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Ukraine
Übergangspräsident verspricht Westkurs

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow will sein Land auf Westkurs bringen: "Vorrang hat für uns, zum Kurs der Annäherung an Europa zurückzukehren", sagte er in einer Ansprache an die Nation. "Wir müssen in den Kreis der europäischen Länder zurückkehren."

23.02.2014
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    Alexander Turtschinow (dpa/picture-alliance/Yuri Maximov)
    Der 49-Jährige betonte aber auch, dass die Ukraine zu einem guten Verhältnis zu Russland bereit sei. Vorraussetzung dafür sei allerdings, dass Moskau "die europäische Wahl anerkennt und berücksichtigt". Drastische Worte fand er für den Zustand der Staatsfinanzen: "Die Ukraine ist dabei, in den Abgrund zu rutschen, sie befindet sich am Rande einer Zahlungsunfähigkeit", sagte Turtschinow. Der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Regierungschef Mykola Asarow hätten "das Land ruiniert". Turtschinow versprach demokratische Präsidentenwahlen am 25. Mai.
    Das ukrainische Parlament hatte seinen neuen Vorsitzenden Turtschinow am Sonntag zum Übergangspräsidenten bestimmt. Turtschinow gilt als Vertrauter von Julia Timoschenko, mit ihr hatte er einst die Vaterlandspartei gegründet.
    Turtschinow soll das Land bis zu den Wahlen führen. Zuvor war er bereits zum Parlamentspräsidenten gewählt worden. Kurz nach der Ernennung des Übergangspräsidenten enthob das Parlament Außenminister Leonid Koschara des Amtes. Er hatte den bisherigen Präsidenten Janukowitsch unterstützt, der gestern vom Parlament abgesetzt worden war. In einem nächsten Schritt will das Parlament eine Übergangsregierung bestimmen. Turtschinow hatte die Abgeordneten dazu aufgefordert, sich bis Dienstag auf ein "Kabinett des nationalen Vertrauens" zu einigen.
    Merkel spricht sich für Einheit der Ukraine aus
    Bundeskanzlerin Angela Merkel erörterte die Lage telefonisch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Beide sprachen sich für eine schnellen Regierungsbildung und gegen eine Spaltung des Landes aus. Sie hätten zudem ihr gemeinsames Interesse an der Stabilität des Landes in politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht erklärt, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
    Susan Rice, die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, warnte Russland davor, Streitkräfte in die Ukraine zu entsenden: "Das wäre ein schwerer Fehler", sagte sie dem Fernsehsender NBC. "Es liegt weder im Interesse der Ukraine noch Russlands, der Europäischen Union oder der Vereinigten Staaten, ein Auseinanderbrechen des Landes zu sehen. Niemand hat ein Interesse an einer Rückkehr der Gewalt und einer erneuten Eskalation."
    Timoschenko: "Ihr dürft jetzt nicht aufhören"
    Am Samstag hatten sich die Ereignisse in der Ukraine überschlagen: Das Parlament setzte Präsidenten Viktor Janukowitsch ab und beschloss die Freilassung der ukrainischen Politikerin Julia Timoschenko aus der Haft. Am Samstagabend - nur wenige Stunden nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Charkow - hatte Ex-Regierungschefin Timoschenko in einer emotionalen Rede auf dem Maidan an mehr als 100.000 Menschen appelliert, mit ihrem Kampf nicht nachzulassen.
    Julia Timoschenko hält im Rollstuhl sitzend eine Rede, in ihrer rechten Hand hält sie ein Mikrofon.
    Julia Timoschenko nach ihrer Freilassung auf dem Maidan. (picture alliance / dpa / Pochuyev Mikhail)
    Empfangen wurde sie wie eine Volksheldin, berichtet Korrespondent Stephan Laak im DLF . Erst Neuwahlen könnten den Machtwechsel abschließen, sie selbst wolle bei der Präsidentenwahl kandidieren, sagte die 53-Jährige, die zurzeit wegen eines Bandscheibenvorfalls im Rollstuhl sitzt. Regierungschefin, so ließ sie später mitteilen, will sie nicht werden.
    Parlament entlässt Janukowitsch
    Timoschenkos Freilassung und die Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch hatte das Parlament noch am späten Samstagabend in einer eigens gedruckten Zeitung veröffentlichen lassen. Damit traten mehrere Gesetze in Kraft, darunter die Verfassung von 2004 sowie der Beschluss zur vorgezogenen Präsidentenwahlen für den 25. Mai.
    Viktor Janukowitsch, der nach Angaben des Grenzschutzes das Land verlassen wollte, kritisierte die Parlamentsentscheidung und sprach von einem "Staatsumsturz". Er wertete die Beschlüsse als "gesetzeswidrig". Vorher hatte er in einem Fernsehinterview erklärt, er werde nicht zurücktreten und auch nicht das Land verlassen. Inzwischen ist unklar, wo Janukowitsch sich aufhält. Seinen Luxuslandsitz in der Nähe von Kiew hat er verlassen.