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Umfrage zum öffentlichen Dienst
Jede vierte Frau wird am Arbeitsplatz sexuell belästigt

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Beamtenbunds zeigt: Sexuelle Belästigung ist im öffentlichen Dienst fast genauso verbreitet wie in der Privatwirtschaft. Nicht einmal die Hälfte der Betroffenen hat sich gegen die Belästigung gewehrt oder haben sich Hilfe geholt.

Von Sebastian Engelbrecht | 30.08.2018
    Eine Frau sitzt an ihrem Schreibtisch in der Frankfurter Börse und stützt den Kopf mit der Hand ab.
    26 Prozent der Frauen erlebten die Belästigung bei sich selbst, 19 Prozent bei Kolleginnen und zwei Prozent bei Kundinnen. (dpa/picture alliance/Frank Rumpenhorst)
    Ulrich Silberbach, der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, zeigte sich überrascht, dass sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst fast genauso verbreitet ist wie in der Privatwirtschaft: "Deswegen sind 26 Prozent aller abhängig beschäftigten Frauen in Deutschland, die schon mal einen sexuellen Übergriff im Arbeitsumfeld erlebt haben, 26 Prozent zu viel. Hier ist Staat, hier ist Gesellschaft, hier ist Politik, aber auch wir als DBB mit unserer Bundesfrauenvertretung - sind auf dem Weg, hier Instrumente zu entwickeln. Diese Fälle müssen runtergefahren werden."
    Was der Deutsche Beamtenbund, DBB, gegen die zum Alltag gehörenden sexuellen Übergriffe an deutschen Arbeitsplätzen tun will, konnte Silberbach noch nicht verkünden. Aber die Ergebnisse der Forsa-Umfrage im Auftrag des DBB findet Silberbach besorgniserregend. 26 Prozent der Frauen erlebten die Belästigung bei sich selbst, 19 Prozent bei Kolleginnen und zwei Prozent bei Kundinnen.
    Es geht um körperliche Übergriffe oder Berührungen, unangemessene Bemerkungen oder anzügliche Blicke. Am häufigsten erleben Frauen unter 30 sexuelle Belästigung, nämlich 22 Prozent, aber auch sechs Prozent der Männer insgesamt. Nur 44 Prozent der Betroffenen haben sich gegen die Belästigung gewehrt oder haben sich Hilfe geholt.
    In der Umfrage des Beamtenbundes unter 3.000 Bürgern ging es auch darum, wie die Deutschen den Staat und seine Diener, Beamte und den öffentlichen Dienst beurteilen. Eines der wichtigsten Ergebnisse: 79 Prozent der Deutschen wünschen sich heute einen starken Staat.
    Manfred Güllner, Geschäftsführer des Instituts Forsa, sieht hier einen Trend: "Wir hatten 2007 schon 17 Prozent nur, die gesagt haben: ‚Wir brauchen immer weniger Staat, der Markt wird’s alles richten‘. Heute ist das auf zehn Prozent geschrumpft, und umgekehrt ist der Anteil derer, die sagen: ‚Wir brauchen einen starken Staat‘ auf fast 80 Prozent angestiegen."
    Umfrage auch zur Akzeptanz der staatlichen Verwaltung
    Andererseits kritisieren fast zwei Drittel der Deutschen, 61 Prozent, das Ausmaß der staatlichen Bürokratie. Mit ihrer kommunalen Verwaltung sind die Bürgerinnen und Bürger in den Bundesländern nicht überall zufrieden. In Bayern, so Forsa-Chef Güllner, gebe es 2.000 Gemeinden, dort habe man noch Zugang zu seinem Bürgermeister. In Nordrhein-Westfalen dagegen gebe es seit einer großen Gebietsreform nur noch weniger als 400 Gemeinden - hier herrsche Unzufriedenheit über die Verwaltung.
    "Schlusslicht ist immer Berlin und Bremen. Ich meine, wer in Berlin lebt, der kann ja da ein Lied von singen. Wenn Sie hier nicht heiraten können, sondern nach Dänemark ausweichen müssen, um eine Eheschließung vornehmen zu können. Wenn Sie zwei Monate auf einen Totenschein warten müssen und dann noch Miete für die verstorbene Mutter zahlen müssen. Wenn Sie ein Auto kaufen, das können Sie sechs Wochen nicht zulassen. Das sind ja Zustände, die sind ja eigentlich unbeschreiblich."
    Die Verantwortung für solche Zustände sieht der DBB-Vorsitzende Silberbach nicht bei den Beamten, sondern bei den regierenden Politikern. Es bedürfe eines "radikalen Umdenkens in der Politik", sagte Silberbach, um den öffentlichen Dienst wieder näher an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen.