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Umstrittene Neuregelung der Netzentgelte

Energieintensive Betriebe konnten sich bisher von Stromnetzentgelten befreien. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist jetzt eine Neuregelung der Entgelte notwendig geworden. Verbraucherzentralen sind mit dem neuen Gesetz jedoch unzufrieden.

Von Dieter Nürnberger | 04.07.2013
    In Zeiten steigender Strompreise sind die Netzentgelte ein nicht zu unterschätzender Faktor - zumindest für den Normalverbraucher. Dass sich energieintensive Unternehmen bislang vollständig von diesen Entgelten befreien lassen konnten, haben Verbraucherschützer stets kritisiert. Morgen entscheidet der Bundesrat über eine Reform der Netzentgelt-Verordnung. Diese war nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf notwendig geworden - die Richter hatten die vollständige Befreiung für rechtswidrig erklärt. Der Entwurf des Bundeskabinetts von Ende Mai sieht nun eine Staffelung vor: Stromintensive Unternehmen mit einem Bedarf von über 10 Millionen Kilowattstunden sollen demnach maximal nur 10 bis 20 Prozent der Entgelte bezahlen.

    Die geplante Neuregelung heizt die Debatte, wer denn nun die Hauptlast an den Kosten der Energiewende trage, weiter an. Beispielsweise beim Bundesverband neuer Energieanbieter. Kerstin Maria Rippel ist Sprecherin des bne:

    "Die Staffelung setzt nach wie vor den falschen Anreiz. Wenn ich also sehr viel und sehr konstant verbrauche, bin ich in der Lage, mein Netzentgelt um 90 Prozent zu reduzieren. Das ist der falsche Anreiz in Zeiten der Energiewende. Wir würden uns ein effizientes und transparentes Regulierungssystem wünschen, das auf Ausnahmeregelungen verzichten kann, die kein Mensch mehr versteht."

    Der bne ist die Interessenvertretung neuer, netzunabhängiger Energieanbieter in Deutschland. Kritik kommt auch von den Grünen, die hoffen, dass der Bundesrat die Zustimmung zum schwarz-gelben Kabinettsentwurf verweigert. Bärbel Höhn, die stellvertretende Fraktionschefin im Bundestag, sieht die Hauptbegründung für die Entgeltbefreiung stromintensiver Betriebe inzwischen als hinfällig an:

    "Wir haben an der Energiebörse in Deutschland jetzt Preise, die nur noch die Hälfte von den Preisen 2008 betragen. Insofern ist das Argument, die Preise seien zu stark gestiegen, nicht mehr gültig. Und es geht ja weiter: Die nächsten Anträge liegen ja vor, da sind dann Sektkellereien mit dabei, Privatfleischereien und auch Banken. Das geht nicht so weiter, dass sich praktisch jeder befreien lässt - und am Ende nur noch kleine Unternehmen und die Privatverbraucher das alles zahlen müssen."

    2010 hätten lediglich 68 Unternehmen von der Entgeltbefreiung profitiert, 2012 jedoch schon über 3.300 Firmen, argumentiert Bärbel Höhn. Auch Golfplätze gehörten inzwischen zu den Begünstigten. Als die Entgelt-Befreiungsregelung eingeführt wurde, wollte die Regierung damit vor allem Wettbewerbsnachteile großer Unternehmen gegenüber der Konkurrenz im Ausland ausgleichen. Zudem sollten jene Unternehmen honoriert werden, die durch eine atypische Verbrauchsabfrage - wie abends oder nachts - Netz stabilisierend wirken.

    Annette Loske, Hauptgeschäftsführerin beim Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft - hier sind die stromintensiven Unternehmen vertreten - betont vor allem, dass große Stromkunden ein Netz stabilisierten, welches durch den Zubau erneuerbarer Energien unsteter werde. Deshalb gehe der Kabinettsentwurf in die richtige Richtung, ansonsten wären die Kosten der Energiewende für alle deutlich höher:

    "Solange wir keine Speicher haben, ist es eine wichtige Säule in diesem System, dass es große Verbraucher gibt, die möglichst viel Strom auch abnehmen können. Dadurch, dass sie stabil Strom abnehmen, reduzieren und minimieren sie die Größe und Auslegung des Gesamtsystems enorm. Und sparen so unglaubliche Kosten."

    Im Bundesrat stehen am Freitag viele Details zur Abstimmung. Dass letztendlich aber die Verbraucher künftig mehr belastet würden als andere, ist dem bne, dem Bundesverband neuer Energieanbieter, ein Dorn im Auge. Profitieren würden vor allem auch die Netzanbieter, sagt Kerstin Maria Rippel:

    "Hier wird versucht, durch die Hintertür eine Erhöhung der Netzrendite für Strom- und Gasnetzbetreiber einzuführen. Das bedeutet letztendlich eine Erhöhung der Netzentgelte für die Verbraucher. Was wir heute brauchen, sind Kostendämpfungen. Wir sind der Meinung, dass mit dieser Novelle Kostensenkungspotenziale, die möglich wären, völlig außer Acht gelassen werden."

    Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen spricht von einem Kabinettsentwurf, der mit zu heißer Nadel gestrickt sei. Ein Stück weit werde die Befreiung stromintensiver Unternehmen zwar zurückgefahren, doch könnte der Kreis möglicher Antragsteller weiter wachsen. Holger Krawinkel, Energieexperte beim vzbv, schließt nicht aus, dass nach der Bundestagswahl auch dieser Aspekt der Energiewende grundsätzlich neu geregelt werden könnte. Egal, wie die Abstimmung im Bundesrat morgen ausgeht.