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Umstrittene Wahlcomputer

Informationstechnik. – Wahlen ist das zentrale Instrument einer Demokratie. Umso höher sind die Anforderungen an ihre Durchführung. Das bekommen auch die Befürworter der Wahlcomputer zu spüren. Diese treffen nicht nur bei vielen Wahlberechtigten auf Skepsis, jetzt verzichtet auch die Hansestadt Hamburg auf den Einsatz der bereits beschafften Geräte. Vorreiter Niederlande hat seine Wahlcomputer aus dem Verkehr gezogen.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Im Februar 2008 wird in Hamburg gewählt. Dabei sollte ein Digitaler Wahlstift zum Einsatz kommen. Das ist ein etwas größerer Schreibstift mit einer kleinen Kamera hinter der Kugelschreibermine. Die Kamera erfasst über Raster auf dem Stimmzettel die Kreuze und speichert diese. Über eine Dockingstation werden im Wahllokal die gespeicherten Daten mit einem Kabel sicher vom Stift auf einen Laptop übertragen und danach auf dem Stift gelöscht. 4,5 Millionen Euro haben 12.000 Stifte sowie Laptops für die Wahllokale gekostet. Von dem Wahlstift versprach sich die Wahlbehörde der Hansestadt eine schnellere Auszählung der Stimmen. Nach einer Sachverständigenanhörung haben die Fraktionen Zweifel bekommen und das Projekt gekippt. Der Grund: Die Zuverlässigkeit und Sicherheit konnte nichts zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auch eine Erprobung zu Testzwecken wird es wohl nicht geben.

    Diese Entscheidung freut den Experten für Computersicherheit Professor Klaus Brunnstein. Er hatte schon vor einem halben Jahr auf mögliche Sicherheitsprobleme hingewiesen. Das Wahlamt habe aber nichts unternommen, erklärt er. Die Bedenken schienen ausgeräumt zu sein, so Asmus Rösler, Leiter des Landeswahlamts. Doch Brunnstein wendet ein, dass Gutachten nicht bestätigen konnten, dass die Systeme sicher genug sind für Wahlen. Sie haben zwar ein Zertifikat, das den Common Criteria entspricht. Das sind internationale Standards für sichere Software. Die dabei eingehaltene Sicherheitsstufe sei aber nicht ausreichend für Wahlen, kritisiert Brunnstein.

    Auch Rop Gonggrijp kam bei der Sachverständigenanhörung in Hamburg zu Wort. Er argumentiert, dass die Wähler bei Computerwahlen nicht mehr nachvollziehen könnten, dass ihre Stimme so gewertet wird wie sie das haben wollen. Er hat in Holland eine Initiative gegründet, die unter dem Slogan "Wir vertrauen Wahlcomputern nicht" angetreten ist. Mit Erfolg: Die holländische Regierung hat beschlossen, Wahlcomputer, die seit zehn Jahren im Einsatz waren, wieder abzuschaffen. Gonggrijp:

    "Wahlcomputer wurden in Holland schon sehr lange verwendet. Wir hatten bis zu diesem Jahr zu 99 Prozent E-Voting. Nun hat die Regierung die Zulassung für alle bereits bestehenden Computer zurückgezogen. Wir sind zurückgekehrt zu Papierwahlen."

    Die Tendenz in Europa in Sachen E-Voting ist widersprüchlich: Länder wie Estland sind stolz auf ihre Computerwahlen. In Frankreich gab es die Möglichkeit bei den Präsidentschaftswahlen erstmals, gegen erheblichen Widerstand. In Irland wurde die Einführung der Computer gestoppt, in England wird sie noch diskutiert. Für Gonggrijp ist ein blindes Streben nach Modernität der Grundfehler:

    "Ich denke es geht dabei um ein falsches Verständnis von Modernität, eine falsche Vorstellung, dass die Leute beim Einsatz von Computern eher zu den Wahlurnen gehen, weil sie denken, dass wählen modern ist. Es gibt ja in vielen Ländern Probleme durch eine immer geringere Wahlbeteiligung, und die Politiker suchen nach möglichen technischen Lösungen um die Teilnahme zu erhöhen."

    Auch in Deutschland wurden Wahlcomputer bereits eingesetzt, unter anderem bei den Bundestagswahlen 2005. Dagegen läuft derzeit noch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Klaus Brunnstein hält keines derzeit verfügbaren Verfahren für wirklich einsatzreif. Es gebe keinen Standard für eine technisch sichere Lösung, dem wenigstens die neutralen Fachleute vertrauen könnten. Die seien erst bei Expertengremien in Arbeit und würden zu gegebener Zeit vorgestellt, so Brunnstein.

    Das für Wahlen notwendige Vertrauen könne bei elektronischen Systemen überhaupt nicht gegeben sein, argumentiert Gonggrijp. Dem Bundesinnenministerium sind diese Einwände nicht wirklich nachvollziehbar. Anfang November wurden Wahlgeräte desselben Typs zugelassen, die in Holland eben abgeschafft wurden. Man habe einige Verbesserungen an der Software vorgenommen, und die Versiegelung verändert, so das Bundesinnenministerium. Die Wahlgeräte werden unmittelbar im Wahllokal ausgelesen, Manipulationen an der Urne oder am Wahlgerät während des Transports sollen damit ausgeschlossen werden, heißt es weiter. Das sei eine sichere Alternative zur Wahl mit Stimmzettel und Urne, so beharrt das Schäuble-Ministerium.

    Doch da dürfte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. So hat der Petitionsausschuss eine Eingabe gegen den Einsatz von Wahlcomputern, die dort vor einem Jahr eingereicht wurde, den Fraktionen zur Kenntnis empfohlen. Immerhin 45.000 Unterzeichner hatten sich der Eingabe innerhalb von sechs Wochen angeschlossen. Das sollte auch dem Innenministerium zu denken geben. Denn bei Wahlen untergräbt bereits der Verdacht, dass es zu Manipulationen kommen könnte, das Vertrauen in die Demokratie.