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Ukraine
Regierungschef Asarow bleibt im Amt

Die ukrainische Regierung rückt die Proteste in der Ukraine in die Nähe eines Staatsstreichs. Der Misstrauensantrag der Opposition gegen Ministerpräsident Nikolai Asarow ist jedoch gescheitert. Der 65-Jährige bleibt damit im Amt.

03.12.2013
    Die Proteste gegen die Regierung der früheren Sowjetrepublik Ukraine reißen nicht ab. In der Hauptstadt Kiew verbrachten mehrere tausend Oppositionsanhänger trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt die Nacht zum Dienstag in Zelten auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz.
    Die ukrainische Opposition ist im Parlament mit ihrem Misstrauensantrag gegen Regierungschef Nikolai Asarow gescheitert. Der 65-Jährige bleibt damit ungeachtet der Massendemonstrationen für seinen Rücktritt im Amt. Die Opposition um den Boxweltmeister Vitali Klitschko erhielt am Dienstag für ihren Misstrauensantrag gegen die Regierung 186 von nötigen 226 Stimmen. Die Regierungsgegner machen Asarow dafür verantwortlich, dass die Ex-Sowjetrepublik ein fertig ausgehandeltes Partnerschaftsabkommen mit der EU nicht unterzeichnet hat.
    Präsident Wiktor Janukowitsch, der inzwischen die Ukraine zu einem Staatsbesuch in China verlassen hat, äußerte sich noch Montagabend öffentlich - erstmals wieder seit Freitag. Journalisten vier verschiedener Fernsehsender durften ihm je eine Frage stellen. Statt zu antworten dozierte er bis zu 15 Minuten am Stück, so Korrespondentin Sabine Adler im Deutschlandfunk. Unter anderem kündigte er Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft an, die nach den Schuldigen der Ausschreitungen beziehungsweise des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes am Samstag suchen soll.
    Regierung kritisiert Opposition
    Oppositionspolitiker Vitali Klitschko
    Oppositionspolitiker Vitali Klitschko (picture alliance /dpa/ Zurab Dzhavakhadze)
    Ministerpräsident Asarow hatte von einem "unkontrollierbaren" Zustand im Land gesprochen. Die Anführer der Proteste bedienten sich "illegaler Methoden", sagte der Ministerpräsident laut ukrainischen Nachrichtenagenturen bei einem Treffen mit europäischen Botschaftern. Den oppositionellen Politikern warf er vor, zur "Radikalisierung" der Proteste beigetragen zu haben, die einem "Staatsstreich" ähnelten.
    Die inhaftierte Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko rief die Europäische Union zur Unterstützung der Opposition auf. Der Westen dürfe die "autoritäre Politik" Janukowitschs nicht dulden, zitierte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko aus einer Botschaft. Ihrer Mutter gehe es trotz eines bereits achttägigen Hungerstreiks gut.
    Putin spricht von Pogrom
    EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief beide Seiten in der Ukraine zur Gewaltlosigkeit auf. Die USA zeigten sich besorgt über die jüngsten Ausschreitungen. Die ukrainische Regierung müsse sicherstellen, dass jeder Bürger im Land die Möglichkeit erhalte, seine Meinung zum außenpolitischen Kurs des Landes zu äußern, sagte ein Regierungssprecher. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte die Führung in Kiew vor Gewalt gegen friedliche Demonstranten.
    Putin und Janukowitsch
    Putin und Janukowitsch (dpa / picture-alliance / Alexey Nikolsky)
    Der russische Präsident Wladimir Putin sagte bei einem Besuch in Armenien, die Ereignisse in der Ukraine erinnerten ihn "mehr an ein Pogrom als an eine Revolution". Die Kundgebungen würden aus dem Ausland gesteuert und hätten "nicht viel mit den Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union zu tun".
    Bald zwei Wochen währende Proteste
    Seit knapp zwei Wochen protestieren die Menschen in zahlreichen ukrainischen Städten gegen die Entscheidung von Präsident Janukowitsch, die mit der EU vereinbarte Annäherung zu stoppen.
    Am Sonntag hatten sich trotz eines Demonstrationsverbots für die Innenstadt mehr als 100.000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz versammelt. Die größte Demonstration seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004 verlief friedlich, am Rande der Kundgebung kam es jedoch zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden 190 Menschen verletzt, unter ihnen Polizisten, Demonstranten und mehr als 40 Journalisten.