Elke Durak: In nicht einmal einer Stunde wird Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor das Parlament treten und für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung werben, also für den Kompromiss zwischen Union und SPD. Jetzt ist sie für uns am Telefon. Guten Morgen, Frau Schmidt!
Ulla Schmidt: Guten Morgen!
Durak: Was können Sie den später Pflegebedürftigen versprechen, dass es ihnen mit dieser Reform an nichts fehlen wird, dass sie optimale Bedingungen haben werden?
Schmidt: Das weiß ich nicht, ob ich irgendjemandem versprechen kann, dass es an gar nichts fehlen wird, denn wenn man pflegebedürftig ist, hat man sehr viel Hilfebedarf, und nicht alles kann durch professionelle Hilfe geschaffen werden, sondern da ist auch die Familie gefragt, da ist vielleicht das Umfeld gefragt, auch viel zivilbürgerschaftliches Engagement. Aber was wir versprechen können ist, dass wir mit der heutigen Reform die Weichen stellen, um Strukturen so aufzubauen, dass auch in Zukunft eine wohnortnahe gute Pflege möglich ist, und dass wir versuchen, den Hilfebedarf, den die Menschen haben, auch besser abzubilden in der Pflegeversicherung.
Durak: Damit meinen Sie die Pflegestützpunkte?
Schmidt: Einmal die Pflegestützpunkte, die ja Anlaufstellen sind. Sehen Sie mal Menschen, die sich entscheiden, zu Hause zu pflegen, die brauchen viel Zeit, viel Kraft und oft eine Einschränkung ihrer Lebensqualität auch. Was sie nicht brauchen, ist lange Wege und bürokratischen Antragswirrwarr und viele andere Dinge mehr. Da wollen wir Abhilfe schaffen, wohnortnah Stützpunkte einrichten, wo jemand hingeht, wo er beraten wird, wo die sitzen, die auch die Anträge bearbeiten und dafür sorgen, dass die Rechte in Anspruch genommen werden können, die schauen, welcher Koordinierungs- oder medizinischer Bedarf bei dem zu Pflegenden da ist. Und das wird Familien entlasten, damit sie die Kraft, die sie haben, auch wirklich dafür verwenden können, sie ihren Angehörigen zukommen zu lassen.
Durak: Diese Pflegestützpunkte wollten Sie ja, Frau Schmidt, ursprünglich bundesweit sozusagen und zentral flächendeckend einrichten. Damit sind Sie nicht weitergekommen. Die Union wollte das nicht so. Der Kompromiss sieht jetzt so aus, dass die Länder selbst entscheiden können, und wir haben auch heute Morgen hier in den "Informationen am Morgen" berichtet über kommunale Erfahrungen ( MP3-Audio , Beitrag von Tonia Koch). Das ist doch vielleicht sogar eine ganz gute Lösung, die vorhandenen Stützpunkte zu verknüpfen mit Hilfen auch des Staates?
Schmidt: Ja, da sehen Sie viel Hilfe in der Pflegeversicherung, aber das ist ja auch der Sinn. Wir haben viele kommunale, auch gute Angebote. Nehmen Sie mal Dortmund oder andere Städte. Und alle sagen, wir wollen unsere Angebote ausbauen auch zu Pflegestützpunkten, denn neu ist, dass nicht mehr nur beraten wird, sondern dass auch ein Fallmanager oder eine Fallmanagerin da sind, die eben alle Leistungen koordinieren, und dass dort auch die Anträge abgegeben werden können, über den Pflegestützpunkt abgewickelt und nicht einer, der pflegt, sich beraten lassen muss, dass man sagt, den Antrag bekommen sie dort, den bekommen sie dort, den bekommen sie dort, den müssen sie dorthin geben. Das ist ja das, was die Menschen eigentlich so unruhig macht und was sie manchmal Pflege als so etwas Schweres empfinden lässt.
Durak: Diese Reform ist ein Kompromiss. Das ist klar. Es hat ja auch knapp zwei Jahre gedauert.
Schmidt: Aber ein guter, muss ich dazu sagen, ein wirklich guter.
Durak: Es wäre ja verwunderlich, wenn Sie jetzt anders sprächen, Frau Schmidt. Das ist ja klar.
Schmidt: Nein, nein!
