Das Parlament beschloss die umstrittenen Gesetze im Paket - und gerade an dem Tag, an dem der polnische Präsident Bronislaw Komorowski in Kiew war. Ein ungünstiger Zeitpunkt. Denn eines der Gesetze ehrt die Ukrainische Aufstandsarmee, kurz UPA. Sie kämpfte im Zweiten Weltkrieg nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern ebenso gegen die polnische Heimatarmee. Ihre Einheiten sind auch für das sogenannte "Massaker von Wolhynien" verantwortlich, dem Zigtausende polnische Zivilisten in der heutigen Westukraine zum Opfer fielen. Der polnische Präsident Komorowski war irritiert.
"Vier Gesetze wurden beschlossen. Auf der einen Seite Gesetze, wie wir sie auch in Polen haben, sie sollen die Ukraine entsowjetisieren, vom Erbe des Kommunismus befreien. Aber auf der anderen Seite ist da auch das Gesetz, das eine Diskussion über die Rolle der UPA unmöglich macht. Trotzdem muss ich dafür sorgen, dass der ukrainisch-polnische Dialog weitergeht."
Das Gesetz bezeichnet die Angehörigen der UPA - und anderer nationalistischer Organisationen - als "Kämpfer für die Unabhängigkeit" der Ukraine. Es gesteht ihnen besondere Sozialleistungen zu. Und - das ist besonders umstritten - es droht jedem, der die Kämpfer beleidigt, mit strafrechtlicher Verfolgung. Kritik an ihnen, so die Gegner des Gesetzes, wird damit unmöglich.
Verurteilung der Sowjetunion
Die anderen Gesetze richten sich gegen die Sowjetunion. Sie verurteilen sie als totalitaristisch und verbrecherisch und verbieten es, ihre Symbole zu Propagandazwecken zu benutzen. Außerdem sollen die Archive der sowjetischen Geheimdienste öffentlich zugänglich werden.
Das Gesetzespaket liegt nun dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zur Unterschrift vor. Es stößt aber auch in der Ukraine auf Kritik, so bei Wasyl Tscherpanyn, Dozent für Kulturwissenschaften in Kiew:
"Das Parlament ist der Versuchung erlegen, die ukrainische Geschichte im 20. Jahrhundert ausschließlich als Geschichte einer Okkupation zu beschreiben. Als ob die Sowjetunion etwas Fremdes gewesen wäre, das mit der Ukraine nichts zu tun hatte. Aber die Ukraine war doch auch ein Subjekt der Sowjetunion, sie hat diesen Staat mitgestaltet. Und sie ist, in ihrer heutigen Form, auch sein Produkt. Und da gab es auch Dinge, auf die wir durchaus stolz sein können."
Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern bittet Präsident Poroschenko, die Gesetze nicht zu unterschreiben. In ihrem offenen Brief heißt es, sie schränkten die Meinungsfreiheit ein.
"Für mich bedeuten sie gigantische Verbrechen"
Anders sehen das Ukrainer, die in der Sowjetunion verfolgt wurden, so der ehemalige Dissident Josef Zissels, der insgesamt sechs Jahre in sowjetischen Gefängnissen verbrachte.
"Wir haben eine sehr schwierige Geschichte. Einige mögen die Sowjetsymbole nur angenehm an ihre Jugend erinnern. Für mich bedeuten sie gigantische Verbrechen. Die Mächtigen haben hier Jahrzehnte lang gegen das eigene Volk gekämpft. Ich habe mein ganzes Leben lang von solchen Gesetzen geträumt."
Zissels ist Vorsitzender der Vereinigung jüdischer Organisationen und Gemeinden in der Ukraine. Er verteidigt auch das Gesetz, das die UPA und andere nationalistische Gruppierungen ehrt, obwohl einige von ihnen antisemitisch waren. In erster Linie sei es den Nationalisten darum gegangen, eine unabhängige Ukraine zu erkämpfen. Das gelte auch für ihren umstrittenen Anführer Stepan Bandera, so Zissels.
"Keiner der jungen Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz hat deshalb ein Bandera-Plakat aufgehängt, weil Bandera Antisemit war. Für sie war er ein Held, weil er gegen die Sowjetunion und gegen Russland gekämpft hat. Außerdem haben sich die Nationalisten schon früh gewandelt. In der UPA gab es damals auch Juden, und nicht nur als Ärzte."
Dennoch bleiben die Kritiker dabei: Die Ukraine sollte das Gesetzespaket zur Geschichtspolitik aufschnüren und überarbeiten. Vor allem die Bestimmungen zur UPA und den anderen Organisationen: Die Kämpfer für die Unabhängigkeit zu ehren, ist eine Sache. Eine andere ist es jedoch, eine Debatte über ihren Kampf künftig zu unterbinden.