Donnerstag, 25. April 2024

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Ukraine
Unterstützung aus dem Baltikum

Die litauische Hauptstadt Vilnius ist zum Zufluchtsort der ukrainischen Opposition geworden. Vom Baltikum aus versuchen die Flüchtlinge aus Kiew, sich neu zu organisieren. Die Solidarität mit der Maidan-Bewegung ist dort groß. Die Erinnerungen an den eigenen Freiheitskampf vor gut 20 Jahren sind in Litauen, Lettland und Estland noch allgegenwärtig.

24.02.2014
    Seit Wochen schon läuft bei Aleksej Goncaruk der Fernseher. Aleksej schaut Nachrichten, 24 Stunden lang. Goncaruk vergleicht: Was berichten die Russen? Was sagen die Litauer? Und was zeigt das Fernsehen in Deutschland? Goncaruk ist aus Kiew, seiner Heimtatstadt, geflüchtet. Wie so viele andere auch hat er in Litauen Asyl beantragt. Er musste gehen, erzählt er. Die ukrainische Polizei hätte ihn sonst verhaftet.
    "Es tut sehr weh, das alles zu sehen. Da sind unsere Verwandten, unsere Bekannten und Freunde, sie kämpfen für Demokratie, für ihre Kinder. Sie kämpfen um ihr Leben. Es ist sehr schmerzhaft, das alles zu sehen und nicht dabei sein zu können."
    Vilnius ist zum Zufluchtsort für die ukrainische Opposition geworden. Vom Baltikum aus versuchen Leute wie Goncaruk, sich neu zu organisieren. Aleksej
    hat für heute einen Auto-Korso durch die litauische Hauptstadt organisiert. "Auto Maidan" nennt er das.
    "Die Litauer tun wirklich sehr viel für uns und die Ukraine. Sie helfen unserer Demokratie. Drei Monate lang haben die Ukrainer jetzt auf dem Maidan getanzt. Aber es wurde nur schlimmer und schlimmer. Da musste wohl erst mal der Blitz einschlagen. Gott sei Dank bewegt sich jetzt was."
    Litauens Präsidentin Grybauskaite ließ nie einen Zweifel daran, auf welcher Seite sie steht. Gemeinsam mit ihren Amtskollegen aus Lettland und Estland hatte sie immer betont, dass die Ukraine zu Europa gehören müsse. Der geografische und historische Blick aus dem Baltikum Richtung Kiew und Moskau ist ein anderer, als wir ihn aus Deutschland kennen. Viel zu frisch sind noch die eigenen Erinnerungen an den Unabhängigkeitskampf der 90er-Jahre.
    "Hier überkommen mich die Erinnerungen an das, was wir selber am 13. Januar ´91 hier vor dem Fernsehzentrum erlebt haben. Das ist plötzlich wieder alles ganz frisch. Wir haben das erlebt, was die Ukrainer heute erleben."
    Ina steht mit einer Kerze vor der ukrainischen Botschaft in Vilnius. Sie weiß noch genau, wie es war in dieser bitteren Januarnacht 1991. Sowjetische Panzer hatten versucht, den besetzten Fernsehturm der Stadt zu stürmen. Vierzehn Menschen kamen dabei ums Leben. Es war der sogenannte "Blutsonntag" von Vilnius.
    Auch Jonas war damals dabei. Der Mann ist 84 und hat ein kleines Feuer angezündet. "So wie damals", meint er, "ein Lagerfeuer, ein Lichterschein als Zeichen der Solidarität."
    "Wir kommen immer hierher, wenn so etwas passiert. Meine Frau und ich, wir heben zwei Finger, machen das Victory-Zeichen. Wir haben damals gesiegt. Möge Gott es auch der Ukraine gönnen."
    Tatsächlich, es tut sich was in der Ukraine. Ihre Unterstützer im Baltikum glauben jetzt, dass es gut ausgehen kann. Asylbewerber wie Goncaruk haben neue Hoffnung.
    Ina, die mit der Kerze, hat aber noch ein anderes Anliegen. Sie zeigt Richtung Osten. Da, nur 30 Kilometer von Vilnius entfernt, liege ein ganzes Land immer noch in schlimmster Grabesruhe. Gleich hinter Vilnius liegt die Außengrenze der EU. Das Land dahinter heißt Weißrussland.
    "Es wäre so gut, wenn sich das alles bis nach Weißrussland verbreiten könnte. Die Menschen dort müssen endlich selber wählen können, wie sie leben wollen. Ich denke, die Ukrainer haben genau für das gekämpft, wofür auch wir mal gestanden haben. Ich freue mich sehr, dass wir heute in Freiheit leben ."