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Ukrainisches Parlament
Kampfpilotin Sawtschenko nicht auf Parteilinie

In russischer Haft wurde Nadija Sawtschenko zur Heldin für die Ukraine. Seit Ende Mai ist die Kampfpilotin wieder frei. Als Abgeordnete im Parlament schlägt die 35-Jährige nun vollkommen unerwartete Töne an, lässt sich von niemandem vereinnahmen und sorgt mit ihren öffentlichen Auftritten für Irritationen.

Von Florian Kellermann |
    Nadja Sawtschenko und Petro Poroschenko stehen vor Mikrofonen und geben sich die Hand. Im Hintergrund ukrainische Flaggen.
    Nadija Sawtschenko kämpft für einen Untersuchungsausschuss, der die Firmen von Präsident Petro Poroschenko in Steueroasen durchleuchten soll. (GENYA SAVILOV / AFP)
    Während ihrer Zeit in russischer Haft wurde die Kampfpilotin Nadija Sawtschenko für viele Ukrainer zu einem Idol. Nun, zurück in der Heimat, erweist sich die 35-Jährige als eine äußerst streitbare Abgeordnete. Nach der Parlamentssitzung gestern erklärte sie:
    "Einen halben Tag hat es gedauert, bis wir dem Abgeordneten Onyschtschenko die Immunität entzogen haben. Das hätte man in fünf Minuten machen können. Wir müssten bis zu 200 Gesetze täglich verabschieden, um weiterzukommen. Wir sollten an jeder Tür einen Soldaten mit einem Maschinengewehr postieren und die Abgeordneten eine Woche nicht aus dem Saal gehen lassen. Das fordert doch im Grunde die ganze Nation."
    Sawtschenko will nicht nur Partei-Maskottchen sein
    Die Vaterlands-Partei hatte Nadija Sawtschenko bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren auf ihre Liste gesetzt, da saß die Soldatin bereits in russischer Haft. Die Parteivorsitzende Julia Tymoschenko wollte sich so als besonders patriotisch profilieren. Auch andere ukrainische Politiker sonnten sich im Glanz der Frau, die den russischen Richtern den Mittelfinger gezeigt hatte. So Präsident Petro Poroschenko, der ihr gleich nach der Entlassung einen hohen Orden verlieh:
    "Lange 709 Tage haben wir gebangt, gebetet und Protestaktionen organisiert, damit dieser Tag kommen konnte. Nadija Sawtschenko ist zurück in der Ukraine und mit ihr die Hoffnung auf unseren Sieg. So wie wir sie zurückgeholt haben, werden wir auch das Donezbecken und die Krim wieder unter ukrainische Kontrolle bringen."
    Poroschenko ahnte jedoch sehr bald, dass Nadija Sawtschenko nicht nur Maskottchen sein will. Sie schlug seinen Vorschlag aus, erst einmal ins Ausland zu reisen. Vielmehr teilt sie im Parlament mächtig aus und verschont selbst den Präsidenten nicht. Sie kämpft für einen Untersuchungsausschuss, der Poroschenkos Firmen in Steueroasen durchleuchten soll. Aber auch in ihrer eigenen Fraktion eckt sie an. Ein Radiointerview mit ihr sorgte für einen regelrechten Skandal. Auf die Frage, wie im Donezbecken Frieden einkehren könnte, sagte sie:
    "Wir sollten direkten Kontakt zu den Volksrepubliken Donezk und Luhansk aufnehmen, ohne die Beteiligung Dritter oder Vierter, und abseits des Minsker Friedensprozesses. Wir müssen eine Verständigung finden."
    Konsequenter Einsatz für Verständigung
    Direkte Verhandlungen mit den Seperatistenführern - Sawtschenko wiederholte damit eine alte Forderung von Russland, gegen die sich die Ukraine stets gewehrt hatte. Nadija Sawtschenko ging noch weiter: Sie verlangte eine Amnestie auch für diejenigen Separatisten, die aktiv gegen die Ukraine kämpfen. Eine Ausnahme will sie nur für Kämpfer, die das Kriegsrecht verletzt hatten. Seitdem setzt sich Sawtschenko, die in Russland als blutrünstige Nationalistin verschrien war, konsequent für Verständigung ein:
    "Wenn der Westen der Ukraine Waffen liefert, dann kann das zum Dritten Weltkrieg führen. Besser ist es, uns wirtschaftlich zu helfen und die Sanktionen gegen Russland fortzusetzen. Natürlich muss Russland verstehen, dass es sich falsch verhalten hat. Aber ich bin eher für persönliche Sanktionen gegen die Mächtigen, die weniger die russische Gesellschaft treffen, denn für sie sind Sanktionen wirklich schmerzhaft."
    Distanzierung und Gerüchte von Parteikollegen
    Auch damit stellt sich Sawtschenko gegen die große Mehrheit der ukrainischen Politiker. Parteichefin Tymoschenko distanzierte sich schon von einigen ihrer Äußerungen. Andere deuten an, die Kampfpilotin könnte eine russische Agentin sein und sei in Russland geschult worden. So der Abgeordnete Wadim Rabinowytsch:
    "Ich habe keine Antwort auf eine ganze Reihe von Fragen: Sie war zwei Jahre lang immer wieder im Hungerstreik und ist trotzdem in hervorragender physischer Verfassung. Außerdem sind da ihre rhetorischen Fähigkeiten. Wie gedankenschnell sie auf Fragen antwortet! Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich das selbst beigebracht hat."
    Die 35-Jährige kümmern solche Gerüchte nicht. Sie hat sich gerade als neue Verteidigungsministerin für ihr Land in Spiel gebracht.