Silvia Engels: In Berlin trifft heute Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Chefs der internationalen Organisationen OECD, Weltbank, WTO, IWF und ILO zusammen. Es geht um die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Gremien in der Finanzkrise, was können die einzelnen Institutionen leisten – allein und in der Zusammenarbeit mit den Staaten, die sie tragen. – Am Telefon dazu ist Eckhard Deutscher. Er leitet den Entwicklungsausschuss der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, kurz OECD. Zuvor war er Exekutivdirektor bei der Weltbank. Wir erreichen ihn im australischen Canberra. Guten Morgen!
Eckhard Deutscher: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Herr Deutscher, Weltbank, OECD, diese internationalen Organisationen kennen Sie aus eigener Erfahrung sehr gut. Was können sie in der internationalen Finanzkrise leisten?
Deutscher: Es ist Zeit, dass diese Institutionen sich zusammensetzen, um ein Risikomanagement zu entwickeln, und dass die deutsche Bundesregierung dazu einlädt, ist sehr zu begrüßen. Es müssen neue Regeln gefunden werden für die internationalen Finanzmärkte. Das weiß unterdessen jeder. Die Institutionen selber sind für sich sehr kompetent, sie haben eine hohe Expertise, hohe Qualität und sehr viel Erfahrungen, aber es mangelt wie in der Vergangenheit an einer Zusammenarbeit. Hier müssen verschiedene Instrumente, die die Institutionen mitbringen, zusammengelegt werden und zu Lösungen geführt werden, die darauf hinauslaufen, dass es mehr Transparenz bei den Finanzprodukten gibt, dass die Institutionen auch transparent sind und bleiben. Es müssen Regeln für das Finanzrisikomanagement entwickelt werden, aber um Gottes Willen keine Super-Regulierungsbehörde oder eine globale Behörde geschaffen werden, sondern mehr denn je ist die globale Zusammenarbeit gefragt – sei es von nationalen Regierungsbehörden mit den multilateralen Institutionen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds -, aber Kooperation ist wichtiger als je zuvor.
Engels: Bundeskanzlerin Merkel hat dazu ja mehrfach einen Weltwirtschaftsrat bei den Vereinten Nationen vorgeschlagen, auf Basis der Gruppe der G20-Länder, aber wahrscheinlich auch mit Zusammenarbeit der internationalen Organisationen. Ist das eine gute Idee, oder ist das die von Ihnen bemängelte Bürokratie, zu viel Dirigismus?
Deutscher: Jeder weiß, dass die Institutionen, die einzelnen Einrichtungen in den Vereinten Nationen, nicht sehr gut arbeiten. Die ECOSOC zum Beispiel bei den Vereinten Nationen, das ist der Wirtschafts- und Sozialausschuss, arbeitet nicht gut. Die Anforderungen, die heute die globale Welt stellt, können von ECOSOC nicht beantwortet werden. Die Idee von Frau Merkel, einen neuen Weltwirtschaftsrat zu schaffen, finde ich gut, aber eines muss hier garantiert werden: Die Expertise muss sichergestellt werden, es muss die entsprechende Flexibilität vorhanden sein und vor allen Dingen – das ist ein Mangel bei den G20-Überlegungen -, dass die Entwicklungsländer nicht einbezogen sind. Die Entwicklungsländer brauchen auch in einer solchen neuen Konstruktion eine angemessene Repräsentierung und eine angemessene Beteiligung.
Engels: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Schauen wir noch kurz auf die Idee eines Weltwirtschaftsrates oder auch eine bessere Zusammenarbeit der internationalen Organisationen. Für all diese Maßnahmen muss das Geld doch de facto von den Nationalstaaten kommen?
Deutscher: Das Geld muss von den Nationalstaaten kommen. Man muss Umschichtungen in den vorhandenen Budgets bei den Institutionen machen beziehungsweise ins Auge fassen. Aber bei dem Volumen, mit dem wir es zu tun haben, sind in der Tat neue Anstrengungen erforderlich, dass die Nationalstaaten hier auch mehr Fonds schaffen, die dann entsprechend kanalisiert werden müssen. Das ist dringend erforderlich. Wir müssen sehen, so schnell und so viel Geld wie möglich hier zur Verfügung zu stellen.
Engels: Herr Deutscher, Sie selbst leiten den Entwicklungsausschuss der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Welche Folgen hat die Finanzkrise bislang speziell für Ihre Arbeit in der Entwicklungshilfe gehabt?
Deutscher: Es wäre naiv anzunehmen und unrealistisch, dass die Entwicklungsländer verschont würden. Es wird zuerst die Schwellenländer treffen, die ja sehr viel mehr in die Weltwirtschaft eingebunden sind. Es wird eine Abnahme von Exporten geben, weil die Banken hier weniger Exportkredite zur Verfügung stellen. Ein Einbruch bei den Rohstoffpreisen ist zu erwarten und diese Kombination, dass es reduzierte Einnahmen gibt, Exporteinnahmen, plus die Rezession, wird wahrscheinlich zu einer neuen Verschuldung der Entwicklungsländer kommen und wir werden wieder zurückgeworfen auf Anfang der 90er-Jahre.
Im Augenblick sieht es so aus, dass die Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit von einigen Mitgliedsregierungen der OECD weiterhin geplant werden, also die Versprechungen gehalten werden. Dazu gehören die nordeuropäischen Länder, Großbritannien, auch hier Neuseeland. Ich habe gestern mit dem Außenminister von Australien darüber gesprochen und auch von Neuseeland. Ich finde, Deutschland geht hier einen ganz besonderen Weg, ostentativ 100 Millionen Dollar für die Weltbank, für den Infrastrukturfonds zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet ein richtiges politisches Signal für die anderen OECD-Länder, von denen ich weiß – auch übrigens europäische Länder -, dass sie Kürzungen in ihren Entwicklungshaushalten vornehmen werden. Das halte ich für sehr, sehr kurzfristig gedacht und kann als OECD-DAC-Vorsitzender davor nur warnen.
Engels: Ist denn die Finanzierung der OECD mittelfristig gesichert?
Deutscher: Die OECD-Finanzierung als Institution ist gesichert.
Engels: Aber auch ihre Projekte?
Deutscher: Die OECD führt selber keine Projekte durch, aber die Mitgliedsländer führen diese Projekte durch. Hier sehe ich, wie ich eben sagte, ein gemischtes Bild. Einige Länder werden ihre Zusagen einhalten, andere Länder, OECD-Länder werden diese Zusagen kappen. Ich komme da noch mal zurück auf die bereits seit zehn Jahren versprochene Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Es ist grotesk und nicht vertretbar und bedeutet ein Legitimations- und Glaubwürdigkeitsproblem der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern. Das ist politisch nicht durchzuhalten.
Engels: Bundesentwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul hat davor gewarnt, dass allein durch die jetzt zu erwartenden Wachstumsrückgänge in den Entwicklungsländern 20 Millionen Menschen zurück in Armut fallen könnten. Ist das auch Ihre Schätzung?
Deutscher: Jedes Prozent weniger an Wirtschaftswachstum - und der Internationale Währungsfonds hat letzte Woche neue Daten für die Weltwirtschaftsentwicklung herausgegeben; die betragen jetzt 0,5 Prozent – bedeutet, dass über 20 Millionen Menschen erneut in Armut fallen.
Engels: Eckhard Deutscher, der Leiter des Entwicklungsausschusses der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, kurz OECD. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Deutscher: Gerne.
Eckhard Deutscher: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Herr Deutscher, Weltbank, OECD, diese internationalen Organisationen kennen Sie aus eigener Erfahrung sehr gut. Was können sie in der internationalen Finanzkrise leisten?
Deutscher: Es ist Zeit, dass diese Institutionen sich zusammensetzen, um ein Risikomanagement zu entwickeln, und dass die deutsche Bundesregierung dazu einlädt, ist sehr zu begrüßen. Es müssen neue Regeln gefunden werden für die internationalen Finanzmärkte. Das weiß unterdessen jeder. Die Institutionen selber sind für sich sehr kompetent, sie haben eine hohe Expertise, hohe Qualität und sehr viel Erfahrungen, aber es mangelt wie in der Vergangenheit an einer Zusammenarbeit. Hier müssen verschiedene Instrumente, die die Institutionen mitbringen, zusammengelegt werden und zu Lösungen geführt werden, die darauf hinauslaufen, dass es mehr Transparenz bei den Finanzprodukten gibt, dass die Institutionen auch transparent sind und bleiben. Es müssen Regeln für das Finanzrisikomanagement entwickelt werden, aber um Gottes Willen keine Super-Regulierungsbehörde oder eine globale Behörde geschaffen werden, sondern mehr denn je ist die globale Zusammenarbeit gefragt – sei es von nationalen Regierungsbehörden mit den multilateralen Institutionen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds -, aber Kooperation ist wichtiger als je zuvor.
Engels: Bundeskanzlerin Merkel hat dazu ja mehrfach einen Weltwirtschaftsrat bei den Vereinten Nationen vorgeschlagen, auf Basis der Gruppe der G20-Länder, aber wahrscheinlich auch mit Zusammenarbeit der internationalen Organisationen. Ist das eine gute Idee, oder ist das die von Ihnen bemängelte Bürokratie, zu viel Dirigismus?
Deutscher: Jeder weiß, dass die Institutionen, die einzelnen Einrichtungen in den Vereinten Nationen, nicht sehr gut arbeiten. Die ECOSOC zum Beispiel bei den Vereinten Nationen, das ist der Wirtschafts- und Sozialausschuss, arbeitet nicht gut. Die Anforderungen, die heute die globale Welt stellt, können von ECOSOC nicht beantwortet werden. Die Idee von Frau Merkel, einen neuen Weltwirtschaftsrat zu schaffen, finde ich gut, aber eines muss hier garantiert werden: Die Expertise muss sichergestellt werden, es muss die entsprechende Flexibilität vorhanden sein und vor allen Dingen – das ist ein Mangel bei den G20-Überlegungen -, dass die Entwicklungsländer nicht einbezogen sind. Die Entwicklungsländer brauchen auch in einer solchen neuen Konstruktion eine angemessene Repräsentierung und eine angemessene Beteiligung.
Engels: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Schauen wir noch kurz auf die Idee eines Weltwirtschaftsrates oder auch eine bessere Zusammenarbeit der internationalen Organisationen. Für all diese Maßnahmen muss das Geld doch de facto von den Nationalstaaten kommen?
Deutscher: Das Geld muss von den Nationalstaaten kommen. Man muss Umschichtungen in den vorhandenen Budgets bei den Institutionen machen beziehungsweise ins Auge fassen. Aber bei dem Volumen, mit dem wir es zu tun haben, sind in der Tat neue Anstrengungen erforderlich, dass die Nationalstaaten hier auch mehr Fonds schaffen, die dann entsprechend kanalisiert werden müssen. Das ist dringend erforderlich. Wir müssen sehen, so schnell und so viel Geld wie möglich hier zur Verfügung zu stellen.
Engels: Herr Deutscher, Sie selbst leiten den Entwicklungsausschuss der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Welche Folgen hat die Finanzkrise bislang speziell für Ihre Arbeit in der Entwicklungshilfe gehabt?
Deutscher: Es wäre naiv anzunehmen und unrealistisch, dass die Entwicklungsländer verschont würden. Es wird zuerst die Schwellenländer treffen, die ja sehr viel mehr in die Weltwirtschaft eingebunden sind. Es wird eine Abnahme von Exporten geben, weil die Banken hier weniger Exportkredite zur Verfügung stellen. Ein Einbruch bei den Rohstoffpreisen ist zu erwarten und diese Kombination, dass es reduzierte Einnahmen gibt, Exporteinnahmen, plus die Rezession, wird wahrscheinlich zu einer neuen Verschuldung der Entwicklungsländer kommen und wir werden wieder zurückgeworfen auf Anfang der 90er-Jahre.
Im Augenblick sieht es so aus, dass die Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit von einigen Mitgliedsregierungen der OECD weiterhin geplant werden, also die Versprechungen gehalten werden. Dazu gehören die nordeuropäischen Länder, Großbritannien, auch hier Neuseeland. Ich habe gestern mit dem Außenminister von Australien darüber gesprochen und auch von Neuseeland. Ich finde, Deutschland geht hier einen ganz besonderen Weg, ostentativ 100 Millionen Dollar für die Weltbank, für den Infrastrukturfonds zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet ein richtiges politisches Signal für die anderen OECD-Länder, von denen ich weiß – auch übrigens europäische Länder -, dass sie Kürzungen in ihren Entwicklungshaushalten vornehmen werden. Das halte ich für sehr, sehr kurzfristig gedacht und kann als OECD-DAC-Vorsitzender davor nur warnen.
Engels: Ist denn die Finanzierung der OECD mittelfristig gesichert?
Deutscher: Die OECD-Finanzierung als Institution ist gesichert.
Engels: Aber auch ihre Projekte?
Deutscher: Die OECD führt selber keine Projekte durch, aber die Mitgliedsländer führen diese Projekte durch. Hier sehe ich, wie ich eben sagte, ein gemischtes Bild. Einige Länder werden ihre Zusagen einhalten, andere Länder, OECD-Länder werden diese Zusagen kappen. Ich komme da noch mal zurück auf die bereits seit zehn Jahren versprochene Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Es ist grotesk und nicht vertretbar und bedeutet ein Legitimations- und Glaubwürdigkeitsproblem der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern. Das ist politisch nicht durchzuhalten.
Engels: Bundesentwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul hat davor gewarnt, dass allein durch die jetzt zu erwartenden Wachstumsrückgänge in den Entwicklungsländern 20 Millionen Menschen zurück in Armut fallen könnten. Ist das auch Ihre Schätzung?
Deutscher: Jedes Prozent weniger an Wirtschaftswachstum - und der Internationale Währungsfonds hat letzte Woche neue Daten für die Weltwirtschaftsentwicklung herausgegeben; die betragen jetzt 0,5 Prozent – bedeutet, dass über 20 Millionen Menschen erneut in Armut fallen.
Engels: Eckhard Deutscher, der Leiter des Entwicklungsausschusses der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, kurz OECD. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Deutscher: Gerne.