Durak: Ich will ihn ja auch nicht schlecht machen. Lassen Sie mich noch Folgendes fragen. Es gibt neben vielen Dingen, die wir jetzt gar nicht genannt haben - aber das wird man dann noch weiter hören oder kennt es schon -, Kritik: nämlich daran, dass die Reform nicht demografiefest sei. Wieso haben Sie das nicht geschafft? Oder sagen Sie doch, das ist demografiefest?
Schmidt: Demografiefest insofern, als wir Strukturen aufbauen, die auch dafür sorgen, dass wir in Zukunft Menschen haben, die den Beruf der Pflege ergreifen, und dass wir Strukturen aufbauen, dass genügend da sind, um auch wohnortnah Angebote auf den Weg zu bringen und das Ehrenamt stärken und vieles mehr. Was wir nicht geschafft haben ist, die Frage zu lösen, wie soll denn auf Dauer die Pflegeversicherung finanziert werden? Die SPD hätte gerne, dass alle in diesem Land zu gleichen Bedingungen einzahlen, weil auch alle bis auf den letzten Cent die gleichen Ansprüche auf Leistungen haben, und es ist ungerecht, dass praktisch gute Risiken in der privaten sind und die gesetzliche für alle anderen Risiken aufkommen muss. Dann hätten wir auch genügend Geld, um eine Demografiereserve aufzubauen. Aber auch jetzt ist die Pflegeversicherung finanziert. Wir heben eben um 0,25 Prozent die Beitragssätze an. Für mich ist wichtig, dass wir in der solidarischen Finanzierung der Pflegeversicherung laufen und keinen Weg gehen, der ja auch gewünscht war, dass jeder sein Risiko individuell und privat absichert. Das kann keine Lösung sein.
Durak: Ist das nun solidarisch oder unsolidarisch, die Lösung?
Schmidt: Wenn jeder für sich alleine sorgt, das hat nichts mit Solidarität zu tun. Da bleiben die Schwächeren außen vor. Das, was wir haben, dass man sagt ,alle beteiligen sich mit 0,25 Prozent - also alle gesetzlich Pflegeversicherten mit 0,25 Prozent - an der Finanzierung der neuen Leistungen, ist eine solidarische Form der Finanzierung. Und es bringt Leistungsverbesserungen von mehr als 15 Prozent zu dem, was wir heute haben.
Durak: Sehen Sie weiteren Bedarf an Reform bei der Pflege?
Schmidt: Wir müssen das umsetzen. Das, was wir jetzt machen, das hat ganz langfristig strukturelle Auswirkungen. Nehmen Sie einmal die Tatsache, dass wir erstmals einen neuen Weg gehen, erstmals mit der Pflegeversicherung zusätzliches Personal finanzieren - und zwar in den stationären Einrichtungen, dass gesagt wird, wenn dort Menschen sind - und wir gehen davon aus ungefähr die Hälfte -, die einen erhöhten Betreuungsbedarf haben, weil sie demenziell erkrankt sind, psychisch krank sind, geistig behindert, dann wird durch die Pflegeversicherung ein zusätzlicher Betreuungsassistent finanziert, sozialversicherungspflichtig, damit mehr Angebote da sind für die Betroffenen, sie mehr aktiviert werden, aber auch die Altenpfleger und Altenpflegerinnen, die ja Unendliches leisten, ein Stück auch wieder Entlastung bekommen, dass sie sich dem zuwenden können, wofür sie eigentlich da sind, auch die Pflege gut zu organisieren.
Durak: Es gibt noch viele Punkte zur Pflegereform, die wir auch in unserem Programm natürlich weiter behandeln werden, Frau Schmidt. Aber eine ganz andere Frage zum Abschluss unseres Gesprächs, weil es bei uns gleich ums Lesen geht, um die Buchmesse. Wenn Sie Zeit finden zu lesen, was lesen Sie gern?
Schmidt: Ich lese einmal gerne Krimis, aber ich lese auch gerne Romane. Ich habe jetzt zum Schluss den Roman "Abendland" gelesen, und ich finde, es ist einer der wunderbarsten Romane über das letzte Jahrhundert. Ich lese eigentlich alles.
Durak: Sie brauchen das Lesen?
Schmidt: Ich brauche das Lesen und von Kind auf an war ich sehr glücklich, als ich endlich das Lesen gelernt habe. Seitdem bin ich eine Leseratte.
