Peach: Guten Tag, Herr Probst.
Probst: Mit Bezug auf diese Fernsehbilder, die wir hier ja sehen konnten - in den USA waren sie nur eingeschränkt zu sehen - heißt es in der Dritten Genfer Konvention: Kriegsgefangene dürfen nicht öffentlich zur Schau gestellt werden. Kann man da eine klare Trennungslinie zwischen Fernsehbildern und dem was wir eben gestern da gesehen haben ziehen?
Peach: Lassen Sie mich zunächst doch noch auf folgendes hinweisen: Es mutet schon seltsam an, dass eine Regierung, die sich bisher über das Völkerrecht hinweggesetzt hat und so gar nicht auf das Völkerrecht bei Beginn des Krieges geachtet hat, sich nun, wo der Krieg auch offensichtlich sie erreicht, auf das Völkerrecht beruft. Dennoch muss man sagen, haben sie recht: Sie können sich darauf berufen. Auch ein völkerrechtswidriger Krieg befreit beide Parteien nicht, sich an das sogenannten humanitäre Völkerrecht der Genfer Konventionen zu halten. Das ist zwar ein Widerspruch, aber mit dem müssen wir leben und insofern haben sowohl Bush wie Rumsfeld auch Recht. Auf jeden Fall müssen sich die Irakis, aber auch die Amerikaner daran halten. Und das ist wiederum auch ein Problem für Guantanamo, wo wir uns erinnern, dass wir uns an dieses Völkerrecht, an die Dritte Konvention vom 12. August 1949 zu halten haben, und da steht in der Tat: Kriegsgefangene müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden, haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre. Dann ist es in der Tat wirklich eine Frage: Was verstößt dagegen und was nicht?
Probst: Dann ist natürlich auch die Frage: Wer stellt diese Verstöße fest und wer kann sie gegebenenfalls ahnden?
Peach: Feststellen könnte sie zum Beispiel der Internationale Gerichtshof, aber auch der UNO-Sicherheitsrat. Der oder eben der Gerichtshof könnte sagen, das und das verstößt gegen das Völkerrecht, und dann könnte es geahndet werden, aber Sie wissen ja, wie das mit der Ahndung gegenüber den Mächten ist. Gegenüber dem Irak wird man das wohl später ahnden können, aber Vergleichbares in Guantanamo gegenüber den USA ist schwer zu ahnden. Ich bin auch der Überzeugung, dass allein das Zeigen von Kriegsgefangenen, auch die Interviews noch nicht dagegen verstößt, sondern die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wie grausam auch dieser Krieg ist. Es muss gezeigt werden, was zerstört wird und man kann nicht einfach das Publikum davon abhalten und in dem Glauben lassen, dass dies ein klinisch sauberer Krieg ist, denn das ist er ja nun leider nicht.
Probst: Ja, die Erfahrung haben wir ja leider schon bei dem letzten Golfkrieg gemacht. Herr Peach, in dem Zusammenhang: Sie haben schon zweimal Guantanamo erwähnt. Da ging es dann um Taliban- beziehungsweise El Kaida-Kämpfer, was natürlich zu der Frage führt: Wer fällt denn genau unter die Bestimmungen der Genfer Konvention? Nur reguläre Soldaten, Armeeangehörige?
Peach: Ja, das heißt, alle die, die sich regulär an den Kämpfen beteiligen - Söldner zum Beispiel nicht -, auch welche, die sich sozusagen privat als Gangs oder als Guerilla ihre Tätigkeiten und damit auch bewaffnete Auseinandersetzungen führen. Es muss sich um reguläre Kämpfer handeln. Allerdings ist derjenige, der in solchen Auseinandersetzungen bewaffnet gefangen wird, eigentlich begünstigt, immer mit der Vermutung, dass es sich dann um einen solchen Kämpfer handelt.
Probst: Sehen denn die zahlreichen Bestimmungen dieser Konvention auch vor, dass beispielsweise Hilfsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz schnell - und wenn ja, wie schnell? - Zugang zu den Gefangenen haben müssen?
Peach: Ja, und zwar ist sie sehr detailliert. Es gibt viele Artikel, bis hin zur Frage der Versorgung mit religiösen Mitteln - nicht nur zur körperlichen Erholung -, um sozusagen die Menschenwürde zu erhalten. Da gibt es auch die Bestimmung: Das Internationale Rote Kreuz muss sofort Zugang zu denen haben. Das muss ermöglicht werden. Das ist ja ein Problem gewesen, dass wir sowohl in Afghanistan, aber auch im Ersten Golfkrieg schon gehabt haben wie auch jetzt wahrscheinlich wieder.
Probst: Und genau bei diesem Ersten Golfkrieg haben ja auch Amerikaner, beispielsweise Piloten, die Erfahrung gemacht. Sie sagen jedenfalls, sie seien geschlagen und misshandelt und als menschliche Schutzschilder missbraucht worden. Konsequenzen hat das nicht gehabt, oder?
Peach: Nein, leider nicht. Es gibt ja den amerikanischen Journalisten Seymour Hersh. Der hat nachgewiesen, dass auch die Amerikaner seinerzeit Rot-Kreuz-Wagen der Irakis beschossen haben und dort auch Verwundete getötet haben. In den USA ist versucht worden, das vor ein Militärgericht zu bringen, aber es ist niedergeschlagen worden. Das hatte in den USA einen ziemlichen Skandal hervorgerufen, aber, wir müssen sagen, wir bauen eben auch auf Erfahrungen auf, dass die USA seinerzeit die Genfern Konvention im Ersten Golfkrieg verletzt hat. Das ist das Problematische dabei, wenn jetzt daran erinnert wird: Dieses gilt nicht nur für die Irakis, sondern für die USA natürlich auch.
Probst: Vielleicht ganz kurz zum Schluss, Herr Peach, das heißt, das Ganze, die Positionierung ist auch Teil der Propaganda des psychologischen Krieges?
Peach: Aber sicher. Es ist von vorn herein gesagt worden, dass man hier die Bevölkerung eigentlich davor bewahren will, die Grausamkeit dieses Krieges zu erkennen, sondern dass es sich um einen humanitären Krieg handelt. Das ist vollkommen falsch und jetzt, wo sich die Wahrheit langsam herausschält, möchte man sie unterdrücken. Aber das kann man nicht, indem man die Genfern Konventionen instrumentalisiert, um von diesem Krieg abzulenken, sondern man muss sich daran halten. Dieser Krieg ist einfach so grausam wie er sich jetzt offensichtlich auf den Fernsehschirmen darstellt.
Probst: Soweit Norman Peach, Völkerrechtler aus Hamburg. Ich danke Ihnen.
Probst: Mit Bezug auf diese Fernsehbilder, die wir hier ja sehen konnten - in den USA waren sie nur eingeschränkt zu sehen - heißt es in der Dritten Genfer Konvention: Kriegsgefangene dürfen nicht öffentlich zur Schau gestellt werden. Kann man da eine klare Trennungslinie zwischen Fernsehbildern und dem was wir eben gestern da gesehen haben ziehen?
Peach: Lassen Sie mich zunächst doch noch auf folgendes hinweisen: Es mutet schon seltsam an, dass eine Regierung, die sich bisher über das Völkerrecht hinweggesetzt hat und so gar nicht auf das Völkerrecht bei Beginn des Krieges geachtet hat, sich nun, wo der Krieg auch offensichtlich sie erreicht, auf das Völkerrecht beruft. Dennoch muss man sagen, haben sie recht: Sie können sich darauf berufen. Auch ein völkerrechtswidriger Krieg befreit beide Parteien nicht, sich an das sogenannten humanitäre Völkerrecht der Genfer Konventionen zu halten. Das ist zwar ein Widerspruch, aber mit dem müssen wir leben und insofern haben sowohl Bush wie Rumsfeld auch Recht. Auf jeden Fall müssen sich die Irakis, aber auch die Amerikaner daran halten. Und das ist wiederum auch ein Problem für Guantanamo, wo wir uns erinnern, dass wir uns an dieses Völkerrecht, an die Dritte Konvention vom 12. August 1949 zu halten haben, und da steht in der Tat: Kriegsgefangene müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden, haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre. Dann ist es in der Tat wirklich eine Frage: Was verstößt dagegen und was nicht?
Probst: Dann ist natürlich auch die Frage: Wer stellt diese Verstöße fest und wer kann sie gegebenenfalls ahnden?
