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Umfrage zur Digitalisierung
Kein Vertrauen in die Digitalkompetenz von Politikern und Parteien

Deutschland zählt in vielen Untersuchungen unter den Industrienationen zu den Nachzüglern in puncto Digitalisierung. Die Verantwortung für diesen Rückstand sehen die Menschen einer Umfrage zufolge eher bei Staat und Verwaltung, weniger bei den Unternehmen.

Von Johannes Kuhn | 09.01.2020
Fieberglaskabel und technische Platinen
Deutschland zählt unter den Industrienationen zu den Nachzüglern in puncto Digitalisierung (imago images / Westend61)
Die Bundesbürger haben kein Vertrauen in die deutsche Digitalpolitik. So lässt sich das Ergebnis einer neuen Allensbach-Umfrage zusammenfassen. Philip Meissner vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School in Berlin, dem Auftraggeber:
"Unsere Studie zeigt, dass Deutschland im Bereich Digitalisierung weit zurück liegt. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass die Bundesregierung keine Konzepte hat, um diesen Rückstand aufzuholen – und dass die Bevölkerung nur ein geringes Vertrauen in die Digitalkompetenz von Politikern und Parteien hat."
In der repräsentativen Bevölkerungsbefragung geben 90 Prozent der Teilnehmer an, dass politische Digitalkompetenz heutzutage essentiell ist. 57 Prozent allerdings halten diese Kompetenz bei der Bundesregierung für wenig oder gar nicht ausgebildet. Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher:
"Wirtschaft und Wissenschaft genießen mehr Vertrauen, dass die Digitalisierung hier rasch voranschreitet. Während im gesamten staatlichen Bereich die Bevölkerung, aber auch Wirtschaft und Politik selbst den Eindruck haben: Das ist zu langsam."
Vernichtendes Urteil
Tatsächlich fällt gerade das Urteil von Spitzenkräften aus Wirtschaft und Politik besonders vernichtend aus. 500 von ihnen hatte Allensbach zusätzlich befragt: 75 Prozent der Politiker und 90 Prozent der Wirtschaftsführungskräfte sagen demnach: Die Unterstützung der Bundesregierung beim Prozess der Digitalisierung ist nicht ausreichend. Ein mieses Zeugnis.
Aus den Ergebnissen leitet das European Center For Digital Competiteveness unter anderem ab, dass es ein Digitalministerium auf Bundesebene geben sollte, um die Politik besser zu koordinieren.
Dies hatte jüngst auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder gefordert – Bayern hat ebenso wie Nordrhein-Westfalen bereits ein solches Ministerium. Auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer befürwortet die Idee prinzipiell. Wäre 2017 eine Jamaika-Koalition zustande gekommen, wäre das Digitalministerium wohl heute bereits Realität. In der Großen Koalition ist das Thema federführend im Kanzleramt angesiedelt, aber ansonsten auf die Ministerien verteilt.
Der Verband der Internetwirtschaft Eco kritisiert diese Struktur. Geschäftsführer Alexander Rabe zum Deutschlandfunk Hauptstadtstudio:
"Aktuell sind 14 Ministerien mit einer Unzahl an Mitarbeitern beschäftigt, um Digitalisierung - ja, zu leben. Das ist für uns als Verband schlecht, das ist für die Wirtschaft schlecht und das ist vor allem für das Ergebnis schlecht."
Debatte über Digitalministerium
Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt ein Digitalministerium bislang öffentlich ab. Gerüchte, dass im Hintergrund bereits an einem solchen Ressort unter Leitung des derzeitigen Kanzleramtschefs Helge Braun gearbeitet wird, dementiert die Bundesregierung.
Der SPD-Netzpolitiker Jens Zimmermann zeigte sich im Tagesspiegel-Newsletter "Background Digitalisierung" offen für ein solches Ministerium.
Ein Umbau der Ressortstruktur im Laufe der Legislaturperiode ist allerdings äußerst aufwändig. Ein Ministerium sei zudem nicht alles, sagt Christian Djeffal, Professor für Recht, Wissenschaft und Technologie an der TU München.
"Es braucht sicher auch im Hinblick auf die Ministerialbürokratie eine neue Fehlerkultur, eine neue Kultur, Dinge auszuprobieren und eine gewisse Zukunftsgewandtheit – und auch eine gewisse Lust auf die Zukunft."
Laut Allensbach-Umfrage haben auch die Parteien Digital-Hausaufgaben zu machen. CDU/CSU wird demnach von 13 Prozent der Befragten Digitalkompetenz zugewesen. Das ist der beste Wert der Parteien. Die Linke landet bei zwei Prozent am Ende, insgesamt weisen 30 Prozent gar keiner Partei Kompetenzen zu.