Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Umstrittene Abstandsregelung für Windräder
"Erhebliche Einschränkung für den Windenergieausbau"

Dierk Bauknecht vom Öko-Institut in Freiburg hält den geplanten gesetzlichen Abstand zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen nicht für sinnvoll. Damit werde der für die Energiewende nötige Ausbau erschwert, sagte er im Dlf. Zudem erfordere ein großer Abstand auch mehr umstrittenen Stromnetzausbau.

Dierk Bauknecht im Gespräch mit Britta Fecke | 13.11.2019
Im brandenburgischen Sieversdorf stehen viele Windräder eines Windparkes in unmittelbarer Nähe zu Einfamilienhäusern.
Bereits bestehende Anlagen wird eine Neuregelung nicht betreffen (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
Britta Fecke: Noch wird gestritten über den Gesetzesentwurf, der den Abstand zwischen Wohnsiedlungen und Windrad regeln soll. Gegen den aktuellen Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium laufen Energie- und Wirtschaftsverbände nun Sturm, denn geplant ist ein Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen. Als Wohnsiedlung könnte schon eine Ansammlung von nur fünf Häusern gelten. Federführend bei der umstrittenen Abstandsregelung ist das Bauministerium von Horst Seehofer.
Was die Umsetzung der Pläne für die Branche und die Energiewende in Deutschland bedeuten würde, darüber möchte ich nun mit Dierk Bauknecht sprechen, der sich mit der Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem beim Öko-Institut in Freiburg beschäftigt. Herr Bauknecht, welche Anlagen wären denn von dieser Abstandsregelung überhaupt betroffen?
Dierk Bauknecht: Es geht glücklicherweise nicht um bestehende Anlagen. Die müssen nicht abgebaut werden, wenn sie jetzt näher als 1.000 Meter an Wohnbebauung sind. Es geht nur um neue Anlagen, die eine Genehmigung benötigen. Das sind zum Teil ganz neue Anlagen, die auch an neuen Standorten gebaut werden. Es sind aber auch Anlagen, die an bestehenden Standorten gebaut werden, wo alte Anlagen abgebaut werden und dann neue, größere, leistungsstärkere Anlagen aufgebaut werden, das sogenannte Repowering. Dadurch geht ein erhebliches Potenzial an Fläche verloren und wie viel Fläche das dann genau sein wird und wie viel Potenzial, da gibt es einige Unsicherheiten. Aber man kann schon sagen, dass ungefähr ein Viertel bis ein Drittel der Potenzialfläche durch diese Regelung wegfallen wird.
"Ausbau der Windenergie hat erhebliche Probleme"
Fecke: Was bedeutet das für unsere Klimaziele und für die Energiewende?
Bauknecht: Das hat auf jeden Fall deutliche Auswirkungen. Wir haben ja das Ziel, bis 2030 65 Prozent erneuerbare Energien zu haben im Strommarkt, und auch nach 2030 soll ja weiter ausgebaut werden. Das erfordert natürlich einen erheblichen Ausbau der erneuerbaren Energien. 65 Prozent – wenn Sie jetzt zum Beispiel die Elektromobilität ausbauen wollen, oder sehr viele Leute reden davon, Wasserstoff zukünftig aus erneuerbarem Strom herzustellen, dann muss natürlich entsprechend auch noch mehr erneuerbare Energie und Windkraftwerke zugebaut werden, um zum Beispiel den Strom für die Elektroautos bereitzustellen.
Gleichzeitig sehen wir heute schon, dass der Ausbau der Windenergie erhebliche Probleme hat, durch Genehmigungsstau und Klagen und diese Dinge. Wenn Sie sich zum Beispiel anschauen: Wir hatten 2017 einen Zubau von knapp 2.000 Windenergieanlagen über das Jahr und haben jetzt dieses Jahr bis Ende September gerade mal 150 Anlagen. Wir haben jetzt schon erhebliche Probleme und diese Abstandsregelung, die hier jetzt eingeführt werden soll, bedeutet natürlich eine weitere erhebliche Einschränkung für den Windenergieausbau.
Weit entfernte Anlagen erfordern mehr umstrittenen Netzausbau
Fecke: Aber wenn ich als Laie durch die Felder fahre, sind sehr oft trotz heftiger Windverhältnisse die Windräder still, weil wir schon genug Energie haben. Ist das tatsächlich jetzt gerade der Bereich, der wirklich so viel Ausbau noch benötigt? Wäre nicht eigentlich der Netzausbau viel wichtiger?
Bauknecht: Um die gesteckten Ziele zu erreichen, die ich gerade genannt habe, brauchen wir weiteren Ausbau. Mit den bestehenden Anlagen können wir nicht entsprechend den notwendigen Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen. Aber richtig ist natürlich auch: Um den Strom aus diesen Anlagen dann komplett nutzen zu können, brauchen wir Netzausbau.
Ich würde aber nicht das eine gegen das andere ausspielen. Wenn jetzt zum Beispiel gesagt wird, Windenergie an Land hat Akzeptanzprobleme – daher kommt ja auch diese Abstandsregelung -, dann lasst uns doch eher aufs Meer gehen zu den Offshore-Anlagen, auch da würde ich sagen, wir brauchen eigentlich beides, um die Ziele erreichen zu können. Und wir müssen uns auch klarmachen, wenn wir die Anlagen immer weiter weg bauen von den Orten, wo der Strom dann auch verbraucht wird, zum Beispiel aufs Meer gehen, dann bedeutet das gleichzeitig auch, dass wir noch mehr Netze ausbauen müssen, um den Strom dann zu den Verbrauchern zu transportieren. Dieser zusätzliche Netzausbau stößt ja dann auch nicht auf mehr Akzeptanz. Auch da gibt es ja viele Probleme.
Fecke: Ich glaube, schon der aktuelle Netzausbau stößt nicht auf sehr viel Akzeptanz.
Bauknecht: Genau. Der aktuelle Netzausbau verursacht erhebliche Probleme und deshalb muss man da auch ehrlich sein und kann nicht sagen, lasst uns die Probleme doch dadurch lösen, dass wir noch mehr Netze ausbauen, indem wir die Anlagen sehr weit weg bauen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.