Kanzler der SPD Verständnis gezeigt für Putin und die Außenpolitik des Westens gerüffelt, während jetzt Wolfgang Schäuble Putins Vorgehen mit dem von Hitler im Sudetenland 1938 verglichen hat. Spielt das gar keine Rolle, dass so namhafte SPD-Leute solche Ansichten vertreten?
    Über Volker Kauder
    Geboren 1949 in Hoffenheim, Baden-Württemberg. Der CDU-Politiker studierte bis 1975 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. 1978 legte er das Zweite Staatsexamen ab und trat im Anschluss in die Verwaltung des Landes Baden-Württemberg ein. Kauder trat 1966 der CDU bei. Seit 1990 ist er Abgeordneter im Deutschen Bundestag, seit 2005 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
    Kauder: Die ehemaligen Kanzler der SPD sind nicht Mitglied dieser Koalition und nicht Mitglied dieser Regierung. Und deswegen sind sie auch in keinerlei Verpflichtungen eingebunden. Ob das jeweils klug ist, was sie sagen, müssen sie selbst entscheiden. Und ein Vergleich mit der Geschichte ist immer problematisch und ich rate, das nicht zu machen. Das Dritte Reich war etwas Singuläres in seiner gesamten Bedeutung und die Krim-Frage ist auch wieder etwas Singuläres, ganz anderes. Man sieht wieder an dem Beispiel: Historische Vergleiche sind immer problematisch.
    Meurer: Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei uns im Deutschlandfunk zur Rolle der NATO und die Haltung der Bundesregierung und der Koalition in all diesen Fragen. Herr Kauder, danke schön und auf Wiederhören!
    Kauder: Bitte schön! – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.