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Umfrageergebnis
Umsetzung der Energiewende chaotisch und ungerecht

Das Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung hat 6.000 Menschen in Deutschland befragt und festgestellt, dass die Mehrheit davon die Energiewende befürwortet. Doch wird auch ein sozialer Ausgleich für direkt Betroffene gefordert. Der Verbrennungsmotor ist weiter für viele unverzichtbar.

Von Dieter Nürnberger | 21.02.2019
04.02.2019, Brandenburg, Jacobsdorf: Windenergieanlagen im Windenergiepark «Odervorland» im Landkreis Oder-Spree sind vor dem Sonnenuntergang zu sehen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
"Was sehr deutlich aus unseren Daten hervorgeht ist, dass die Menschen Klimaschutz wollen", so eine Mitarbeiterin der Umfrage (ZB)
Die Energiewende als Idee, als politisches Projekt, hat weiterhin eine hohe Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. Und das geht quer durch alle Bildungs-, Einkommens- und auch Altersgruppen. 90 Prozent befürworten die Energiewende, 80 Prozent sehen sie sogar als Gemeinschaftsaufgabe an, zu der auch jeder in der Gesellschaft einen Beitrag leisten sollte. Das sind hohe und vielleicht auch überraschende Zustimmungswerte. 6.000 Menschen in Deutschland wurden dazu befragt. Und nun kommt das berühmte "Aber": Denn die Umsetzung wird deutlich differenzierter und auch kritischer eingeschätzt. Daniela Setton, Hauptautorin der Studie, sagt:
"Ein Großteil der Menschen empfindet die Energiewende als teuer. Ein Großteil empfindet sie auch als chaotisch. Hier gibt es Defizite beim politischen Management der Energiewende. Ein Großteil empfindet sie als ungerecht und auch elitär. Sie ist nicht bürgernah. Konkret: Hier gibt es eine deutlich kritische Sicht. Nicht auf die Ziele der Energiewende bezogen, denn die werden wirklich mit breiter Mehrheit befürwortet. Es geht um die Art, wie es gemacht wird."
Klimaschutz gewollt, aber verbunden mit sozialem Ausgleich
Es ist die zweite Umfrage dieser Art - die erste wurde im November 2017 veröffentlicht. Und besonders bei der Kritik im Detail hat sich die Stimmung auch etwas gewandelt. Denn 61 Prozent sind mit der Energiewende-Politik der Bundesregierung unzufrieden, ein Plus von immerhin 12 Prozent.
In diesen Trend passt auch eine Bewertung des Kohleausstiegs. Den befürworten rund Zweidrittel, aber in den betroffenen Bundesländern steigt auch die Ablehnung - in der Lausitz liegt sie beispielsweise bei über 40 Prozent. Wobei angemerkt werden muss: Die nun veröffentlichten Umfragedaten berücksichtigen nicht den erzielten Kohleausstiegskompromiss von Ende Januar. Wissenschaftlerin Daniella Setton:
"Was sehr deutlich aus unseren Daten hervorgeht ist, dass die Menschen Klimaschutz wollen. Aber sie wollen gleichermaßen auch einen sozialen Ausgleich bei der Umsetzung der Maßnahmen. Die Mehrheit sagt: Ja, es ist richtig auf die Belange der betroffenen Regionen und der Industrie Rücksicht zu nehmen. Im Zweifel sogar, dass man die Klimaschutzziele zeitlich etwas aufschiebt. Den Menschen ist wichtig, dass man die Belange der Betroffenen der Energiewende wirklich einbezieht."
Verbrennungsmotor für viele noch immer ohne Alternative
Und tendenziell in die gleiche Richtung geht auch die Bewertung des Verkehrsbereichs. 64 Prozent der Befragten ohne eigenes Auto befürworten die Elektromobilität, unter den Autobesitzern sind es mit 53 Prozent aber schon weniger. Und bei einem Verbot des Verbrennungsmotors, kippt die Zustimmung dann sogar in Ablehnung um:
"Bei der Elektromobilität sehen wir, dass die Mehrheit den weiteren Ausbau gut findet. Aber nicht das Verbot des Verbrennungsmotors bis 2030 möchte. Weil es eben noch viel Skepsis gibt. Der Verbrennungsmotor hat noch eine große Dominanz und viele sehen für sich noch keine Alternative im Alltag. Da muss noch deutlich mehr passieren."
Das Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS als Auftraggeber und auch die Autoren der Studie hoffen nun, dass die Politik und die dahinterstehenden Parteien die Studie ganz genau lesen werden. Die Menschen wollen die Energiewende und auch mehr Klimaschutz - so das Fazit - aber sie wollen auch einen sozialen Ausgleich für direkt Betroffene und vor allem das Gefühl, dass in Einzelfällen nicht über sie hinweg entschieden wird bei der Energiewende.