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Ukraine-Krise
Kiew hofft auf EU-Sanktionen gegen Russland

Viele Ukrainer sind verärgert, dass die EU erst jetzt ernsthaft Sanktionen gegen Russland ins Auge fasst. Viele fühlen sich vergessen, weil der eigentliche Auslöser der Maßnahmen der Absturz der MH-17-Passagiermaschine über der Ost-Ukraine zu sein scheint. Ein Stimmungsbild aus der Ukraine.

Von Sabine Adler | 29.07.2014
    Ein privates Haus im Randbezirk von Donezk.
    Über 100.000 Menschen sind bisher aus der Ost-Ukraine geflohen. (picture alliance / dpa - Mikhail Voskresenskiy)
    Mit Spannung wird in Kiew verfolgt, ob die Europäische Union heute den Schritt wagt. Die Ukraine wartet seit der Annexion der Krim im Februar auf Strafmaßnahmen gegen Russland, die wehtun.
    Zwei russische Geldhäuser, die "Sperbank" und die "Wneschtorgbank", sollen zusätzlich zu den Chefs des In- und Auslandsgeheimdienstes, dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow und anderen Personen auf der Boykottliste landen, melden die ukrainischen Nahrichten und beziehen sich auf Informationen des "Wall Street Journal".
    Unmut über Europa
    Der Unmut über die europäische Zögerlichkeit wird offiziell zwar nur hinter vorgehaltener Hand geäußert, aber hin und wieder öffnet sich das Ventil. Wie bei Anton Geraschenko dem Berater des ukrainischen Innenministers.
    "Die Situation, in der sich die Ukraine befindet, erinnert an 1938 und 1939, da waren Tschechien und Polen in einer ähnlichen Lage. Und ähnlich Polen und Tschechien nimmt die Welt heute von der Situation, in der sich die Ukraine befindet, nicht wirklich Kenntnis. Erst seit dem Abschuss der Boeing begann man, sich dafür zu interessieren. Aber wo ist konkrete Schaden, der Putin aus den Sanktionen entsteht? Wo? Seine Oligarchen fahren genau dorthin in den Urlaub wo sie schon immer hingefahren sind. Und sie investieren im Ausland dort ihr Geld, wo sie es schon vorher investiert haben."
    An Russlands Beteiligung wird nicht bezweifelt
    Trotz gegenteiliger Beteuerungen der russischen Führung sind über die Hälfte, 56 Prozent der Russen, sicher, dass Moskau die Separatisten in der Ukraine tatkräftig unterstützt. Das hat eine Umfrage des in Moskau ansässigen Lewada-Instituts ergeben.
    Die Satellitenbilder, die die USA gestern vorgelegt haben, um zu belegen, dass die Ukraine von russischem Territorium beschossen wird, rufen in Kiew keinerlei Aufregung hervor. Die Armeesprecher informieren ohnehin seit Wochen über derartige Vorfälle. Ebenso ausgemacht ist es für die Ukrainer, dass die Separatisten mit der Hilfe der russischen Streitkräfte das Passagierflugzeug der Malaysia Airlines abgeschossen haben.
    Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates Andrij Lisenko hatte gestern bekannt gegeben, dass Experten nach Auswertung der Flugschreiber von einem Druckabfall in der Kabine berichtet haben, nachdem Raketensplitter den Rumpf durchlöchert hätten.
    Grananteneinschläge im Grenzgebiet
    In Lugansk sind vier Bewohner eines Altersheims getötet worden, als das Gebäude unter Beschuss geriet, in Gorlowke nördlich von Donezk und in der Bezirkshauptstadt haben die Bewohner Stunden voller Angst hinter sich. Die ganze Nacht hindurch wurden in Donezk geschossen, Granateneinschläge haben mehrere Wohngebäude zerstört.
    Opfersuche der MH-17 geht weiter
    Das internationale Bergungsteam, das von den Niederlanden geführt wird, unternimmt heute einen weiteren Versuch, heute die Suche nach Opfern und Wrackteilen aufzunehmen. Seit der Ankunft der Spezialisten am Samstag konnten sie bislang ihre Arbeit wegen der Feuergefechte im Absturzgebiet nicht damit beginnen. Um Aufschluss über den Hergang des vermutlichen Abschusses zu bekommen, haben die Niederländer die Bevölkerung in dem Absturzgebiet gebeten, Videoaufzeichnungen und Fotos von Unglück zur Verfügung zu stellen.
    Laut der Lewada-Umfrage geben 64 Prozent der befragten Russen den USA und Europa Schuld an der Ukraine-Krise und werfen ihnen "unbefugte Einmischung" vor. Rund 52 Prozent befürchteten, dass sich der erbitterte Konflikt in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik zu einem Weltkrieg ausweiten könnte.