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Ukraine-Wahl
Russen hoffen auf Poroschenko

Am Sonntag wählt die Ukraine ein neues Parlament. In Moskau hofft man auf einen Sieg der Partei von Präsident Petro Poroschenko. Unklar ist noch, ob russische Abgeordnete als Wahlbeobachter in die Ukraine reisen werden. Aus Sorge um deren Sicherheit wurde das zunächst ausgeschlossen.

Von Gesine Dornblüth | 23.10.2014
    Petro Proschenko (vorne) und Wladimir Putin
    Petro Proschenko (vorne) und Wladimir Putin (afp / Alexey Druzhinin)
    Russlands Präsident Wladimir Putin sieht die bevorstehende Parlamentswahl in der Ukraine positiv. Auf einem internationalen Wirtschaftsforum in Moskau sagte er jüngst:
    "Es ist im nationalen Interesse Russlands, wenn die Ukraine ihre politische und wirtschaftliche Krise überwindet. Wir sind interessiert daran, einen zuverlässigen, vorhersagbaren Partner zum Nachbarn zu haben. Ich hoffe, dass die Parlamentswahlen gut verlaufen und dass sich die politische Lage dann endlich stabilisiert."
    In Russland geht man von einem Sieg der Poroschenko-Partei aus. Der ukrainische Präsident gilt bei der politischen Führung in Moskau als jemand, mit dem man – bei allen Einschränkungen – reden kann. Unklar ist noch, ob russische Abgeordnete als Wahlbeobachter in die Ukraine reisen werden. Aleksej Puschkow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma, hat dies vor einigen Tagen verneint. Zur Begründung sagte er, man fürchte um die Sicherheit der Parlamentarier angesichts der antirussischen Stimmungen in der Ukraine. Parlamentspräsident Sergej Naryschkin hingegen teilte mit, die russischen Abgeordneten würden an der OSZE-Wahlbeobachtermission teilnehmen.
    Die russischen Staatsmedien suggerieren täglich, dass in der Ukraine Chaos herrsche und die Regierung nicht Herr der Lage sei. Insbesondere lasse sie die Faschisten gewähren. Vor diesem Hintergrund sendete der Wirtschaftskanal RBK – er gehört mehrheitlich dem Unternehmer und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Michail Prochorow – letzte Woche ein ungewöhnliches Live-Interview. Zugeschaltet war eine Journalistin aus Kiew. Es ging um Krawalle vor dem Parlamentsgebäude in Kiew. Dabei wurden mehrere Polizisten verletzt. Der Moderator fragte nach der Situation.
    Reporterin: "Im Zentrum von Kiew ist es ruhig. Die Polizei hat sehr schnell und entschlossen für Ordnung gesorgt."
    Moderator: "Kann sich das in etwas Größeres ausweiten?"
    Reporterin: "In was? Jurij, erwarten Sie von mir, zu sagen, dass hier Faschismus herrscht? Glauben Sie wirklich, dass das so ist?
    Moderator: "Während wir reden, hat in Kiew ein Fackelumzug begonnen, nein, kein Fackelumzug, einfach ein Umzug."
    Darauf die Journalistin: In Kiew seien weder Mahnwachen noch Kundgebungen oder Umzüge verboten.
    Russische Eliten fantasieren über Aufteilung der Ukraine
    Zweifel bestehen nach wie vor, inwieweit Russlands Eliten die Ukraine überhaupt als eigenständigen Staat akzeptieren. In Polen und der Ukraine sorgt seit einigen Tagen eine Äußerung des polnischen Parlamentspräsidenten Radoslaw Sikorski für Aufregung. Putin solle bereits 2008 eine Aufteilung der Ukraine zwischen Polen und Russland geplant haben. Sikorski hat diese Aussage mittlerweile relativiert. Doch der Gedanke einer Teilung der Ukraine ist nicht neu. Wladimir Schirinowskij, Fraktionsvorsitzender der sogenannten Liberaldemokraten in der Duma, forderte vor einem halben Jahr in der beliebten Polit-Talkshow "Voskresnoje Vremja":
    "Die Ukraine hat drei Teile. Die passen nicht zusammen. Der Osten und der Süden gehören zu Russland. Der Westen ist polnisches Gebiet, Transkarpatien ungarisches, die Bukowina und Bessarabien sind rumänisches Gebiet. Warum nicht uns unsere russischen Gebiete zurückgeben, und die westlichen den NATO-Staaten? Von der Ukraine bleibt dann der zentrale Teil übrig, die echte Ukraine."
    Der Populist Schirinowskij ist in Russland längst salonfähig. Er bekommt viel Sendezeit im russischen Fernsehen. Beobachter sagen über seine Rolle, er dürfe das sagen, was der Kreml öffentlich nicht sagen könne. Beachtenswert: Selbst Dmitrij Trenin, Leiter des renommierten Carnegie Zentrums in Moskau, gegründet als Branche einer Washingtoner Denkfabrik, äußert ganz offen Zweifel an der Staatlichkeit der Ukraine:
    "Lenin hat der Ukraine den Süden und Osten geschenkt, Stalin den Westen, Chruschtschow die Krim. Wer den Konflikt aus der Distanz betrachtet, aus Europa, Amerika oder Asien, der sieht auf der Weltkarte Russland und die Ukraine als zwei Ländern in unterschiedlichen Farben mit einer Grenze dazwischen – aber das ist der Situation nicht angemessen.
    Vor diesem Hintergrund sieht es so aus, als sei die Parlamentswahl in der Ukraine für Russlands Elite eine relativ unbedeutende Episode.