Durak: Eine Leseratte, dankeschön. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hier bei uns im Gespräch zur Reform der Pflegeversicherung. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Ulla Schmidt: Guten Morgen!
Durak: Was können Sie den später Pflegebedürftigen versprechen, dass es ihnen mit dieser Reform an nichts fehlen wird, dass sie optimale Bedingungen haben werden?
Schmidt: Das weiß ich nicht, ob ich irgendjemandem versprechen kann, dass es an gar nichts fehlen wird, denn wenn man pflegebedürftig ist, hat man sehr viel Hilfebedarf, und nicht alles kann durch professionelle Hilfe geschaffen werden, sondern da ist auch die Familie gefragt, da ist vielleicht das Umfeld gefragt, auch viel zivilbürgerschaftliches Engagement. Aber was wir versprechen können ist, dass wir mit der heutigen Reform die Weichen stellen, um Strukturen so aufzubauen, dass auch in Zukunft eine wohnortnahe gute Pflege möglich ist, und dass wir versuchen, den Hilfebedarf, den die Menschen haben, auch besser abzubilden in der Pflegeversicherung.
Durak: Damit meinen Sie die Pflegestützpunkte?
Schmidt: Einmal die Pflegestützpunkte, die ja Anlaufstellen sind. Sehen Sie mal Menschen, die sich entscheiden, zu Hause zu pflegen, die brauchen viel Zeit, viel Kraft und oft eine Einschränkung ihrer Lebensqualität auch. Was sie nicht brauchen, ist lange Wege und bürokratischen Antragswirrwarr und viele andere Dinge mehr. Da wollen wir Abhilfe schaffen, wohnortnah Stützpunkte einrichten, wo jemand hingeht, wo er beraten wird, wo die sitzen, die auch die Anträge bearbeiten und dafür sorgen, dass die Rechte in Anspruch genommen werden können, die schauen, welcher Koordinierungs- oder medizinischer Bedarf bei dem zu Pflegenden da ist. Und das wird Familien entlasten, damit sie die Kraft, die sie haben, auch wirklich dafür verwenden können, sie ihren Angehörigen zukommen zu lassen.
Durak: Diese Pflegestützpunkte wollten Sie ja, Frau Schmidt, ursprünglich bundesweit sozusagen und zentral flächendeckend einrichten. Damit sind Sie nicht weitergekommen. Die Union wollte das nicht so. Der Kompromiss sieht jetzt so aus, dass die Länder selbst entscheiden können, und wir haben auch heute Morgen hier in den "Informationen am Morgen" berichtet über kommunale Erfahrungen ( MP3-Audio , Beitrag von Tonia Koch). Das ist doch vielleicht sogar eine ganz gute Lösung, die vorhandenen Stützpunkte zu verknüpfen mit Hilfen auch des Staates?
Schmidt: Ja, da sehen Sie viel Hilfe in der Pflegeversicherung, aber das ist ja auch der Sinn. Wir haben viele kommunale, auch gute Angebote. Nehmen Sie mal Dortmund oder andere Städte. Und alle sagen, wir wollen unsere Angebote ausbauen auch zu Pflegestützpunkten, denn neu ist, dass nicht mehr nur beraten wird, sondern dass auch ein Fallmanager oder eine Fallmanagerin da sind, die eben alle Leistungen koordinieren, und dass dort auch die Anträge abgegeben werden können, über den Pflegestützpunkt abgewickelt und nicht einer, der pflegt, sich beraten lassen muss, dass man sagt, den Antrag bekommen sie dort, den bekommen sie dort, den bekommen sie dort, den müssen sie dorthin geben. Das ist ja das, was die Menschen eigentlich so unruhig macht und was sie manchmal Pflege als so etwas Schweres empfinden lässt.
Durak: Diese Reform ist ein Kompromiss. Das ist klar. Es hat ja auch knapp zwei Jahre gedauert.
Schmidt: Aber ein guter, muss ich dazu sagen, ein wirklich guter.
Durak: Es wäre ja verwunderlich, wenn Sie jetzt anders sprächen, Frau Schmidt. Das ist ja klar.
Schmidt: Nein, nein!
