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Umstrittener Kalibergbau
Salzabbau ist wieder gefragt

Die Fördertürme und Fabrikhallen waren schon verschwunden, doch nun will der Bergbaukonzern K+S in Giesen nördlich von Hildesheim wieder Salze abbauen. Grund: Der Abbau ist auch wirtschaftlich wieder attraktiv. Das Vorhaben wird in der Region grundsätzlich begrüßt - es gibt aber Umweltbedenken.

Von Günter Beyer | 01.03.2019
Die Kalihalde mit des ehemaligen Kali und Salz-Werkes Siegfried-Giesen in Giesen (Region Hannover).
Der sogenannte Kalimandscharo in Giesen - die Abraumhalde aus dem ehemaligen Bergbau (dpa/Holger Hollemann)
Ein mächtiger schneeweißer Salzberg, einige hundert Meter lang und breit, erhebt sich 80 Meter hoch über abgeernteten Kartoffeläckern und brachliegenden Maisfeldern. Bis 1987 hat der Kasseler Bergbaukonzern K+S in Giesen nördlich von Hildesheim Düngemittel gefördert und die salzhaltigen Rückstände aufgehaldet. Dann wurde der Kalibergbau in dieser Region eingestellt, Förderturm und Fabrikhallen verschwanden. Allein der Kalimandscharo blieb – eine riesige Halde, die bei jedem Regen salzhaltiges Abwasser in den Fluss Innerste entlässt.
Nun aber hat sich das Blatt gewendet. Düngemittelrohstoffe wie Sylvinit und Hartsalz sind wieder gefragt. K+S könnte die Förderung wieder anfahren, sagt Unternehmenssprecher Ulrich Göbel:
"Gerade die besonders hochwertigen Salze der Lagerstätte dort sind für uns eine wichtige strategische Option für die zukünftige Entwicklung als Unternehmen."
In einer Tiefe bis zu tausend Metern liegen wertvolle Kalivorräte für noch mindestens 40 Jahre. Aufgearbeitet zu Dünger, könnte K+S die Bodenschätze der Hildesheimer Börde im In- und Ausland verkaufen. Alles in allem Arbeit für 500 Menschen.
Ende Januar hat das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie die umfangreichen Anträge von K+S genehmigt. Die Behörde konnte sich dabei auf eine Weisung von Umweltminister Olaf Lies stützen. Der Kalibergbau ist wegen der Entsorgung seiner salzhaltigen Überreste nicht unumstritten. Der Sozialdemokrat Lies hatte den Landrat des Kreises Hildesheim angewiesen, das "wasserrechtliche Einvernehmen" zu erteilen.
Ungewöhnliche Genehmigung des Vorhabens
Ein solcher Ukas von oben ist zwar rechtens, aber höchst ungewöhnlich. Dagegen hatte der Landkreis zuvor den brisantesten Teil des Genehmigungspakets, das wasserrechtliche Verfahren, an sich gezogen und immer wieder Klärungsbedarf angemeldet. Im niedersächsischen Landtag in Hannover stellen sich weder CDU noch SPD, die auch die Landesregierung bilden, gegen den Kalibergbau, aber es geht um das Wie.
"Beide Fraktionen begrüßen das Vorhaben. Es ist für unsere Wirtschaft von großer Bedeutung."
Sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende im Hildesheimer Kreistag, Friedhelm Prior. Und sein Kollege Klaus Bruer von der SPD pflichtet ihm bei:
"Wir wollen das, wir wollen das heute noch. Aber nicht zu den Bedingungen, die K+S hier bisher nennt. Die zu Lasten der Umwelt gehen."
Stein des Anstoßes ist der Umgang mit den alten und möglichen neuen Salzabwässern.
"Von der Althalde gehen erhebliche Belastungen für die Innerste und das Grundwasser aus. Die Belastung des Grundwassers im Abstrom der Althalde wird erheblich überschritten."
"Das Wesentliche ist, dass das Grundwasser vergiftet wird."
Die beiden Politiker machen eine einfache Rechnung auf: 150.000 Kubikmeter Regen fällt jährlich auf die alte Halde. Davon werden 60.000 am Haldenfuß aufgefangen und in die Innerste geleitet. Wo bleiben die übrigen 90.000 Kubikmeter? Im Grundwasser, wird aufgrund der hohen Salzbelastung vermutet.
Bürgerinitiative hat Bedenken
K+S hat reagiert. Bei einer möglichen Wiederaufnahme der Produktion will das Unternehmen zwei Drittel der Restsalze in die Hohlräume des Bergwerks zurückbringen. Ein Drittel der anfallenden Salze soll auf eine neu anzulegende Halde, "die schon parallel während des Betriebes abgedeckt werden kann, begrünt werden kann, so dass dadurch wiederum das Entstehen neuer salziger Wässer durch Niederschläge deutlich reduziert werden könnte", beruhigt K+S-Unternehmenssprecher Ulrich Göbel.
Viele Anrainer rund um das Bergbaugebiet haben jedoch Bedenken. Die Bürgerinitiative "Giesen Schacht" vertritt die Anwohner der Umlandgemeinden. Der BI-Vorsitzende Ingo Fietz hat sehr konkrete Fragen und Forderungen:
"Wir sehen nicht die Notwendigkeit, dass hier eine neue Halde mit Ewigkeitslasten errichtet wird. Wir wollen eine gesunde Luft haben, wir wollen eine Sicherheit für unsere Häuser haben, dass nicht unter unseren Häusern abgebaut wird, dass wir Schäden an unseren Gebäuden bekommen."
Noch ist offen, wie es weitergeht.