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Umstrittene Verteilung
Europas Flüchtlingsquoten vor Gericht

Um Italien und Griechenland zu entlasten beschloss die EU 2015, dass bis zu 120.000 Flüchtlinge auf die anderen EU-Staaten umverteilt werden sollten. Die Slowakei und Ungarn votierten damals ebenso wie Rumänien und Tschechien dagegen, wurden aber überstimmt. Jetzt haben Ungarn und die Slowakei die EU-Kommission vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt.

Von Karin Bensch | 10.05.2017
    Flüchtlinge auf einem Schiff der italienischen Marine.
    Die Ankunftsländer Italien und Griechenland sollten entlastet und Flüchtlinge gerechter innerhalb Europas verteilt werden. (dpa-Bildfunk / Ciro Fusco)
    "Wir haben ein Ergebnis", verkündete Bundesinnenminister Thomas de Maizière Ende September 2015 nach zähem Ringen und langen Sitzungen. "Wir haben heute beschlossen im Rat der europäischen Innenminister, 120.000 Schutzbedürftige insbesondere aus Italien und Griechenland auf europäische Staaten zu verteilen."
    Damit sollen die Ankunftsländer Italien und Griechenland entlastet und Flüchtlinge gerechter innerhalb Europas verteilt werden. Doch auch Deutschland werde davon profitieren, in dem es künftig nur noch etwa halb so viele Flüchtlinge aufnehmen wird, sagte Bundesinnenminister de Maizière damals.
    "Im Moment kommen eher 50 Prozent derer, die in Griechenland ankommen nach Deutschland. Mit einer Quote von 26 Prozent würden dann von dieser Gruppe weniger kommen."
    Manche Länder wollten nur Christen, aber keine Muslime
    Die meisten EU-Länder waren vor gut eineinhalb Jahren für die Flüchtlingsverteilung. Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien stimmten damals dagegen. Zur Begründung hieß es, man wolle die soziale Sicherheit und Stabilität bei sich zuhause nicht gefährden und fühle sich noch nicht bereit, Menschen aus anderen Kulturkreisen und Religionen zu integrieren. Manche der osteuropäischen Länder wollten, wenn überhaupt nur Christen, aber keine Muslime bei sich aufnehmen. Ich bin sehr froh, dass wir die Pflichtquoten abgelehnt haben, sagte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico damals. Wichtiger als die Rechte der Flüchtlinge sei die Sicherheit der slowakischen Bürger.
    Ungarn und die Slowakei klagen gegen die mit Mehrheit beschlossene Flüchtlingsverteilung vor dem höchsten Europäischen Gericht in Luxemburg. Heute beginnt der Prozess. In der mündlichen Verhandlung werden Kläger und Beklagte ihre Positionen darlegen. Das Urteil wird frühestens im Oktober dieses Jahres, spätestens im März nächsten Jahres erwartet.
    Die EU-Kommission wartet wahrscheinlich erstmal ab
    Das europäische Projekt der "Flüchtlingsverteilung" ist bislang wenig erfolgreich. Von den mittlerweile 160.000 Zuwanderern sind erst gut 16.000 umverteilt worden. Also gerade einmal zehn Prozent. Ungarn und Polen, in denen nationalkonservative Regierungen an der Macht sind, haben noch gar keine Flüchtlinge aufgenommen. Die Slowakei hat gerade einmal 16 Flüchtlingen, die zuvor in Griechenland waren, Schutz gewährt. Kritik an den Osteuropäern kam immer wieder auch von der EU-Kommission. Wir brauchen keine schönen Worte, wird brauchen Taten, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Nachdruck.
    Die EU-Kommission könnte ein Strafverfahren gegen Ungarn und Polen starten, wenn sie bis September, also innerhalb der zweijährigen Frist, keine Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Denn damit verstoßen sie gegen den Mehrheitsbeschluss der Innenminister. Doch es laufen bereits Strafverfahren gegen Ungarn und Polen in anderer Sache. Wahrscheinlicher ist, dass die EU-Kommission erst einmal wartet – auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs.