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Umdenken beim Flächenverbrauch

Immer mehr Menschen und auch die Industrie bauen auf Grünflächen. Das kostet Fläche und zersiedelt die Landschaft, während die Städte leer stehen. Das Umweltbundesamt (UBA) startet nun als Modellversuch einen Handel mit Flächenzertifikaten, um den Flächenverbrauch einzudämmen und um die Innenstädte wieder attraktiver zu machen.

Von Dieter Nürnberger | 16.09.2013
    Bei diesem Modellversuch steht der Handel mit Emissionszertifikaten beim CO2-Ausstoß sozusagen Pate.

    Es ist ja immer noch so, dass in Deutschland derzeit jeden Tag rund 80 Hektar Fläche verloren gehen, neu verbaut werden. Das heißt beispielsweise, dass Kommunen Waldrandgebiete zur Wohnbebauung ausweisen, oder auch ehemalige Ackerflächen von der Industrie dann künftig in Anspruch genommen werden. Diesen enormen Flächenverbrauch in Deutschland von rund 80 Hektar täglich will die Politik schon seit Längerem stoppen - allerdings bislang weitgehend ohne Erfolg.

    Unter Federführung des Umweltbundesamtes in Dessau soll nun eine neue Art von Flächenmanagement versucht werden. Die Idee ist nicht neu, Stichwort Emissionshandel, aber sie soll nun diesem Umweltproblem wirksamer beikommen - das hofft zumindest Gertrude Penn-Bressel, sie ist Leiterin des Fachgebietes Raumbezogene Umweltplanung beim Umweltbundesamt: Sie erklärt die Grundidee.

    "Wenn jetzt Kommunen auf der grünen Wiese neues Bauland ausweisen wollen, und das Bauland ist beispielsweise vier Hektar groß, dann müssen sie 40 Zertifikate einreichen. Wenn sie diese haben, dann ist das kein Problem. Die Kommunen bekommen eine gewisse Anzahl ja vorher zugeteilt. Es kann aber auch sein, dass eine Gemeinde vier Hektar ausweisen will, aber nur noch über Zertifikate für zwei Hektar verfügt. Dann muss sie auf dem Markt schauen, ob es Kommunen gibt, die Zertifikate nicht brauchen und verkaufen."

    Zuerst wird also eine bestimmte Zielgröße vorgegeben: In diesem Fall ist dies der politische Richtwert der Bundesregierung für den Flächenverbrauch im Jahr 2020 - der soll dann nur noch 30 Hektar Flächenverlust pro Tag bedeuten. Aus diesem Grund wird also das Flächenangebot generell und künstlich verkleinert und die entsprechenden Zertifikate den Kommunen zugewiesen. Wer mehr Fläche benötigt, müsste hinzukaufen, wer weniger Fläche braucht, darf Zertifikate verkaufen. Jens-Martin Gutsche vom Projektkonsortium beim Umweltbundesamt hofft, dass dadurch auch ein anderer Geist, einer andere Betrachtungsweise in der Siedlungs- und Flächenpolitik einzieht.

    "Es wird belohnt, zu sagen, ich verzichte auch mal auf eine Entwicklung, auf ein bestimmtes Projekt, weil es in der Nachbargemeinde vielleicht doch besser aufgehoben ist. So etwas galt bisher immer als eine politische Niederlage - plötzlich wird dies aber belohnt, weil ich nicht benutzte Zertifikate auch verkaufen kann."

    Der Modellversuch wird nun vom Umweltbundesamt vorbereitet - und mit dabei sind in der Anfangsphase 15 Kommunen. Beispielsweise auch Bad Säckingen in Baden-Württemberg. Alexander Guhl (SPD) ist dort der Bürgermeister.

    "Wir haben bereits ein Leerstands-Kataster in unserer Stadt, wo halt die ganzen Baulücken, generell leer stehende Flächen aufgelistet sind. Aber es geht natürlich auch um die Flächenbewertung, und vor allem auch darum, wie ich beispielsweise vorhandenen Leerstand auch überplanen kann. Das setzt ja auch voraus, dass die Eigentumsverhältnisse entsprechend sind, dass beispielsweise der Eigentümer damit einverstanden ist. Bisher kann ich ja niemanden dazu zwingen, seine Baulücke tatsächlich zu schließen."

    Hier hört man also schon etwas heraus, dass sich vieles künftig en détail vor Ort lösen wird - oder auch nicht. Es ist ein Modellversuch, der zeigen soll, ob die Theorie auch in der Praxis funktioniert.

    In den nächsten drei bis vier Jahren soll dies alles nun versucht und auch bewertet werden. Bei einem erfolgreichen Modellversuch könnte dieser Flächenzertifikate-Handel dann eventuell auch bundesweit eingeführt werden.