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Ukraine
Saakaschwili fordert Poroschenko heraus

Michail Saakschwili hat den Ruf, dass er Georgien als Präsident zu einem modernen europäischen Staat gemacht hat. Nun möchte er der Ukraine seinen Stempel aufdrücken und gründete eine neue Partei. Laut Umfragen hat er realistische Chancen auf das Präsidentenamt.

Von Florian Kellermann | 27.11.2016
    Der ehemalige Präsident Mikhail Saakashvili gestikuliert bei einer Rede vor Studenten.
    Georgischer Ex-Präsident, Micheil Saakaschwili in der Ukraine (picture alliance /dpa / Maxim Nikitin)
    Michail Saakaschwili stieß bei den tausenden Versammelten zunächst auf skeptische Mienen. Zu viele Versprechen haben die Ukrainer in den vergangenen Jahren gehört, die letztendlich nicht erfüllt wurden. Aber als er das oligarchische System im Land ansprach, erntete der 49-jährige stürmischen Applaus:
    "Dieser Haufen von Hehlern treibt schon seit einem Vierteljahrhundert seinen Spott mit uns. Vor aller Augen stehlen sie Unternehmen und überhaupt alles, wonach sie ihre Hand ausstrecken können. Es scheint euch, als sei die Ukraine in einem Teufelskreis von Korruption und Chaos gefangen. Aber es ist nicht der Teufel, sondern ein kleiner Haufen von Menschen, die das ganze Land zu ihrem Privateigentum gemacht hat."
    Mit der Partei "Bewegung neuer Kräfte" will Saakaschwili die ukrainische Politik durcheinander wirbeln. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte das ehemalige georgische Staatsoberhaupt in die Ukraine geholt. Saakaschwili sollte helfen, ähnlich erfolgreiche Reformen auf den Weg zu bringen wie in seinem Heimatland. Er bekam die ukrainische Staatsbürgerschaft und wurde Gouverneur ganz im Süden, im Bezirk Odessa.
    Aus den Freunden Poroschenko und Saakaschwili wurden erbitterte Feinde
    Poroschenko fuhr extra mit ihm dorthin und stellte ihn den Bürgern vor. Er sagte: "Ich bitte euch, Michail nicht nur zu helfen. Ihr sollt mit ihm eine mächtige, einige Mannschaft bilden. Uns verbindet die Liebe zur Ukraine und zur Region Odessa. Bald werdet ihr sehen, wie diese Region aufblüht. "
    Das ist fast anderthalb Jahre her. Vor kurzem hat Poroschenko Saakschwili als Gouverneur entlassen. Die beiden Politiker, die sich schon sehr lange kennen, sprechen nur noch schlecht übereinander. Der ehemalige georgische Präsident sagt: Niemand habe ihn je so betrogen wie Poroschenko.
    Dieser habe ihn, Saakaschwili, nur als Aushängeschild benutzen wollen. Seinen Kampf gegen die Korruption im Gebiet Odessa habe das Staatsoberhaupt nie wirklich gefördert. Schlimmer noch: Poroschenko stütze das korrupte System mit Hilfe pro-russischer Oligarchen, wie schon sein Vorgänger Viktor Janukowytsch. Dafür nennt Saakschwili Beispiele:
    "Nehmen wir den sogenannten Siebten Kilometer, den größten Markt in Odessa. Er wird nach wie vor Jurij Jenakiewskij kontrolliert, ein ehemaliger Janukowytsch-Vertrauter. Als ein US-amerikanischer Investor den Markt kaufen wollte, hieß es: Du kannst ihn offiziell erwerben, dann kostet er 100 Millionen US-Dollar. Oder wir geben ihn dir unter der Hand für 30 Millionen. Dann aber musst du monatlich Geld nach Russland schicken, das von dort wiederum in die Separatistengebiete im Donezbecken fließt."
    Viele Ukrainer könnten sich Saakaschwili als Präsidenten vorstellen
    Poroschenko streitet die Vorwürfe ab. Er wirft dem ehemaligen Gouverneur umgekehrt vor, dieser habe den Posten in Odessa nur als Sprungbrett nutzen wollen, um eine selbstständige politische Karriere in der Ukraine zu beginnen. In der Tat zeigen Umfragen, dass die Partei von Saakaschwili bei Neuwahlen ins Parlament einziehen dürfte. Auch als Kandidat für das Präsidentenamt könnten ihn sich viele Ukrainer vorstellen, sagt der Politikwissenschaftler Jurij Lesnitschyj:
    "Er ist ein kraftvoller Politiker. Er kommuniziert mit den Bürgern sehr offen und direkt, damit ist er vielen ukrainischen Politikern einen Schritt voraus."
    Seine Popularität will Saakaschwili so schnell wie möglich in Erfolge und Macht ummünzen: Er fordert vorgezogene Parlamentswahlen und ist sich dabei mit einigen Oppositionsparteien einig.