Peach: Feststellen könnte sie zum Beispiel der Internationale Gerichtshof, aber auch der UNO-Sicherheitsrat. Der oder eben der Gerichtshof könnte sagen, das und das verstößt gegen das Völkerrecht, und dann könnte es geahndet werden, aber Sie wissen ja, wie das mit der Ahndung gegenüber den Mächten ist. Gegenüber dem Irak wird man das wohl später ahnden können, aber Vergleichbares in Guantanamo gegenüber den USA ist schwer zu ahnden. Ich bin auch der Überzeugung, dass allein das Zeigen von Kriegsgefangenen, auch die Interviews noch nicht dagegen verstößt, sondern die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wie grausam auch dieser Krieg ist. Es muss gezeigt werden, was zerstört wird und man kann nicht einfach das Publikum davon abhalten und in dem Glauben lassen, dass dies ein klinisch sauberer Krieg ist, denn das ist er ja nun leider nicht.
Probst: Ja, die Erfahrung haben wir ja leider schon bei dem letzten Golfkrieg gemacht. Herr Peach, in dem Zusammenhang: Sie haben schon zweimal Guantanamo erwähnt. Da ging es dann um Taliban- beziehungsweise El Kaida-Kämpfer, was natürlich zu der Frage führt: Wer fällt denn genau unter die Bestimmungen der Genfer Konvention? Nur reguläre Soldaten, Armeeangehörige?
Peach: Ja, das heißt, alle die, die sich regulär an den Kämpfen beteiligen - Söldner zum Beispiel nicht -, auch welche, die sich sozusagen privat als Gangs oder als Guerilla ihre Tätigkeiten und damit auch bewaffnete Auseinandersetzungen führen. Es muss sich um reguläre Kämpfer handeln. Allerdings ist derjenige, der in solchen Auseinandersetzungen bewaffnet gefangen wird, eigentlich begünstigt, immer mit der Vermutung, dass es sich dann um einen solchen Kämpfer handelt.
Probst: Sehen denn die zahlreichen Bestimmungen dieser Konvention auch vor, dass beispielsweise Hilfsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz schnell - und wenn ja, wie schnell? - Zugang zu den Gefangenen haben müssen?
Peach: Ja, und zwar ist sie sehr detailliert. Es gibt viele Artikel, bis hin zur Frage der Versorgung mit religiösen Mitteln - nicht nur zur körperlichen Erholung -, um sozusagen die Menschenwürde zu erhalten. Da gibt es auch die Bestimmung: Das Internationale Rote Kreuz muss sofort Zugang zu denen haben. Das muss ermöglicht werden. Das ist ja ein Problem gewesen, dass wir sowohl in Afghanistan, aber auch im Ersten Golfkrieg schon gehabt haben wie auch jetzt wahrscheinlich wieder.
Probst: Und genau bei diesem Ersten Golfkrieg haben ja auch Amerikaner, beispielsweise Piloten, die Erfahrung gemacht. Sie sagen jedenfalls, sie seien geschlagen und misshandelt und als menschliche Schutzschilder missbraucht worden. Konsequenzen hat das nicht gehabt, oder?
Peach: Nein, leider nicht. Es gibt ja den amerikanischen Journalisten Seymour Hersh. Der hat nachgewiesen, dass auch die Amerikaner seinerzeit Rot-Kreuz-Wagen der Irakis beschossen haben und dort auch Verwundete getötet haben. In den USA ist versucht worden, das vor ein Militärgericht zu bringen, aber es ist niedergeschlagen worden. Das hatte in den USA einen ziemlichen Skandal hervorgerufen, aber, wir müssen sagen, wir bauen eben auch auf Erfahrungen auf, dass die USA seinerzeit die Genfern Konvention im Ersten Golfkrieg verletzt hat. Das ist das Problematische dabei, wenn jetzt daran erinnert wird: Dieses gilt nicht nur für die Irakis, sondern für die USA natürlich auch.
Probst: Vielleicht ganz kurz zum Schluss, Herr Peach, das heißt, das Ganze, die Positionierung ist auch Teil der Propaganda des psychologischen Krieges?
Peach: Aber sicher. Es ist von vorn herein gesagt worden, dass man hier die Bevölkerung eigentlich davor bewahren will, die Grausamkeit dieses Krieges zu erkennen, sondern dass es sich um einen humanitären Krieg handelt. Das ist vollkommen falsch und jetzt, wo sich die Wahrheit langsam herausschält, möchte man sie unterdrücken. Aber das kann man nicht, indem man die Genfern Konventionen instrumentalisiert, um von diesem Krieg abzulenken, sondern man muss sich daran halten. Dieser Krieg ist einfach so grausam wie er sich jetzt offensichtlich auf den Fernsehschirmen darstellt.
Probst: Soweit Norman Peach, Völkerrechtler aus Hamburg. Ich danke Ihnen.