Durak: Ich will ihn ja auch nicht schlecht machen. Lassen Sie mich noch Folgendes fragen. Es gibt neben vielen Dingen, die wir jetzt gar nicht genannt haben - aber das wird man dann noch weiter hören oder kennt es schon -, Kritik: nämlich daran, dass die Reform nicht demografiefest sei. Wieso haben Sie das nicht geschafft? Oder sagen Sie doch, das ist demografiefest?
Schmidt: Demografiefest insofern, als wir Strukturen aufbauen, die auch dafür sorgen, dass wir in Zukunft Menschen haben, die den Beruf der Pflege ergreifen, und dass wir Strukturen aufbauen, dass genügend da sind, um auch wohnortnah Angebote auf den Weg zu bringen und das Ehrenamt stärken und vieles mehr. Was wir nicht geschafft haben ist, die Frage zu lösen, wie soll denn auf Dauer die Pflegeversicherung finanziert werden? Die SPD hätte gerne, dass alle in diesem Land zu gleichen Bedingungen einzahlen, weil auch alle bis auf den letzten Cent die gleichen Ansprüche auf Leistungen haben, und es ist ungerecht, dass praktisch gute Risiken in der privaten sind und die gesetzliche für alle anderen Risiken aufkommen muss. Dann hätten wir auch genügend Geld, um eine Demografiereserve aufzubauen. Aber auch jetzt ist die Pflegeversicherung finanziert. Wir heben eben um 0,25 Prozent die Beitragssätze an. Für mich ist wichtig, dass wir in der solidarischen Finanzierung der Pflegeversicherung laufen und keinen Weg gehen, der ja auch gewünscht war, dass jeder sein Risiko individuell und privat absichert. Das kann keine Lösung sein.
Durak: Ist das nun solidarisch oder unsolidarisch, die Lösung?
Schmidt: Wenn jeder für sich alleine sorgt, das hat nichts mit Solidarität zu tun. Da bleiben die Schwächeren außen vor. Das, was wir haben, dass man sagt ,alle beteiligen sich mit 0,25 Prozent - also alle gesetzlich Pflegeversicherten mit 0,25 Prozent - an der Finanzierung der neuen Leistungen, ist eine solidarische Form der Finanzierung. Und es bringt Leistungsverbesserungen von mehr als 15 Prozent zu dem, was wir heute haben.
Durak: Sehen Sie weiteren Bedarf an Reform bei der Pflege?
Schmidt: Wir müssen das umsetzen. Das, was wir jetzt machen, das hat ganz langfristig strukturelle Auswirkungen. Nehmen Sie einmal die Tatsache, dass wir erstmals einen neuen Weg gehen, erstmals mit der Pflegeversicherung zusätzliches Personal finanzieren - und zwar in den stationären Einrichtungen, dass gesagt wird, wenn dort Menschen sind - und wir gehen davon aus ungefähr die Hälfte -, die einen erhöhten Betreuungsbedarf haben, weil sie demenziell erkrankt sind, psychisch krank sind, geistig behindert, dann wird durch die Pflegeversicherung ein zusätzlicher Betreuungsassistent finanziert, sozialversicherungspflichtig, damit mehr Angebote da sind für die Betroffenen, sie mehr aktiviert werden, aber auch die Altenpfleger und Altenpflegerinnen, die ja Unendliches leisten, ein Stück auch wieder Entlastung bekommen, dass sie sich dem zuwenden können, wofür sie eigentlich da sind, auch die Pflege gut zu organisieren.
Durak: Es gibt noch viele Punkte zur Pflegereform, die wir auch in unserem Programm natürlich weiter behandeln werden, Frau Schmidt. Aber eine ganz andere Frage zum Abschluss unseres Gesprächs, weil es bei uns gleich ums Lesen geht, um die Buchmesse. Wenn Sie Zeit finden zu lesen, was lesen Sie gern?
Schmidt: Ich lese einmal gerne Krimis, aber ich lese auch gerne Romane. Ich habe jetzt zum Schluss den Roman "Abendland" gelesen, und ich finde, es ist einer der wunderbarsten Romane über das letzte Jahrhundert. Ich lese eigentlich alles.
Durak: Sie brauchen das Lesen?
Schmidt: Ich brauche das Lesen und von Kind auf an war ich sehr glücklich, als ich endlich das Lesen gelernt habe. Seitdem bin ich eine Leseratte.
Durak: Eine Leseratte, dankeschön. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hier bei uns im Gespräch zur Reform der Pflegeversicherung. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.